Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

DZVDT #156 - Romanfiguren mit Tiefe: Planen, entdecken und alles dazwischen

Die Figurenentwicklung ist ein zentraler Aspekt beim Schreiben eines guten Romans. Aussehen, Hintergrundgeschichte, Handlungsmotivation, Hobbys, Emotionen ... all das verleiht Romanfiguren Tiefe. Doch wie geht man's am besten an?

23.02.2023 49 min Staffel 4 Episode 156

Zusammenfassung & Show Notes

Die Figurenentwicklung ist ein zentraler Aspekt beim Schreiben eines guten Romans. Aussehen, Hintergrundgeschichte, Handlungsmotivation, Hobbys, Emotionen ... all das verleiht Romanfiguren Tiefe. Doch wie geht man's am besten an? Alle Details vorher genau ausarbeiten oder seine Charaktere erst beim Schreiben kennenlernen? Sind logische Lösungen oder Bauchentscheidungen die bessere Taktik? Und wie viel Recherche muss sein? Vera und Tamara teilen ihre Erfahrungen, beleuchten verschiedene Ansichten und sind sich wieder einmal nicht in allem einig ... 

Die Figurenentwicklung ist ein zentraler Aspekt beim Schreiben eines guten Romans. Aussehen, Hintergrundgeschichte, Handlungsmotivation, Hobbys, Emotionen ... all das verleiht Romanfiguren Tiefe. Doch wie geht man's am besten an? Alle Details vorher genau ausarbeiten oder seine Charaktere erst beim Schreiben kennenlernen? Sind logische Lösungen oder Bauchentscheidungen die bessere Taktik? Und wie viel Recherche muss sein? Vera und Tamara teilen ihre Erfahrungen, beleuchten verschiedene Ansichten und sind sich wieder einmal nicht in allem einig ...

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Transkript

Vera
00:00:00
Hier sind die zwei von der Talkstelle mit Folge 156 und heute haben wir uns darüber unterhalten, wie wir unseren Figuren Tiefe geben, wie wir dafür sorgen, dass sie nicht zu clichéhaft werden und welche anderen Herausforderungen es dabei noch gibt.
Tamara
00:00:16
Ja, wir haben über die Figurenzusammensetzung gesprochen, darüber ob man eher theoretisch oder emotional an die Figurenplanung gehen sollte, vorher oder während des Schreibens. Da gibt es ganz viele Ansätze und wir haben mal so ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. Die zwei, Und schon wieder eine Woche rum. Ich werd verrückt. Hier sind wieder die zwei von der Talk-Stelle mit Folge 156. Und dieses Mal kann ich fragen, Vera, bist du zurück aus der großen, weiten Welt?
Vera
00:01:03
Ja, ich bin zurück aus der großen, weiten Welt, wieder ins kleine, beschauliche Willig. Und ja. Und ja, jetzt ist es heute. Wir nehmen ja am Rosenmontag auf. Also da kann man jetzt ja hier bei uns im Rheinland, wenn man nicht in den Trubel kommen will, nicht so viel unternehmen. Ja, insofern versuche ich jetzt so langsam. Ich habe versucht heute morgen in meinem Schreibprojekt weiterzukommen. Ich hatte ja eigentlich gehofft, nachdem ich dann so vier Tage durch Paris renne, dass ich so ein bisschen, ja, wieder den Kopf frei habe und so, dass so ein bisschen der, ja, die Blockierung weg ist. Ich bin nicht so richtig weitergekommen, aber das war es irgendwie nicht so.
Tamara
00:01:57
An welchem Teil hängt es denn?
Vera
00:02:00
Ja, wenn ich das so mal so wüsste. Wahrscheinlich ist das direkt schon unser Thema des heutigen Tages. Und es ist ja wie immer eigentlich, wenn es hängt, das ist eigentlich immer die eigene Komplexitätsfalle. Es gibt tausend Möglichkeiten, wie ich das weitermachen kann. Es ist aber momentan so keine, wo ich sage, wow, die ist es, auf die stürze ich mich jetzt. Und so, das ist so diese innere Blockade. Und ich denke, ich muss jetzt einfach einen Weg nehmen und dem gehen. So, dann einfach gucken, wohin es mich führt. So, das wird heute so ein bisschen gebastelt und nochmal ein paar Ideen ein bisschen konkretisiert und ja, und jetzt morgen werde ich mich dran setzen und einfach mal weiterschreiben und versuchen nicht so direkt zu beurteilen, dass jetzt der richtige Weg ist.
Tamara
00:03:03
Ja, löschen kann man immer noch.
Vera
00:03:06
Ja, das trifft mich immer hart, wenn ich mir da mühsam tausend Wörter aus den Fingern gesogen hab, die dazu zu löschen.
Tamara
00:03:14
Ich hab dafür eine Datei, die nennt sich Szenenfriedhof. Da leg ich die Sachen immer rein, falls ich sie noch mal brauchen würde. Ich hab die noch nie sonst aufgemacht, aber es ist gut, dass es irgendwo liegt.
Vera
00:03:26
Das Ganze an Papier, ich mach das auch immer, da kannst du sie mummifizieren oder aufs Denkbrett ziehen. Da gibt's ja tausend Möglichkeiten. Mach ich auch immer, ich hab's auch noch nie gebraucht. Aber das ist immer so, der Wörthkau und der Balken im Papierrohs, der ist ja immer das, mein Dreh- und Angelpunkt. Und wenn ich dann schon draußen noch draus blöchte, aber die muss ich noch aufarbeiten, oh, das ist eine Riesenhürde.
Tamara
00:03:53
Aber ich habe tatsächlich gestern auch an meinem neuen Projekt weiter, geplant, sage ich jetzt mal, ich war zwei Stunden im Wald und hatte ja die ganze Zeit eben das Problem mit dem Hauptkonflikt. Da habe ich auch, als ich eben letzte Woche in Berlin mit dem Christian darüber gesprochen habe, habe ich schon mal so eine grobe Idee gehabt, wo ich mal auch von ihm hören wollte, was er meint. Da haben wir das so ein bisschen weiter gesponnen. Und diese zwei Stunden Wald, die haben tatsächlich sehr geholfen. Also ich konnte diesen Konflikt weiterentwickeln. Ich konnte aber auch so ein bisschen die grundsätzliche Zusammenstellung der Welt weiterentwickeln und die Hauptfiguren. Also da ist tatsächlich viel passiert gestern in meinem Kopf. Ich glaube, jetzt muss ich mir das doch irgendwie mal skizzieren oder mal so ein Moodboard oder sowas machen.
Vera
00:04:46
Du hast doch so viele Journale.
Tamara
00:04:48
Schreibst du das da nicht rein?
Vera
00:04:54
Bei diesem Konzert ist nämlich genau mein Problem. Natürlich kann ich mir Dinge ausdenken und ich bilde mir ein, ich bin auch sehr gut darin, Lösungen für irgendwelche Problematiken zu finden. Das heißt, mir gelingt es relativ gut, auch in kürzester Zeit irgendein Szenario, was schlüssig ist zu skizzieren. Das Problem ist, das ist dann nicht unbedingt ein Szenario, was mir anspringt, was mir Spaß macht. Das ist einfach eine vernünftige Lösung. Und ich suche noch nach dem Katsching, das ist es so. Ich muss da kleinen, kleinen, wie sagt man, egal. Gestern so, also ich war ja gestern zu Hause und hab dann so geguckt, was kann ich mal so im Fernsehen gucken, so irgendwie. Und dann hab ich eine meiner Lieblingsserien mal wieder eingeschaltet und ein paar Folgen geguckt. Und zwar Castle. Kennst du noch? Richard Castle.
Tamara
00:06:05
Kennst du den? Gesehen hab ich das auf jeden Fall nicht.
Vera
00:06:09
Ne, hast du die Serie nicht gesehen? Das ist Nathan Fillion, spielt die Hauptrolle. Richard Castle ist ein erfolgreicher amerikanischer Krimi-Autor, der zuerst zu Recherchezwecken mit der New Yorker Polizei mitgeht, mit Detective Kate Beckett und die Lösenmordfälle. Und natürlich über die diversen Staffeln wandelt sich zwischen denen was ein. So, und das ist so ein bisschen, ja, das Klischee des erfolgreichen Autors, der ist stinkereiig und... Wie es halt so ist im echten Leben. Und in der ersten Staffel ist es dann auch so, da kommt sein neues Buch raus und dann... Gucken, ob das jetzt verkauft wird oder nicht und so. Und jedenfalls gibt es da ab und zu Zähnen, da hat er eine Pokerrunde mit drei anderen erfolgreichen amerikanischen Autoren und zwei echten. James Patterson spielt damit. Und wie gesagt, wie heißt der? Mir fallen die amerikanischen Namen nicht ein. Steven Kennel glaube ich. Das heißt der. Und wie heißt der eine, der die Firma und die Akte und so geschrieben hat? Michael Grisham. Genau. Die spielen da mit ihm Poker und das sind wirklich die Autoren. Die spielen wirklich Poker. Die kommen wirklich vor, die werden auch als Gaststeine. Und dann diskutiert er mit denen immer die Krimifälle. Okay. Und dann so lange Rede, kurzer Sinn, gestern war da wieder so eine Szene. Und wenn er gerade auch hängt mit seinem neuen Buch, wo er hat also eine neue Reihe geschrieben, wo die Hauptfigur natürlich inspiriert ist von der Polizistin, mit der er zusammenarbeitet. Und da hängt es jetzt und er kommt nicht weiter. Und dann reden die drei erfolgreichen Autoren dann auf ihn ein, wie er letzt das Dilemma lösen kann. Der eine macht ihm einen Vorwurf, dass er sowieso nur ein Buch im Jahr schafft. Aber das sind total coole Weisheiten. Der hat zum Beispiel gesagt in der Folge, es gibt nur drei Gründe, warum jemand ermordet wird. Geld, Liebe oder um einen Verbrechen zu vertuschen. Okay, ja, möglich. Ich finde das höchst inspirierend, wenn ich mir immer Richard Castle angucke und wie er da mit den erfolgreichen Autoren. Gut, seine Verlegerin ist natürlich die Ex-Frau und das ist dann wieder alles, aber ist er so auch mir gar nicht. Ich weiß gar nicht, was ich damit erzählen wollte, aber er hängt auch gerade an seiner Figur und dass die nicht so weiterkommt und dass das irgendwie nicht so richtig passt. Genau in derselben Problematik wie ich gerade und womöglich du auch mit deinem Konflikt.
Tamara
00:09:21
Genau, da sind wir ziemlich mitten im Thema drin, weil wir mal über das Thema sprechen wollten, Figuren vorab sehr detailliert entwickeln oder sich entwickeln lassen, sie beim Schreiben kennenlernen, was sind die Vor-Nachteile, welche Möglichkeiten gibt's. Und du entdeckst die Figuren immer erst beim Schreiben, oder?
Vera
00:09:46
Ja, ich habe schon eine Idee von einer Figur. Also, 200 von Ihnen auf, Figur 1. Die sind ja, also jetzt bei meiner Ambiener Hagenreihe sind die Hauptfiguren ja schon jetzt über ein paar Jahre gesetzt. So und jetzt bei Frau Bappeldorn hatte ich die Idee der Hauptfigur, die war ja quasi der Auslöser der Geschichte. Also da mal ich da auch ein reales Vorbild hatte, was aber da kommen vielleicht noch zu auch die Sachen, die sich immer leichter macht. Natürlich weiß ich so von den Regeln, wie konstruiere ich so einen Krimi, dass ich natürlich dann Figuren brauche, die Gegensätze sind, wo in irgendeiner Form ein Spannungsfeld da ist. Das muss jetzt kein negatives Spannungsfeld sein, aber es muss halt auch passieren zwischen den Leuten. Und so, das weiß ich schon, aber der Rest entwickelt sich dann doch sehr spontan, während ich schreibe. Also, das ist mir gerade jetzt bei der letzten Szene, die ich jetzt in dem neuen Krimi gespielt habe, ich hatte, es handelt ja von, dass ein Eishockey-Trainer tot in der Kabine aufgefunden wird und ich hatte in meiner Skizze schon notiert, dass einer der möglichen Verdächtigen der Vereinsvorsitzende ist. Also, der Hauptverdächtige für die Polizei ist der Gräfrater Eishock ist da, mit dem halt eine Freundin von Biene zusammen ist und deswegen fängt Biene da auch an zu ermitteln. Und dann habe ich halt gedacht, okay, das ist so der Vereinsvorsitzende und wie er so auf dem Dorf ist in den Sportvereinen, das ist dann immer irgendwie der Malermeister am Ort oder so was. In meinem Fall ist es der Klempner. Und dass es den geben wird, das war mir klar. Ich hatte auch den Namen, aber eigentlich noch keine Vorstellung von der Figur. Nur, das ist halt der Klempner-Meister. Ich hatte natürlich, hab so eine vage Vorstellung jetzt so eine Vereinsvorsitzende und so ein bisschen ehrgeizig und will den Greifrater Sport nach vorne bringen und so eine Figur, da habe ich irgendwie so eine Vorstellung, die ich nicht so richtig auf Papier bringen kann. Ja und als dann jetzt so die Zähne kamen, wo ich dachte so jetzt müssen sie mal mit Menschen reden. Ja, dann habe ich die dahin fahren lassen. Und in dem Moment, wo ich die auf die Person zutreffen kann, schreibe ich einfach. Und dann entwickelt sich die Figur. Wobei ich dann schon manchmal ein bisschen aufpassen muss, dass ich da nicht zu sehr in Klischees ab. Das erste, was einem so einfällt, sind halt die Klischees. Wobei ich an heiteren Krimi schreibe. So ganz ohne Klischees. Aus Klischees entsteht ja auch Witz. Und woher nehme ich die dann, breche. Und ich habe den dann gestern geschrieben, den Rolf Schulz, so heißt er, meine beiden Hargo und Biene sind in die Klempnerei gegangen und da war erstmal keiner und haben so gerufen, hat sich keiner geantwortet, plötzlich hinter denen eine tiefe Stimme, hallo, was kann ich für Sie tun? Und da steht der Klempnermeister, das war die erste Szene, wo der auftaucht und da habe ich einfach runtergeschrieben, dass der da im Blaumann steht, dass das ein riesiger Kerl ist mit breiten Schultern, kurzen Stoppelhaaren und er hat eine riesen Wasserpumpzange in der Hand. So wirkt wie so ein Westler. Und nimmt sie dann noch mit ins Büro und hat halt, ist ein unordentliches Büro und er hat dann auch keine edle Kaffeemaschine, sondern kramt in der Schublade und hat nur noch so einen alten Nescafé und so Milchspülwurm, was da denen anliegt. Das habe ich einfach so geschrieben. Wahrscheinlich habe ich mal in grauer Vorzeit mal so etwas erlebt, was dann wieder hochkam. Keine Ahnung, woher das kommt. Da habe ich mir jetzt keine großen Gedanken gemacht. Es kann natürlich passieren, dass ich irgendwann feststelle, wenn sich die Figur weiterentwickelt, dass ich mich da irgendwie auf einen Weg vergeben habe, der jetzt irgendwann schwierig wird oder so. Aber alle Bemühungen, mir vorher das genau durchzudenken, sind immer gescheitert. Woran? Figuren, wo ich mir das vorher durchdenke, die werden sofort langweilig und so gradlinig.
Tamara
00:14:28
Okay, okay. Also ich muss gestehen, ich habe eigentlich alles Mögliche ausprobiert. Ich Ich habe beim ersten Buch meine Hauptfiguren sehr genau vorbereitet. Ich hatte da so einen Fragebogen von über 100 Fragen zu Kindheit, Familie, Hobbys, Schlag mich tot ist, habe ich irgendwo im Netz gefunden und habe die alle beantwortet. Das hatte für mich einen sehr großen Vorteil, weil dadurch, dass ich dann wirklich... Da waren zum Beispiel Fragen dabei, wie berichten Sie ein Kindheitserlebnis oder so. Und dadurch, dass ich das alles sehr sorgfältig ausgesöht hatte, habe ich meine Figur natürlich sehr, sehr gut gekannt und konnte zum Beispiel auf diesen Kindheitserlebnissen aufbauen oder eben auf diesen ganzen Sachen, die so im Hintergrund der Figur sind. Und das hat mir sehr, sehr geholfen. Dann habe ich beim zweiten Buch eine Figur aufgegriffen, die im ersten eine Nebenfigur ist. Und dachte mir dann eben so, naja gut, die kennst du ja schon und außerdem weißt du jetzt sowieso, wie man ein Buch schreibt und hab einfach angefangen. Das ist mir total auf die Füße gefallen, weil die halt dann total eidimensional war. Und da musste ich ganz viel nochmal umschreiben. Dann beim dritten war es so ein Mix-Ding, weil ich tatsächlich zwar viel vorbereitet habe, auch über die Interessen und so weiter, aber ich habe mich zu wenig gefragt, was denn das Motiv der Figuren ist, warum sie so und so handeln, was ja auch ganz viel mit deiner Vergangenheit zu tun hat. Also deine ganzen Wünsche und Träume, das hat ja viel damit zu tun, was du erlebt hast oder wie auch immer. Immer. Und das hat dann da gefehlt, so dass ich wieder ganz viel umbauen musste. Und insofern hat es meistens für mich eher bewährt, mich wirklich vorher sehr intensiv damit zu beschäftigen. Aber zwischendurch habe ich natürlich auch mal so ein Glückstreffer, also eine meiner liebsten Figuren ist eine Nebenfigur aus Regenbogenblau. Den habe ich eigentlich gar nicht groß ausgearbeitet und Der ist irgendwie mir so charmant und lustig und trotzdem mit Ecken und Kanten entgegengesprungen, ohne dass ich das groß geplant habe. Also das kann natürlich mal gut gehen. Aber ich habe festgestellt, dass ich im Ende schon viel Zeit spare, wenn ich mich mit den Figuren beschäftige und weniger jetzt damit, wie die unbedingt jetzt aussehen oder so, sondern wirklich so diese Dinge, die dein Verhalten prägen. Wie du redest, wie du dich bewegst, wie du dich einrichtest, was deine Ziele und Werte sind im Leben. Das finde ich sehr hilfreich beim Schreiben.
Vera
00:17:18
Ja, ich kann mir das vorstellen, dass das letztlich dann auch Inspirationen gibt, aber es gelingt mir irgendwie nicht so. Also, und es ist auch so, ja, also, weil immer ich das versucht habe, das hat mich dann irgendwann eingeengt.
Tamara
00:17:35
Ich muss dazu sagen, also, grad die Frauen lustigerweise, die werden am Ende immer ein bisschen anders, als ich sie mir ausgedacht hab. Und ich finde, da kann man auch so ein bisschen flexibel sein. Also das ist bei mir ja auch beim Plotten so, dass ich wirklich sage, okay, das ist die Richtung, wo ich langgehen will, so ist mein Plan. Und wenn ich zwischendurch merke, ich muss da was ändern, dann kann man das ja tun. Also man hat ja keinen bindenden Vertrag mit seinem Plan.
Vera
00:18:04
Na ja, also das ist so, das ist immer so dieses, dieser Zwiespalt bei dem Plan, wobei es mir auch nicht wirklich gut gelingt. Ich kann dann irgendwie theoretisch was mir ausdenken, was logisch passt, aber es ist einfach nicht organisch, es packt mich nicht. Das entsteht immer erst, wenn ich davor sehe. Ich habe jetzt gestern die ganze Zeit da gesessen und habe auch so gemerkt, so die ersten Figuren, die ich habe, ja, da muss jetzt noch ein bisschen, da muss Tiefe rein und vor allen Dingen, um es mal auch wieder technisch zu sagen, ich brauche noch ein paar Themen, wo wo ich gute Szenen reinsetzen kann. Ja, also im Sinne von Papst im Pool, damit die nicht immer nur essen gehen.
Tamara
00:18:52
Also Hobbys und Interessen.
Vera
00:18:53
Ja, irgendwas. Und dann habe ich jetzt überlegt, welche Hobbys könnte denn der tote Eishocke-Trainer haben? So. Und dann habe ich gebrainstormt, der könnte eine Eisenbahn haben, Modellbau machen, Briefmarken sammeln, Vogel beobachten, wandern. Ich habe eine ganze Liste gemacht, was es alles gibt. Aber irgendwie so richtig angesprungen hat mich da nichts. Ich überleg dann immer direkt, okay, wie Wie könntest du jetzt bei... Bei einem Szenario, was irgendwie im Eichstädtchen anfängt, wie könnte es den logisch und organisch, ja, dazu, ja, das Wandern einbauen oder so was, ne, da fällt mir grad nichts ein.
Tamara
00:19:40
Geocaching.
Vera
00:19:42
Ja, sowas. Da ist auch immer das Punkt an, da ist meine Faulheit, ich gucke natürlich dann auch immer nach Themen, wo ich zumindest ein bisschen was darüber weiß oder was darüber schreiben könnte. Also ich könnte jetzt nichts zum was weiß ich für irgendwas machen, wo ich gar keine Ahnung darüber habe, weil ich keinen Bock habe, mich jetzt erst mal tief in so ein Thema einzuarbeiten.
Tamara
00:20:04
Ich wollte gerade fragen, warum nicht, aber dann hast du schon beantwortet. Aber liebe Vera, dann machst du es dir ja auch ganz schön einfach.
Vera
00:20:13
Ja, ist das ein Fehler?
Tamara
00:20:14
Möglicherweise. Also ich muss gestehen, jedes Mal, wenn ich mich für irgendein Thema entschieden hab, von dem ich keine Ahnung hat und wo ich wirklich Leute anschreiben musste, mir Sachen angucken gehen musste, das waren dann zum einen Sachen, die nicht gerade jeder hat und zum anderen hab ich da persönlich ganz viel mitgenommen und viel Neues gelernt. Also ich finde das schon lohnenswert.
Vera
00:20:37
Ja, natürlich. Nur du willst dann ein Buch als nächstes Jahr schreiben. Ich würde es einen Monat fertig haben.
Tamara
00:20:46
Okay, liebe Vera, ich sag dir zum dritten oder vierten Mal dieses Jahr, ich möchte dieses Jahr noch zum Schreiben anfangen.
Vera
00:20:52
Vielleicht merkst du dir das jetzt mal. Das sind jetzt 500 Worte, aber...
Tamara
00:20:57
Nee, aber zum Beispiel, also was du jetzt eben gesagt hast, wie kriege ich den da und dahin, das ist ja glaube ich schon mal so ein Ansatz, dass du dich nicht zuerst fragst, was könnte der jetzt für ein Hobby haben, sondern was brauche ich denn? Also zum Beispiel bei meinem zweiten Buch habe ich gesagt, okay, ich brauche eine Figur, die eine Sportart macht. Bei der es nicht gerade zimperlich zugeht. Also so rum. Und dann habe ich erst mal geguckt, was gibt es denn da? Und dann klar, irgendwie American Football oder so dachte ich, OK, das gibt es schon tausendfach, das hat jeder. Und deswegen habe ich mich dann letzten Endes für La Crosse entschieden. Und da musste ich schon einen Haufen recherchieren, fand das total interessant. Aber dass man so quasi erst mal einfach nach Bedarf guckt, was denn Sinn machen würde.
Vera
00:21:51
Ja, du hast schon recht, klar. Wie gesagt, das ist so ein zweischneidiges Schwert. Ich bin ja jetzt eigentlich in meinem Zeitplan schon hinten dran und mir jetzt die Ausrede auch noch aufbauen. Ich müsste jetzt erst mal eine Woche recherchieren.
Tamara
00:22:11
Ja, aber an das gefragt, was ist denn wichtiger, den Zeitplan einhalten oder einen nicht langweiligen Roman schreiben?
Vera
00:22:18
Ich glaube nicht, dass das so ein zwingender, dass das die zwingenden zwei Dinge sind. Also dass ich nur, wenn ich jetzt diese eine Idee nicht mache, weil ich da recherchieren muss, heißt das nicht, dass der Roman langweilig werden muss, wird. Also ich behaupte mal, dass mir bisher irgendwie auch gelungen ist. Also, aber ich würde schon, dass er fertig wird, sehr hoch bewerten. Auf jeden Fall. Weil wenn ich da anfange zu sagen, okay, das ist nicht so wichtig, dann wird er nie fertig. Und ich will ja dieses Jahr zwei schaffen. Und ich glaube auch, ich meine, das war jetzt ein bisschen ein anderes Thema, ich glaube auch, dass für meinen Erfolg als Autorin es sicherlich wichtiger ist, zwei Bücher zu schreiben als dem jetzt irgendein exklusives Hobby zu geben.
Tamara
00:23:13
So formuliert ja, aber ich würde trotzdem nicht die Zeit immer höher priorisieren als den Inhalt.
Vera
00:23:23
Ja, das wird sehr theoretisch, aber es muss natürlich ein gutes, unterhaltsames Buch dabei rauskommen. Da sind wir uns einig. Aber ob das jetzt, ich bin gesagt beim letzten Buch war es halt Wassergymnastik und da hat es gereicht, also ich bin ein YouTube-Video während dem Schreiben angucke. Oder der Herr Bööck-Türk, der macht mittelalterliches Fechten. Da musste ich jetzt auch nicht groß recherchieren, zumindest nicht für die Infos, die ich da brauchte. Solche Sachen. Aber die kommen irgendwie, es gelingt mir irgendwie nicht, mir die vorher auszulegen. Ich habe gestern irgendwie eine halbe Stunde alle möglichen Hobbys mir aufgeschrieben, die der haben kann. Wahrscheinlich werde ich jetzt irgendwie, wenn jetzt die Zähne kommt, irgendwas wird mir plötzlich aus der Feder fließen oder aus den Fingern rutschen, was da nicht in der Liste drin steht und was irgendwie passt. Dann mache ich ein YouTube-Video und beschreibt die Szene und erwartet.
Tamara
00:24:30
Grundsätzlich glaube ich, dass es zwei Herangehensweisen gibt für dieses Vorbereiten der Figuren, die sich auch nicht unbedingt ausschließen müssen. Also einmal eben so das Theoretische, dass man überlegt, was brauche ich, was passt zusammen. Da habe ich zum Beispiel gestern lange überlegt, ich habe halt bei meiner Roman Idee so eine Konstellation von vier Personen, also die Hauptfigur, das wird eine Frau sein und drei Personen, die mit ihr zusammenarbeiten. Und in solchen Konstellationen hat man ganz oft, jetzt auch im realen Leben, eben so das so klischeehaft drei Männer und eine Quotenfrau und das wollte ich eigentlich nicht. Ich wollte auf jeden Fall noch eine Frau dabei haben. Gleichzeitig wollte ich das aber auch nicht, weil ich es total schwierig fand, also sie ist eher so eine Taffe eben und ich fand es ganz schwierig, da eine zweite Frau dazu zu holen, die ihr nicht zu ähnlich ist, ohne dabei gleichzeitig in so ein Tussi-Klischee abzudriften. Da habe ich mir unheimlich den Kopf zerbrochen, wie ich sie unterscheiden kann, ohne dass ich sie irgendwie doof findet.
Vera
00:25:49
Wobei also bei den drei Männern hast du das Problem nicht?
Tamara
00:25:53
Nee, weil selbst wenn einer vom Typ her ähnlich ist wie sie, unterscheidet er sich halt noch dadurch, dass er ein Mann ist.
Vera
00:26:00
Ja, aber die anderen beiden Männer. Das heißt, du kannst dir Männer in mehreren Varianten vorstellen als Frauen?
Tamara
00:26:09
Ich fürchte ja. Ich muss an der Stelle aber auch einfach verstehen, ich schreibe viel lieber Männer. Ich schreibe vor allem auch viel lieber Männer Freundschaften als Frauen Freundschaften. Wenn mir irgendeine Figur entgleist, dann ist es meistens eine Frau, die dann irgendwie klischeemäßig doof wird. Also ich tue mich mit Frauen schreiben viel schwerer tatsächlich. Keine Ahnung warum. Ja, keine Ahnung. Also irgendwie schreibe ich die lieber und insofern ja, wäre es mir wahrscheinlich leichter gefallen, drei nicht zu ähnliche Jungs zu schreiben. Aber ich habe dann letzten Endes doch eine Möglichkeit gefunden für eine zweite Frau und das war sehr theoretisch überlegt. Aber die Theorie ist natürlich noch nicht, das hat doch kein Leben. Und ich glaube, da kommt dann eben die zweite Herangehensweise, dass man eben nicht nur überlegt, okay, das macht Sinn und das ist logisch und das passt zusammen, sondern dass man dann wirklich versucht, sich in die Figuren rein zu versetzen und das quasi zu erspüren.
Vera
00:27:15
Ja, wobei du da ein wichtiges Thema ansprichst, wo ich auch immer mit hadere, man kann ja eigentlich nicht auf seine eigene Haut und man ist von seinen eigenen Mustern, Denkmustern, Erfahrungswerten geprägt und deswegen kommen bei mir, wenn ich nicht aufpasse. Immer irgendwie die gleichen Typen raus. Genau wie du das mit den Frauen jetzt hast, ich würde das jetzt bei mir nicht unbedingt auf Frauen und Männer unterscheiden, aber wenn ich so spontan schreibe und mir vorher nicht großgedankend umar mache, haben die Männer immer irgendwie dasselbe an. Und so, ne? Ja, ich rutsch dann schon, wenn ich mich aufpass, ich rutsch in so Muster rein, in so... Sind wahrscheinlich Klischees oder in Vorstellungen einfach die, die ich halt mich geprägt habe aus irgendeiner Art und Weise.
Tamara
00:28:11
Ja, Erfahrungswerte dann auch. Ich glaube, da hilft es natürlich auch, dass man einfach mal ein bisschen sich irgendwo hinsetzt und nicht am Handy daddelt, sondern sich die Leute anguckt. Was mir zum Beispiel oft auffällt, dass Leute, keine Ahnung, sagen wir mal, jenseits der 40, 50, 60, jugendliche schreiben, die so sind, wie die Jugendlichen eben vor 30, 40, 50 Jahren waren. Und das, finde ich, geht halt gar nicht. Und da ist es einfach total wichtig, mal ein bisschen auch zu beobachten. Ich glaube, was halt auch eben wichtig ist, neben den ganzen Hintergründen der Figur, ist natürlich auch die Entwicklung der Figur. Und da finde ich es ganz spannend, das habe ich ja noch nicht gehabt. Also ich kann mir natürlich überlegen, meine Hauptfigur ist am Anfang des Romans, hat sie die so oder jene Schwäche und lernt das dann und hat sich halt verändert. Klassische Heldenreise. Aber das ist jetzt bei dir zum Beispiel über sieben Bände, also die macht ja auch eine Entwicklung durch. Wie machst du das denn?
Vera
00:29:19
Das ist ein sehr schwieriger Punkt, weil ich habe zumindest den Eindruck, dass gerade so diese Fehler will ich nicht sagen, aber diese Schwächen oder was immer du da meinst, eigentlich die Besonderheiten von Biene sind. Also sie ist spontan und denkt auch nicht immer nach, was sie sagt, sagt auch mal Blödsinn und solche Sachen.
Tamara
00:29:45
Aber würdest du sagen, sie ist dieselbe Biene wie im ersten Teil?
Vera
00:29:50
Ja, ich glaube, ich würde mich auch gar nicht trauen, die zu sehr verändern zu lassen, weil dann würde ich irgendwie, wenn die jetzt plötzlich ruhig und gelassen wird, das ist eine ganz andere Geschichte.
Tamara
00:30:01
Ja, eine Figur kann sich auch auf mehreren Ebenen verändern.
Vera
00:30:08
Also sie wird ja noch nicht mal älter.
Tamara
00:30:10
Okay.
Vera
00:30:11
Sie wird ja noch nicht mal älter. Nein, das wäre eine andere Geschichte. Das wäre dann noch eine andere Person. Ich meine, ich habe das letztens noch darüber nachgedacht. Weil ich irgendwie jetzt in dem Thema Eishockey, Das erinnert mich auch immer ein bisschen an meine Jugend und habe ich auch so nachgedacht. So wie war ich denn vor 30 Jahren? Sicherlich anders als ich heute bin. Ich würde sicherlich auf Dinge anders reagieren. Nee, wenn ich das so biene...
Tamara
00:30:44
Vielleicht sind es so Mikro-Dinge. Also ich könnte mir vor... Ich hab wie gesagt, ich kenne jetzt nur den ersten Teil, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht im fünften Teil auf eine Leiche nicht mehr so geschockt reagiert wie im ersten.
Vera
00:30:56
Ja, das, das... Ja klar, also ich mein... Klar, in dem ersten Teil war sie ja noch Steuerfachangestellte und jetzt ist sie ja Detektivin, also das ist natürlich schon eine Veränderung. Ja, aber so von die, also die maßgeblichen, wie sagt man, Eigenheiten, ja, die will ich nicht verändern, die machen ja die Figur aus und ich bilde mir ein, dass das auch die Leserinnen und Leser ja an ihr mögen, dass sie so ist, wie sie ist, wie ich die jetzt so sehr verändere. Ich hab ja schon das Problem, dass ich jetzt gerade in Teil wie man eben schreibe, wie ich das mit der Liebesbeziehung mache. Am Anfang war klar, da war doch alles, so dann ist sie jetzt in zwei Bänden irgendwie mit ihrem Jochen dann doch wieder zusammen. So, das kann ich nicht noch drei Bände ziehen, weil der Jochen ist ein Typ, der will jetzt mehr und ich kann Biene nicht heiraten lassen.
Tamara
00:31:55
Ja, vielleicht darf ich ihn raus schmeißen, das ist auch gescheitert.
Vera
00:32:00
Nein, also das kann ich ruhig sagen, weil das ist direkt die erste Szene. Das fängt mit einem sehr guten ersten Satz an, wie ich finde. Der erste Satz des Buches heißt, wieso ist da kein Brusthaar? Weil sie aufacht neben dem neuen kanadischen Eishockeystar im Grefrad. Also sie hat es quasi fremdgehangen. So und jetzt läuft es natürlich darauf hinaus, dass Jochen dann irgendwie rausgeht. Ich muss da einen Keil zwischen den beiden treiben. Ich weiß noch nicht, ob sie sich am Ende, ob Jochen so weit ist, ob sie vertragen. Keine Ahnung. Das werde ich noch mal sehen. Aber ich kann die nicht. Das würde einfach die Dynamik total verändern. Sie könnte auch nicht mehr bei Oma wohnen dann. Das geht nicht.
Tamara
00:33:03
Aber er kann nicht einfach damit zufrieden sein, dass sie zusammen sind.
Vera
00:33:07
Punkt. Das würde seine Figur. Dann hätte ich, dann müsste die ganzen, das ist wahrscheinlich, habe ich da irgendwann diese genau was vorhin gesagt haben. Da habe ich irgendwann die Entscheidung getroffen, den Jochen so zu machen, dass das halt einer ist, der solide ist, der eigentlich träumt von Häuschen, Frau, Kindern und so. Also so ganz gesettelter ist. Er musste ja auch den Gegensatz sein zu Bienen, Biene, die immer den Traum hat in die große weite Welt zu gehen, auch obwohl es es noch nie wirklich geschafft hat. Aber immer davon träumt. Ich brauch ja einen Gegensatz, du brauchst ja Konfliktpotenzial und das funktioniert dann nicht. Und dann kommst du halt irgendwann in solche Zwinge. Aber die kannst du vorher dir irgendwie nicht ausdenken. Ich hab ja auch nicht gewusst, dass das mal sieben Teile werden. Das ist das Gleiche mit dem Rago. Ich hab, mir war klar, der sollte am Anfang, sollte halt der sehr gut aussehende, exotische, reiche Kerl sein, so ein Idealbild. Aber der darf auch nichts mit Biene anfangen. Dadurch würde ich die Exotik zurückmachen. Jetzt habe ich das teilweise in den Büchern, ja, da habe ich so selbst so ein bisschen rumgeeiert, weil ich es genau selbst nicht so genau wusste, dass die Leserin meint, der wäre schwul. Das ist er aber nicht. Aber da muss ich auch irgendwo passieren lassen. Also diese eine Entscheidung, wie die Figur ist, die führt irgendwann dazu. Und ich weiß nicht, ob es Menschen gibt, die das vorher absehen können, wohin das einmal führt. Ich kann das nicht. Aber es verunsichert mich natürlich jetzt umso mehr, da ich jetzt an meinem eigenen Leib spüre, zu welchen Problemen das führen kann und zu welchen Dilemmat da. Ich versuche jetzt bei an neuen Figuren mir das mehr über zu überlegen, aber das gelingt mir nicht.
Tamara
00:35:04
Ja, ich glaube es ist wirklich so ein Zusammenspiel aus der Theorie, was du brauchst und dann aber die Feinheiten mehr aus dem Bauch heraus. Weil ich glaube, das ist schon prinzipiell bei allen wichtigen Entscheidungen. Ist ja eigentlich so, dass der Bauch entscheidet und du brauchst vorher nur für deinen Kopf irgendwelche Argumente. Also ich glaube, das ist schon ganz sinnvoll, dass man erst sich ein Konzept erarbeitet und dann schaut, ob sie es richtig anfühlt.
Vera
00:35:37
Ja, aber dieses Anfühlen sind ja wieder nur auf Basis deiner eigenen Erfahrungswerte.
Tamara
00:35:43
Weiß ich nicht. Also ich mein, da sind wir eigentlich in meinem anderen Thema drin. Also ein guter Schauspieler, der kann ja auch nicht nur Figuren spielen, die er selbst isst.
Vera
00:35:57
Aber der kriegt die Figur ja auch vorgegeben.
Tamara
00:36:01
Ja und nein, also natürlich bekommt er vorgegeben, was die Figur tut und was die Figur sagt, aber letzten Endes müssen die sich das ja trotzdem für sich erarbeiten und das für sich interpretieren. Also gerade am Theater kannst du ja nochmal, kann ja ein Stück von zehn Ensembles irgendwie in zwölf verschiedenen Variationen gespielt werden und das hat schon viel mit eigener Interpretation zu tun. Und da geht es schon auch viel ums reinfühlen und da gibt es halt auch ganz interessante Techniken, wo du quasi deine Erfahrungswerte auf das, was der Figur passiert, übertragen kannst. Und das ist tatsächlich ein Thema, mit dem habe ich mich die letzten zwei Jahre sehr intensiv beschäftigt. Wie man einfach diese Techniken vom Theater und und vom Film auch fürs Schreiben adaptieren kann. Und da würde ich jetzt mal ganz frecherweise einen einen kleinen Werbeblock einschieben, weil ich da letztes Jahr mit KundInnen von mir so testweise einen vierteiligen Workshop gemacht habe, also ein Webinar, wo wir das zusammen erarbeitet haben. Also da ging es einmal um Figurenentwicklung. Es ging um lebendige Dialoge, es ging um Emotionen schreiben und um sinnvolle Settings. Und das alles in Kombination mit wie machen sie es am Theater, wie machen sie es beim Film. Und da habe ich Theorie vermittelt und da haben wir aber auch ganz viel ausprobiert und uns selber probiert, diese Techniken anzuwenden. Genau, das war so ein Testballon, das hat ganz viel Spaß gemacht. Und das würde ich jetzt eben im April auch nochmal machen mit Menschen, die sich dafür interessieren. Also das sind vier Workshop-Teile zu jeweils so zweieinhalb Stunden. Und ich habe noch keine Termine, aber wenn das interessiert, würde ich mich über Zuschriften freuen.
Vera
00:38:07
Ja, wobei ich hätte jetzt gerne einen kleinen Appetizer.
Tamara
00:38:10
Also so wir haben zum Beispiel Techniken benutzt, wo die Frage Stellung ist, welche Einflüsse deine Entscheidungen oder deine Emotionen gerade am meisten lenken. Also da gibt es Techniken, dass du eine Szene hast, die fest steht. Und dann kommt es stark drauf an, ob du jetzt eher... Du kennst vielleicht auch dieses Vier-Ohren-System vom Sprechen. Und so ähnlich funktioniert das eigentlich auch. Also wenn du gerade sehr stark beeinflusst bist, zum Beispiel von der Energie deines Gegenübers, mit dem du gerade was zu tun hast, dann reagierst du vielleicht ganz anders, als wenn du gerade sehr stark beeinflusst bist, zum Beispiel von der Energie deiner Mutter, die Einflüsse auf dich hatte. Also das kann man alles in verschiedenen Variationen durchspielen. Das ist jetzt alles sehr theoretisch, aber das ist jetzt auch nicht in drei Sätzen erklärt. Jedenfalls, wenn man das ausprobiert, indem man sich erst in diese Szenarien reinfühlt und dann schaut, was es mit einem macht in der jeweiligen Szene, kommen ganz, ganz unterschiedliche Möglichkeiten dabei raus, wie man die Szene spielen könnte oder eben dann auch schreiben. Und das ist unheimlich spannend, aber ich glaube, da braucht es wirklich eine eigene Folge zu, mal vielleicht.
Vera
00:39:42
Ja, ich kann es mir jetzt auch nicht so richtig vorstellen, aber ich bin da auch bei so Sachen immer so sehr in meinen eigenen engen Vorstellungen gefangen. Ich brauche da mal ein bisschen.
Tamara
00:39:51
Ja, ich glaub, braucht so ein bisschen. Bisschen neugier auch um sich auf was neues einzulassen und das auf sich wirken zu lassen.
Vera
00:39:59
Ja, aber es geht ja nicht nur darum, dass ich mich auf was Neues einlasse. Das Gestalten einer Figur ist ja auch immer ist ja auch immer irgendwie ein logischer Prozess. Der muss ja in Schemata passen, der muss in meine Handlungen passen, der muss zusammen spielen. Da gibt ja viele Fäden, die irgendwie zusammenpassen kann.
Tamara
00:40:21
Das ist, was ich eben meinte, dass du das in zwei Schritten im Prinzip hast. Einmal, dass du logisch überlegst, okay, ich muss von A nach B. Ich muss ich muss reagieren vor dem Hintergrund, dass diese Person, was weiß ich, ein Topmanager ist mit Familie und was weiß ich. Und das und das ist die Situation und das muss ich rausbekommen. Das sind theoretische Überlegungen, die du machen kannst. Und wenn das weil als Gerüst steht, dann musst du das ja mit Leben füllen, da musst du das mit Emotionen füllen. Und das ist der Moment, wo du eben auf die Bauchebene gehen kannst und dich in diese Figur reinfühlen kannst und versuchen kannst, dann auch Reaktionen zu entdecken, die nicht dem Klischee entsprechen, was man immer so hinschreibt.
Vera
00:41:11
Ja, es ist ja weniger Klischee, sondern es sind ja Reaktionen, die mir selbst nahe sind. Mir fällt es schwer, eine Figur reagieren zu lassen auf eine Art, die ich selbst überhaupt nicht nachvollziehen kann. Und ich habe auch den Eindruck, dass das auch den Lesern und Leserinnen schwerfällt. Jetzt, Gott sei Dank, hat nicht jeder Leser, jede Leserin die gleichen Erfahrungen. Aber, also ich hatte zum Beispiel jetzt bei Tote Tante Blau oder nicht, dem Letzten wieder hatte ich die Szene, wo die Biene Hagen denkt, der Jochen würde ja einen Heiratsantrag machen. Und sie in völlige Panik ausgebrochen ist. Und das muss gestehen, das war eine Szene. Also ich hab die natürlich ein bisschen überzogen, aber die waren mir schon sehr nah. Also ich würde Panik ausbrechen, wenn jemand mal was anstrahlt. Aber, ja, und das haben ein paar Leserinnen nicht verstanden. Hat die da so reagiert. Und so. Das ist so eine junge Frau. Halt nicht sich binden will. So, ne? Das ist so für mich eine sehr nachvollziehbare Einstellung, aber wahrscheinlich für viele andere nicht.
Tamara
00:42:40
Also drei Gedanken habe ich dazu. Zum einen, natürlich wird dich nicht jeder oder wird nicht jeder deine Figur immer verstehen, weil wir uns im echten Leben auch nicht immer gegenseitig verstehen. Da muss man entleben. Hast du nichts falsch gemacht. Das zweite ist, ich glaube nicht, dass jede Reaktion immer nur damit zu tun hat, was du erlebt hast, sondern auch ganz viel damit, was man halt so liest. Zum Beispiel, ich habe das auch schon ein paar Mal genannt, das Beispiel, aber ich habe es gerade neulich, habe ich etwas Älteres von mir gelesen, habe gemerkt, das ist mir da auch selbst passiert, wie oft Figuren im Roman einander zuzwingen können.
Vera
00:43:22
Ständig.
Tamara
00:43:24
Sie sagen was lustiges, sie sagen was charmantes und dauernd wird gezwinkert. Im echten Leben ist das entweder so eine überzogene Geste, dass ich so wirklich übertrieben dir zuzwinker und das quasi nicht ganz ernst meine oder wenn dir irgendein Typ zuzwinkert, dann ist das irgendwie total creepy. Aber so oft wie es im Buch passiert, ist das im echten Leben gar nicht. Aber wenn man es immer wieder liest und immer wieder liest, schreibt man das einfach hin.
Vera
00:43:51
Ja, ich glaube da ist ein anderer Grund, weil das in Dialogen passiert und man irgendeine Regung dem Gegenüber angeben muss, das ist der Dialog einfach zu öde.
Tamara
00:44:03
Genau, und da kommen wir halt zum dritten Punkt. Also ich denke schon, dass man eben sich in... Reaktionen versetzt oder dass man Reaktionen nachfühlen kann, die man selbst so nicht hätte. Wenn man sich wirklich hinsetzt und sich intensiv in dieses Denken, in diese Situation der Figur hineinversetzt und wirklich versucht, das selbst zu erspüren und genau dann bekommst du eben auch Reaktionen, die nicht so standardmäßig 08.15, sind, sondern die dich vielleicht sogar selber überraschen. Wenn du dir die Zeit nimmst und dich hinsetzt und dich da richtig reinspürst, und das ist eben auch was, was wir in diesem Workshop gemacht haben, dass du dann plötzlich merkst, okay, es ist gerade eine total schlimme Situation, und ich fange jetzt an zu lachen, einfach weil es so absurd ist. Darauf wäre ich vielleicht, wenn ich da theoretisch drüber nachgedacht hätte, gar nicht gekommen. Aber wenn ich mich dann rein versetze und dann passiert das plötzlich und dann kann ich mir Notizen machen. Okay, sie lachte hysterisch als Beispiel jetzt.
Vera
00:45:13
Ja, ja, ich verstehe, was du meinst. Ja, ich kann das nachvollziehen. Ich versuche mich gerade an diverse Theaterübungen zu erinnern, dass es da so Momente gibt. Aber es gibt natürlich noch die Problematik, die ich ja jetzt auch vorhin schon angedeutet habe. Es muss ja trotzdem, zumindest von einem größeren Teil der Leserschaft, auch angenommen werden und nicht als vollkommen irrational wahrgenommen werden.
Tamara
00:45:40
Aber wenn du das tatsächlich selbst empfunden hast und dich darauf einlässt und das auch schreibst oder beschreibst, umschreibst, nicht nur mit einem halben Satz, sondern eben vielleicht auch in Bilder reingehst, dann muss man das auch verstehen können.
Vera
00:45:58
Ja, ich denke auch, weil ich muss ja gestehen, dass ich auch, wenn so Retententen eine Verhaltensweise, einer Figur kritisieren, ich das so immer schwierig finde, weil letztlich... Die sind ja nur Beobachter einer Geschichte und die können die Geschichte annehmen und sie können sie nicht annehmen, aber sie können nicht kritisieren, wie jemand handelt.
Tamara
00:46:20
Das ist richtig.
Vera
00:46:22
Das macht keinen Sinn. Ja.
Tamara
00:46:27
Da sind wir halt auch wieder bei den Handlungsmotiven. Wenn ich einfach nachvollziehen kann, gerade auch beim Antagonisten, wenn ich nachvollziehen kann, kann, was ist sein Ziel generell im Leben, aber auch eben jetzt in dieser Geschichte, in dieser Szene und was sind seine Werte und was sind vielleicht seine Pain Points, dann kann ich das immer noch total scheiße finden, was er macht, aber zumindest ist es dann irgendwie stimmig.
Vera
00:46:53
Ja, genau. Das ist ja wie gesagt beim Krimi das A und O und ich meine jetzt bei dem Cosy-Crime, Deswegen muss ich halt auch immer irgendwie ein Szenario schaffen, dass die Biene eine Motivation hat zu ermitteln. Ich hab's mir jetzt zwar leichter gemacht, als ich es so zu Detektiven gemacht hab, dass sie da ein bisschen näher am Ermitteln ist, aber im realen Leben würde das ja auch keiner tun. Also das ist natürlich schon ein Abwägen. Aber gut, ich hoffe, dass es im Teil 7, der dann noch im ersten Halbjahr vorauskommen wird, funktioniert hat. Ihr werdet es dann irgendwann feststellen können. Und bei der Marra-Bewuch dann Anfang nächsten Jahres. Oder so. Wir schauen mal. Ja, ich würde sagen, ich habe jetzt wieder so ein paar Ideen. Ich wette sich morgen früh dran und schaue mal, welches Hobby ich jetzt dem toten Trainer gebe und gehe noch mal ein bisschen in mich.
Tamara
00:48:01
Tu das, ich bin gespannt.
Vera
00:48:04
Ja und ihr da draußen, was soll ich euch sagen? Ich glaube, dasselbe wie immer. Folgt uns überall auf Twitter, Facebook, Instagram und vergesst nicht, das Buchbabel-Bouleton zu abonnieren. Das ist ja bald wieder Monatsende.
Tamara
00:48:20
Genau, es ist bald wieder Monatsende und ansonsten, sag ich mal, wie Vera immer so schön sagt, bleibt uns gewogen und wenn du dich für meinen Workshop interessierst, dann schreib mir.
Vera
00:48:31
Ja, mach das. Ich werde gleich mal einen Sonderpreis für mich aushandeln und dann schauen wir mal.
Tamara
00:48:36
Also, bis dann. Ciao.