Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

DZVDT #180 - Spannung im Roman erzeugen mit Spannungslektor und Autor Jan F. Wielpütz

Jan F. Wielpütz weiß, was es braucht, um eine Geschichte zum Pageturner zu machen, denn sowohl als Krimiautor wie auch als Spannungslektor im großen Publikumsverlag gehören Konflikte und gut angelegte Spannungsbögen zu seinem täglich Brot.

17.08.2023 66 min Staffel 4 Episode 180

Zusammenfassung & Show Notes

Jan F. Wielpütz weiß, was es braucht, um eine Geschichte zum Pageturner zu machen, denn sowohl als Krimiautor wie auch als Spannungslektor im großen Publikumsverlag gehören Konflikte und gut angelegte Spannungsbögen zu seinem täglich Brot. Jan verrät, was einen Roman spannend macht, wie er Backstory und falsche Fährten plant und auch, wie man in anderen Genres dafür sorgt, dass keine Langeweile aufkommt. Außerdem lässt er Vera und Tamara daran teilhaben, wie es für ihn war, die bereits etablierte Krimireihe der verstorbenen Autorin Nina Ohlandt in ihrem Sinne weiterzuführen. 

Jan F. Wielpütz weiß, was es braucht, um eine Geschichte zum Pageturner zu machen, denn sowohl als Krimiautor wie auch als Spannungslektor im großen Publikumsverlag gehören Konflikte und gut angelegte Spannungsbögen zu seinem täglich Brot. Jan verrät, was einen Roman spannend macht, wie er Backstory und falsche Fährten plant und auch, wie man in anderen Genres dafür sorgt, dass keine Langeweile aufkommt. Außerdem lässt er Vera und Tamara daran teilhaben, wie es für ihn war, die bereits etablierte Krimireihe der verstorbenen Autorin Nina Ohlandt in ihrem Sinne weiterzuführen.

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Transkript

Tamara
00:00:00
Herzlich Willkommen zu Folge 180 von die zwei von der Talkstelle und heute wird es spannend. Wir haben nämlich den Spannungslektor und Autor Jan F. Wielpütz zu Besuch. Er erzählt uns, was eigentlich eine Geschichte spannend macht und auch wie es denn ist, wenn man die Figuren einer Kollegin übernimmt.
Vera
00:00:21
Wir haben genau nachgefragt, wie er ein Krimi-Projekt startet, wie er sich vorbereitet, was er alles vorher notiert und wie er dafür sorgt, dass seine Storys spannend sind. Die Zwei von, Ja, hallo ihr da draußen! Hier sind die Zwei von der Talkstelle mit Folge 180. Mein Name ist Veran Nentwich und mir gegenüber, zumindest virtuell, sitzt wie immer Tamara Leonhard. Hallo Tamara.
Tamara
00:01:08
Hallo, du darfst mich heute Schlaftablette nennen. Ich gebe aber alles, um ein bisschen Schwung noch... Siehst du, mir fehlen sogar die Worte.
Vera
00:01:20
Ja, ich merke es schon. Ich versuche dir die energiegeladenen Vibes rüberzusenden, weil es ist tatsächlich so, dass ich gerade derzeit echt total energiegeladen bin.
Tamara
00:01:32
Das ist sehr gut.
Vera
00:01:33
Ich habe letzte Woche ja so aus einem Reflex rausgedacht, ich muss mal wieder ein bisschen mehr Akquise für mein Kabarettprogramm machen. Und ich hatte vor Corona schon mal so die Idee, doch da sämtliche Frauenbüros und Gleichstellung stellen und unter einer Form zu kontaktieren. Damals hatte auch eine Freundin von mir da 30, 40 auch schon mal von angerufen, aber da ist nicht viel raus geworden. Und ja, und dann habe ich jetzt so recherchiert, habe durch Zufall im Internet so eine Liste sämtlicher Gleichstellungsstellen in NRW gefunden, waren so knappe 350, wo ich dann auch die Adressen extrahieren konnte. Und hab gedacht, dann schickst du denen mal ein nettes, persönliches Mail. Und das hab ich gemacht. Und jetzt hab ich gedacht, naja komm, so Massenmail, du weißt ja seit unserer vorletzten Folge, was ich davon halte.
Tamara
00:02:29
Ja, und ich dachte auch zuerst anrufen, hattest du gesagt.
Vera
00:02:32
Ja, aber das war jetzt irgendwie so, ich dachte komm, zum Anrufen, da hatte ich irgendwie nicht die Kraft, schickst du mal ein Mail rum und hab so gedacht, naja, also 300, wenn Wenn du 1% in irgendeiner Form Rücklauf kriegst, das wäre schon eine Megaquote. Am nächsten Morgen hatte ich dann schon vier Interessensbekundungen. Mittlerweile habe ich die erste Buchung. Es dreht sich natürlich alles um den Weltfrauentag nächstes Jahr. Da habe ich schon ein bisschen Schiss. Und gestern kam die nächste Anfrage, also läuft gerade.
Tamara
00:03:13
Das ist sehr toll.
Vera
00:03:15
Ja, also ich bin auch sehr euphorisch. Witzigerweise kriegte ich dann zeitgleich bei mir in der Firma tatsächlich auch noch einen Anruf von einer Firma, die uns über Empfehlungen gefunden hatte und auch mit Auftrag drohte. Ich dachte, was ist jetzt gerade los hier? Ob mein Janos Horoskop doch noch Recht hatte? Also jetzt komme ich ziemlich ins Rödeln, jetzt muss ich gucken, das sind ja so Gleichstellungsstellen, die sind ja schon sehr formal zum Teil, da muss ich jetzt auch einen Vertrag machen und die wollen dann so per PDF quasi mein Angebot, da muss ich jetzt reinschreiben. Ich habe jetzt schon so geschrieben, was ich so alles erwarte, so ein bisschen kopiert, ich habe es auf dem Internet mal recherchiert. Also man muss ja wirklich alles reinschreiben, ich meine, das hast du ja auch schon erlebt, man kommt ja manchmal an Aufführungspunkte, da denkst du, ne. Also deswegen so Sachen wie, ich hätte gerne eine warme, trockene Galarobe mit Stuhltisch und Spiegel und stillem Wasser und ein Imbiss wäre auch nicht schlecht. Und ich brauche die Möglichkeit des Buchverkaufs im Anschluss. Am besten müssten wir eine Person abstellen, gerne auch mit dem lokalen Buchhandel und alles reingeschrieben jetzt. Lass mich mal gespannt.
Tamara
00:04:36
Ja, solange du nicht erwartest, dass deine Garderobe in bestimmten Farben gestrichen wird.
Vera
00:04:41
Ja, nee, so weit bin ich nicht. Also ich habe kurz gezuckt, ob ich den reinschreibe. Ich hätte gern auch etwas Süßkram in der Garderobe. Aber...
Tamara
00:04:52
Kannst du dir selber mitbringen.
Vera
00:04:53
Ach, nee, nee, nee, nee, so weit. Entschuldigung, ich bin da Künstlerin, so geht das nicht.
Tamara
00:05:02
Also, auch wenn du es mir vielleicht nicht ansiehst, ich freue mich wirklich sehr und aufrichtig. Ist nur eins, andere Menschen bestehen zu 70 Prozent aus Wasser, ich bestehe gerade zu 70 Prozent aus Ibuprofen. Aber ich freue mich sehr und finde das toll.
Vera
00:05:18
Wobei ich da jetzt Ibuprofen durchaus verlockender finde als Wasser.
Tamara
00:05:21
Als Wasser.
Vera
00:05:24
Nein, ich weiß, dass du dich freust. Von daher kann es durchaus sein, dass ich zumindest um den 8. März im nächsten Jahr dann doch so meine kleine Tournee habe. Ich habe jetzt sogar schon eine Anfrage für 2025.
Tamara
00:05:42
Dann siehst du, dass du auch was hier in der Nähe hast.
Vera
00:05:45
Ja, ich habe ja bisher nur die Gleichstellungsstellen in NRW angerufen.
Tamara
00:05:48
Da sind das schon so viele. Das hat ja Potenzial nach oben.
Vera
00:05:53
Ja, ich habe Rheinland-Pfalz jetzt auch schon so eine Liste gefunden, aber die haben ja noch Ferien, deswegen schreibe ich die erst danach an. Wie sieht das denn im Saarland aus? Wann haben die denn Ferien?
Tamara
00:06:07
Keine Ahnung. Die Ferien tangieren mich irgendwie so auf keiner Ebene.
Vera
00:06:13
Mich auch nicht, aber da ich für Gleichstellungsstellen, Frauen und dann auch noch Beamte, da ist die Chance groß, dass die in den Ferien nicht da sind.
Tamara
00:06:22
Da musst du Dr. Google fragen.
Vera
00:06:24
Ja gut, werde ich doch mal tun und mal sehen, ob ich da auch eine Liste der Gleichstellungsstellen finde. Also falls ihr da draußen Kontakt zu irgendwelchen Gleichstellungsstellen habt, die noch ein tolles Programm um den Weltfrauentag oder gerne auch sonstwo im Jahr suchen, wisst an wen ihr euch wenden könnt.
Tamara
00:06:43
Jawohl.
Vera
00:06:45
Ja.
Tamara
00:06:47
Ich habe sonst nicht viel Aufregendes zu erzählen, außer, dass ich meine Idee, die ich letzte Woche während unseres Gesprächs entwickelt habe, umgesetzt habe mit der Extraszene in einem früheren Kapitel und noch ein paar Kleinigkeiten geändert habe und jetzt quasi bereit bin für das nächste Kapitel und meinen Wordcount bei über 1.100 Wörter pro Tag ist. Das heißt, jetzt mal langsam fleißig sein.
Vera
00:07:16
Ich bin schon bei über 1.400. Aber hey, ich habe ihn heute überschritten, tschakka. Sehr gut. Ja, ja, und heute in 14 Tagen sitze ich ja schon auf dem Weg nach Fuerteventura in meinem Sommerurlaub. Ach, auch noch? Ja, spätestens dann muss ich dann richtig klotzen, damit das hier fertig wird. Na ja, Also da haben wir unsere Highlights so durch. Man trifft sich ja auch gut, dass wir heute einen Gast haben, der sich mit Spannungen besonders gut auskennt. Und da lassen wir uns mal erklären, wie das jetzt so funktioniert.
Tamara
00:07:52
Genau, dann kann ich nach der Folge so richtig loslegen.
Vera
00:07:55
So ist es. Ja, heute haben wir nämlich einen Gast, an den ich jetzt gerade die letzten Wochen mehrfach gedacht habe, weil ich ja gerade da bei bin an meinem zweiten Krimi von Frau Appeldorn und mich auch der ganze Zeit damit beschäftige, wie halte ich die Geschichte spannend. Und unser heutiger Gast hat als Spannungslektor gearbeitet, hat den Krimi quasi seit Kindheitstagen im Blut, wie er selbst in seiner Biografie schreibt, und schreibt aktuell Krimis. Von daher bin ich ziemlich sicher, dass ich heute erhellende Einblicke bekommen werde. Baue ich jetzt zu viel Druck auf, lieber Jan Wildbutz?
Jan
00:08:35
Nein, auf keinen Fall. Ich freue mich sehr, dass ich bei euch sein darf. Ich hoffe, dass ich da eine Hilfe sein kann, was die Spannung betrifft.
Vera
00:08:47
Ja, wir hatten ja vor einiger Zeit die Kollegin Anne Weiß bei uns zu Gast, mit der du ja auch Projekte zusammen gemacht hast. Und sie hat dich quasi angepriesen als Spannungslektor. Und da sind wir direkt drauf abgefahren und haben gesagt, verdammt nochmal, was macht ein Spannungslektor? Oder was macht der anders als der andere Lektor?
Jan
00:09:07
Ja, der Spannungslektor, der macht natürlich einerseits nicht viel anderes als der normale Lektor, aber er ist natürlich eben auf Spannung spezialisiert, sprich vor allem Krimis und Thriller. Nun muss ich natürlich dazu sagen, dass ich Lektor war in einem Verlag bei Basta Lübbel, habe mich dann jetzt vor sieben Jahren selbstständig gemacht, zunächst als Sachbuchautor und bin mittlerweile aber ins Krimi-Genre gewechselt und schreibe selbst Kriminalromanen.
Vera
00:09:39
Aber was sind denn so die Faktoren, wo du in Sachen Spannung genau drauf guckst? Was macht denn die Spannung aus?
Jan
00:09:49
Das kommt natürlich auf das Subgenre an, in dem man da unterwegs ist. Aber wenn wir uns jetzt mal einen Krimi angucken, dann, wenn ich jetzt mit einer Lektorenbrille drauf gucke, Dann schaue ich natürlich drauf, dass ich einmal einen Fall habe, der logisch konstruiert. Ist. Der mich also mitnimmt als Leser auf die Reise und nicht zwischendrin Probleme und Fragen aufwirft, die später nicht aufgelöst werden. Das heißt, das Ganze muss zu einer sehr logischen Auflösung am Ende führen. Das ist im Grunde der wichtige Spannungsbogen des Krimis, wo ich ein Auge drauf habe, dass diese Versprechen eingelöst wird. Und ich muss natürlich aber auch darüber hinaus weitere Spannungsfaktoren da drin haben, dass diese Ermittlungen eben nicht nur logisch, sondern eben auch spannend geführt werden, indem neue Fragen aufgeworfen werden, die mich weiterziehen in der Geschichte, indem die handelnden Figuren vor Probleme, vielleicht auch in Gefahren geworfen werden. Das heißt, ich habe immer einen übergreifenden Spannungsbogen, den ich im Blick habe, aber eben natürlich auch die Spannung in den Kapiteln, in den Szenen, die in sich stimmen muss, damit das Ganze auf eine interessante Reise mitnimmt als Leser. Das gilt natürlich für den Thriller genauso.
Vera
00:11:20
Ja, klar. Wenn du jetzt selbst ja krimisch schreibst, wie sehr planst du diese Spannungselemente vor?
Jan
00:11:28
Sehr.
Tamara
00:11:30
Ja?
Jan
00:11:31
Ja, ich glaube, das ist so ein Faktor, den viele nicht auf dem Papier haben, wie viel Vorarbeit vor allem in so einem Krimi steckt. Für einen Zwiller wird das Gleiche gelten. Ich gehe halt so hin, wenn ich einen Krimi plane, ich habe, bevor ich die erste Zeile schreibe vom eigentlichen Buch, Buch, die ihr nachher auch lest, habe ich so zwischen 50 und 100 Seiten geschrieben, die ein Mensch zu sehen bekommt.
Vera
00:12:04
Okay.
Jan
00:12:05
Ja, das ist angefangen im Grunde mit der Backstory, wo ich mir überlege, wer bringt wen warum und warum. Das ist im Grunde der Kern der Zwiebel, die ich in den Schichten aufbaue. Ja, dann geht es natürlich noch darum, die false leads, die falschen Fährten aufzubauen. Also was wird die Ermittlerin, den Kommissar eben vom eigentlichen Geschehen, vom eigentlichen Mörder immer wieder ablenken? Wie hängt das alles zusammen? Das ist im Grunde so der Unterbau, den ich mir überlege, inklusive halt der Geschichten dieser Figuren, die da mitspielen, also die Geschichten der Antagonisten. Wenn ich das soweit habe, dann mache ich mich im Grunde dran, einen Plotabriss zu bauen des Ermittlungsverlaufes. Also, wie wird das Ganze aufgedröselt? Wie wird es sich auflösen mit der Zeit? Welche falschen Fährten haben wir? Welchen Gang nehmen die Ermittlungen? Inklusive der Überlegung, abgesehen vom großen Spannungsbogen und wie er sich logisch auflöst, also wie löse ich dieses Whodunnit des Krimis am Ende auf, natürlich auch die Überlegung, wie baue ich in einzelnen Szenen Spannung ein, indem meinetwegen meine Kommissarin oder der Kommissar in eine brenzlige Situation kommt. Um es jetzt mal ganz einfach zu sagen. Wenn das steht, dann geht es an die persönliche Entwicklung der Protagonisten. Es ist ja eine Reihe, die ich da schreibe, die ich übernommen habe. Und da haben wir natürlich neben dem eigentlichen Krimiteil noch so einen gewissen Anteil von, nennen wir es mal, Soap Opera, wo es um die persönlichen, privaten Verwicklungen, Schicksale dieser Figuren geht, die mich wie in jeder Reihe halt irgendwo interessieren, je länger ich diese Reihe lese. Ja, wenn ich das alles zusammen habe, da muss natürlich auch eine gewisse Dramatik drin sein in diesen Figuren-Entwicklungen im jeweiligen Band. Dann sind das, wie gesagt, so diese 50 bis 100 Seiten, an vorgeschriebenen Überlegungen, die ich erstmal zusammenschreibe, bevor es dann ans eigentliche Schreiben geht.
Vera
00:14:27
Ich kann das nachvollziehen. Ich habe auch mehrmals eine Checkliste, eine Tabelle aufgebaut, die ich, wenn ich ein Krimiprojekt beginne, ausfülle mit ähnlichen Faktoren, die du da auch hast. Wer hat jetzt wen umgebracht und warum? Und was sind mögliche weitere Verdächtige? in welchem Bezug stehen sie und solche Sachen. Jetzt hast du, ich würde aber keine 50 Seiten davon zusammengeschrieben kriegen. Das sind drei Sätze pro Passus.
Jan
00:15:05
Also man muss ja bei allem, was ich jetzt auch so erzähle, man muss ja immer dazu sagen, wir beschäftigen uns ja hier mit einer Kunst. Das Buchschreiben ist ja eine Kunst. Das heißt, es gibt keine Blaupause, wo man sagen kann, tu dies, tu das, dann wird es besser. Das, was ich jetzt erzähle, das ist die Art, wie es für mich funktioniert. Das kann bei jemand anderem ganz anders sein. Also ich habe als Lektor auch Autoren erlebt, die ähnlich dezidiert vorplanen, aber auch andere, die einfach drauf losschreiben. Und das bringt was Sinnvolles bei raus. Das geht genauso.
Vera
00:15:41
Ja, wo ich bei dieser Planung immer die Probleme habe, im Vorab mir das auszudenken, das ist das, was du auch gerade beschrieben hast. Das sind ja so diese Hintergründe. Du musst die ermittelnde Person ja immer in irgendein spannendes Umfeld schicken, damit drumherum was ist. Du brauchst einen gescheiten Papst im Pool, muss man damit ausdrucken, ne? Da fällt mir vorher immer, also klar, ich kann mir irgendwelche Situationen vorstellen, wo ich sie hinstecken könnte, aber so diese, das ergibt sich bei mir aus der Geschichte. Ich muss dann immer aufpassen, dass sie nicht zu oft essen gehen, da tendiere ich immer zu, aber...
Jan
00:16:24
Nein, das kann ja auch sehr schwierig sein. Wir kommen da doch auch immer mal wieder auf interessante Rezepte. Oder man googelt nette Restaurants, wo man selbst mal einkehren kann, wenn man sie nicht schon kennt.
Vera
00:16:39
Ja, ja, also das ist immer das. Das entwickelt sich dann immer beim Schreiben. Ich muss da gerade, weil ich gerade heute Morgen, ich bin gerade, das ist auch ein zweiter Teil meiner neuen Reihe. Habe ich die Szene geschrieben, wo meine Frau Appeldorn mit ihrem Nachbarn beim örtlichen Kreisliga-Fußballklub ein Fußballspiel besucht, beim SV. Und ich habe dann diese Szenarien genommen. Das ist mir aber so eine spontane Idee gekommen. Ich glaube, das hätte ich bei der Planung nie draufgekommen oder ich hätte gesagt, das ist zu schräg.
Jan
00:17:14
Ja, es kommt immer so ein bisschen auf persönliche Präferenzen an. Ich habe bei bei mir auch gemerkt, als ich den ersten Krimi geschrieben habe, da habe ich unheimlich detailliert vorgeplant, weil ich auch so ein bisschen den Bammel hatte, kannst du das, wird sich das am Ende sinnvoll, logisch auflösen, was du hier fabrizierst. Da habe ich also tatsächlich extrem viel mehr vorher überlegt und ich merke so, je mehr man da in den Fluss kommt, je mehr Routine man kriegt, es ist oft jetzt nicht mehr ganz so ausgearbeitet, was persönliche Sachen auch angehlich Grundidee, was das Grundproblem für die Figur sein kann, im jeweiligen Band. Manches lasse ich dann allerdings inzwischen auch offen, um mir eben diese Spannung nicht zu nehmen. Denn das ist natürlich immer der Fall, wenn ich sehr dezidiert plane und das meinetwegen bis zu den Szenen runterbreche und mir schon einen Abriss der einzelnen Szenen schreibe, was da passiert. Es kann natürlich beim Schreiben dann irgendwann langweilig werden.
Vera
00:18:18
Absolut.
Jan
00:18:20
Also da auch durchaus Mut zur Lücke, dann bleibt es auch für einen selbstspannend. Und man erlebt eben diese vielbeschworenen Überraschungen, auch dass Figuren plötzlich etwas tun, von dem man eigentlich gar nicht wusste, dass sie es tun werden.
Vera
00:18:35
Ja, genau. Jetzt wollte ich gerade eine Frage stellen, jetzt habe ich es vergessen.
Tamara
00:18:44
Was mir gerade so durch den Kopf geht, weil ich gerade gedanklich auch so, ich habe gerade heute noch eine Rückmeldung bekommen von einer Testleserin und mir geht jetzt gerade so ein bisschen die Frage durch den Kopf, wie viele Szenen, würdest du sagen, sind okay, die einfach mal so ein bisschen Wohlfühl-Atmosphäre mit reinbringen, wo jetzt nicht gerade irgendwo, ja, ich sage es mal, Spannungsgenre eben Blut an der Wand klebt oder in anderen Genres dann eben sonst irgendwas Aufregendes passiert?
Jan
00:19:16
Das ist eine interessante Frage und ich glaube, die ist gar nicht so einfach zu beantworten. Sowas braucht es natürlich, auch um so die persönlichen Seiten der Figuren zu zeigen. Man kann die auch nicht die ganze Zeit nur auf heißer Spur durch die Gegend rennen lassen. Erwarten die Leserinnen und Leser ja heute schon auch, dass es da eine persönliche Seite und persönliche Verwicklung gibt. Und auch gerade, wenn man jetzt im, ich bin ja mit der Reihe um Jon Bentin, die ich von Nina Ohland übernommen habe, das sind ja Nordsee-Krimis, da kommt es ja auch darauf an, dass man viel über Land und Leute schreibt, mal ein bisschen die Szenerie darstellt und so weiter, auch Essen und Trinken natürlich. Also meine persönliche Einschätzung ist, dass man es da heutzutage nicht mit übertreiben sollte. Ich habe meine Zweifel, ob heutzutage die Leser da noch die Geduld für haben, wenn man es zu lange vor sich hin plätschern lässt. Wäre natürlich von Vorteil, wenn man sein Publikum kennt, wenn man weiß, die mögen das und ich kann das machen, ohne dass die mir abspringen beim Lesen, dann ist okay. Aber wenn ich das so um mich rum in meinem bekannten Familienfreundeskreis beobachte, die Aufmerksamkeitsspannung und die Geduld, die ist doch dank Netflix, YouTube und Co. Sehr knapp geworden. Ich weiß das noch von früher, da hat man einem Buch durchaus mal 100 Seiten am Anfang gegeben, um mal zu gucken, wie entwickelt sich das Ganze. Und ich kenne Bücher, die habe ich früher gelesen, die wurden tatsächlich erst auf Seite 123 richtig spannend, ist sein. Ich nehme das ein bisschen vor sich hin. Meinem Gefühl nach haben die Geduld heute nicht mehr viele Leserinnen und Leser.
Vera
00:21:09
Also ich kenne eine Person, die die Geduld definitiv nicht hat, das ist nämlich meine Lektorin. Wenn ich da eine Zähne drin habe, die die Geschichte nicht vorantreibt, dann wird die rigoros gestrichen. Das weiß ich.
Tamara
00:21:24
Ich habe vor einem halben Jahr oder so aus Jux mal, ich weiß gar nicht, auf irgendeinem Streamingdienst oder im Internet, die erste Folge vom damaligen A-Team geguckt. Ich habe das als Kind ja geliebt. Ich liebe es auch. Und dachte hinterher, um Gottes Willen, da passiert ja nichts. Das hätte man ja in 25 Prozent der Zeit erzählen können. Also da hat man sich wirklich verändert in den letzten zwei Jahrzehnten.
Jan
00:21:49
Es ist aber nicht die gleiche Geschichte, die erzählt wird, jede Folge.
Vera
00:21:52
Ja, genau. Das gehört dann auch zum Skript dazu. Wobei ich dann jetzt gerade, wo wir beim Thema sind, an den Kinofilm denken muss, den ich gestern Abend gesehen habe. Ich habe gestern Abend Tare gesehen. Hast du den schon gesehen? Tare, der aktuelle Film mit Cate Blanchett. Hat sie, glaube ich, auch einen Oscar für bekommen? Also, wir haben zweieinhalb Stunden drauf gewartet, dass wir wissen, dass was passiert. Also, es war...
Jan
00:22:18
Also, ich glaube, der Kniff an der Sache, könnte darin bestehen, oder besteht meines Erachtens darin, dass man halt durchaus auch so ruhige Passagen drin haben kann, wo es um Persönliches geht, wo es um Szenerie, Landschaft, Essen, Land, Leute und sowas geht. Aber es wäre, wie du auch schon anklingen lässt, was deine Lektorin sagt, es hilft, wenn es irgendwo die Geschichte weiterbringt. Also wenn man irgendwo etwas einbaut, was später nochmal eine Rolle spielt, eine gewisse Relevanz ist. Also ich habe gerade, ich glaube, das spoiler ich jetzt auch nicht, ich habe gerade den ersten Entwurf vom neuen Bentin fertig, kalte Marsch und es fängt damit an, dass der Kommissar, er ist strafversetzt worden, nach Friedrichstadt in Schleswig-Holstein und er schlendert durch die Stadt, macht einen Abendspaziergang. Ich glaube, wenn das ein reiner Abendspaziergang wäre, dann könnte das stinklangweilig werden. Aber er macht natürlich gewisse Beobachtungen auf diesen Spaziergang, die in sich schon Fragen aufwerfen, die aber später noch eine sehr gewichtige Rolle spielen werden. Im Grunde an dieser Handlungsschnur, an dieser Wäscheleine sind natürlich dann ein paar persönliche Punkte eingehangen, wo er kurz mit seiner Tochter noch vor dem Abschied redet. Es sind auch kleine Brocken drin, wo es dann mal um die Beschreibung dieser Stadt geht, die sehr pittoresk ist. Ich glaube, wenn man das so vermischt... Dann hat man eine Chance, dass man die Leute auch bei der Stange hält. Und auch Lektoren zufrieden stellt.
Vera
00:24:02
Ja, so weit, das kriegen wir hin. Wobei sich mir da eine Frage aufdrängt, wo Tamara und ich immer völlig unterschiedlicher meinten. Was hältst du von Prologen?
Jan
00:24:16
Ja, also in den letzten Krimis, die ich geschrieben habe, hatte ich Prologe. Was ich mache, ist keiner drin.
Tamara
00:24:29
Also du möchtest hier nicht Partei ergreifen?
Jan
00:24:32
Das kann ich gerne machen. Ich kann sagen, wann ich Prologe schreibe. Ich schreibe Prologe, wenn sie ja erstens auch spannend sind, wenn sie eine Frage aufwerfen, ein Geheimnis innehaben und wenn sie vor allem später nochmal eine ganz klare Rolle spielen, also wenn da drauf zurückgegriffen wird. Ich kenne Bücher, die fangen mit Prologen an, die spielen, die sind zwar spannend, aber die spielen später überhaupt keine Rolle mehr. Und sich am Ende vom Buch fragt ihr, warum war da jetzt eigentlich dieser Prolog? Also daher, Prologe sind eigentlich okay und auch super, weil sie ein tolles Mittel sind, wenn die Leute in der Buchhandlung stehen, sie schlagen das Buch auf und ich kriege die ersten Seiten, da ist es erstmal spannend.
Vera
00:25:17
Ja, aber die Frage, die sich mir da aufdrängt und ich mir stelle, warum mache ich da nicht direkt den Anfang spannend? Warum brauche ich einen Prolog?
Jan
00:25:23
Wenn du einen spannenden Anfang hast, dann brauchst du keinen Prolog, würde ich sagen.
Vera
00:25:29
Das heißt also umgekehrt, wenn ich einen Prolog habe, habe ich keinen spannenden Anfang?
Jan
00:25:34
Kann man, glaube ich, nicht generell sagen.
Vera
00:25:38
Das könnte so ein Trick sein. Du merkst, ich kenne mich mit Prologen, ich finde das immer schrecklich. Ich denke mir, warum fangen die nicht direkt spannend an? Dann sollen sie doch mit der Geschichte anfangen, statt irgendwie 50 Seiten Atmosphäre vorher zu schreiben.
Jan
00:25:53
Beim Neuen Ventil bei der Kalten Marsch genauso gemacht. Da habe ich überlegt, schreibe mir wieder einen Prolog. Du hattest jetzt in den letzten zwei Bänden einen Prolog. Erwarten, dass die Leute, dass da ein Prolog ist. Und am Ende habe ich gesagt, ja, nein, eigentlich fängt es direkt mit der Handlung an. Da passiert direkt etwas. Da wird es gleich interessant. Der Prolog, der verzögert das Ganze eigentlich. Überhaupt brauchst du nicht. Hat keinen Mehrwert. Es gibt ja kein Gesetz, das sagt, schreibe einen Prolog. Sonst ist dein Buch.
Vera
00:26:21
Nö, da hätt ich auch ein Problem.
Jan
00:26:25
Daher bin ich ganz bei dir. Wenn du es gleich interessant, spannend einsteigen kannst, weg mit dem Pullover.
Vera
00:26:33
Ich merke schon, du bist sehr diplomatisch.
Jan
00:26:37
Ich bin Lage vom Sternzeichen. Ich halte aber auch viel von dieser Weisheit Kill your Darlings. Das merke ich doch, wenn ich meine eigenen Sachen überarbeite, immer wieder, dass es da Sachen gibt, wo ich dachte, ach, das war so schön. Ich hatte Bentin im neuen Roman, hatte ich ihm im ersten Entwurf einen Hund angedichtet. Ich habe mir das heute wieder durchgelesen und gedacht, was soll der Hund da eigentlich? Das braucht den Hund überhaupt nicht. Das ist zwar süß und niedlich und ich mag ihn, aber nein, er braucht eigentlich keinen Hund. Hat er vorher nicht gehabt, braucht er auch jetzt nicht.
Vera
00:27:16
Wobei das ja eine Reihenfigur ist. Also gut, ein Hund kann einem ja zulaufen. Wir kommen gleich nochmal auf deine Reihe zurück. Da habe ich auch noch ein paar Fragen zu. Vorher habe ich die Frage, Tamara, wir haben ja einen Buchtipp. Wird da auch beschrieben, ob man Prologe braucht oder nicht?
Tamara
00:27:34
Das könnte sein, ich will es aber nicht versprechen.
Vera
00:27:40
Ja, ihr Lieben, wir haben heute wieder einen Buchtipp für euch und ihr wisst ja, dass wir gerne auch eure Bücher oder dein Buch bei uns vorstellen. Schreibt uns einfach ein E-Mail an alle at 2vonderkorkstelle.de und wir senden dir die Details. Wenn ich recht in Erinnerung habe, haben wir heute eine Premiere bei den Buchtipps. Ist das nicht so?
Tamara
00:28:04
Ich überlege auch gerade. Ich meine ja, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Was Vera meint, ist, wir haben heute einen Ratgeber für euch. Normalerweise beschreibe ich erst das Cover, um ein bisschen in die Stimmung zu kommen. Das ist jetzt relativ flott gemacht. Wir sehen hier eine Schreibmaschine und den Titel. Das heißt, es geht ums Schreiben. Und zwar heißt das Buch, einfach ein Buch veröffentlichen. Wie Sie optimal in den Buchmarkt starten. Und das Buch stammt von Birgit Konstant. Ich habe mal so ein bisschen in ihre Vita geschaut und war schwer beeindruckt, denn Birgit hat elf Sprachen gelernt. Davon abgesehen ist sie Medievistin und sie schreibt auch selbst im Bereich historische Romane. Sie arbeitet neben ihrer Tätigkeit als Freiautorin auch als Texterin und Lektorin und war außerdem im Bereich Übersetzung, IT und PR unterwegs. Und soll ich dir mal vorlesen, was wir in diesem Buch lernen?
Vera
00:29:16
Ja, absolut.
Tamara
00:29:18
Der kompakte Leitfaden für alle, die noch nicht wissen, wie sie ihr erstes Buch erfolgreich auf den Buchmarkt bringen. Sie sind frustriert, weil sie keine Zeit zum Schreiben finden, mit einer Schreibblockade kämpfen oder sich mit der Überarbeitung ihres Manuskripts überfordert fühlen. Sie sind unsicher, wie Sie das Schreibhandwerk lernen, einen Verlag finden oder Ihr Buch selbst veröffentlichen können? Ihnen graut vor Marketing, dem Aufbau Ihrer Internetpräsenz oder der deutschen Bürokratie? Lösen Sie die obigen Probleme doch einfach durch diesen Autorenratgeber. Darin lernen Sie Schritt für Schritt mit Hilfe vieler Aufgaben, Tipps und Checklisten, wie Sie schneller und effizienter Ihr Manuskript fertigstellen und für eine Veröffentlichung vorbereiten? Aus den vielfältigen Veröffentlichungsmöglichkeiten, die für Sie und Ihre Bücher Passenden auszuwählen? Welche Marketingmaßnahmen notwendig sind, um Ihr Zielpublikum zu erreichen, eine treue Leserschaft zu gewinnen und sich im Büchermarkt zu etablieren? Wie Sie Ihre Schreibkarriere systematisch und unter Erfüllung gesetzlicher Vorschriften aufbauen? Wie Sie sich ein unterstützendes Netzwerk aus Lesenden und Schreibenden Gleichgesinnten schaffen, mit dem Sie Ihren Traum vom Schreiben leben können. Also wir lernen hier tatsächlich von der Idee bis zum Marketing und auch, was ich sehr spannend finde, die ganzen rechtlichen Teile, so ziemlich alles. Ich habe mir tatsächlich selbst auch mal die Vorschau runtergeladen und war sehr beeindruckt. Ich gebe dir mal so ein paar Stichworte an die Hand. Also da geht es natürlich los mit dem Starten, da geht es ums Plotten, um die Optimierung des Schreiballtags, um Recherche. Dann haben wir einen Bereich Marketing. Es geht um die Autorenwebsite, auch für diejenigen, die gern zum Verlag möchten, zum Beispiel Punkte wie das Exposé, aber natürlich auch für uns alle den Klappentext. Dann Geschichten wie Impressum, ISBN, aber auch so was wie Pflichtexemplare, Titelmeldung, Verpackungslizenz. Also Birgit hat wirklich an alles gedacht.
Vera
00:31:34
Also, das ist wirklich ein Rundumschlag. Also für alle, die das Wissen kompakt und griffbereit haben wollen, kann man das Buch nur sehr ans Herz legen. Und ja, ich denke mal, dass der eine oder andere Hörer und Hörerin da ein besser haben könnte.
Tamara
00:31:51
Genau, für alle nochmal zum Mitschreiben der Titel. Einfach ein Buch veröffentlichen, wie Sie optimal in den Buchmarkt starten, von Birgit Konstant. Konstant übrigens mit C.
Vera
00:32:05
Ja, da sind wir wieder und wollen uns jetzt mal so ein bisschen deiner Reihe zuwenden, die du ja schon erwähnt hast. Was ich ja als erstes schon mal sehr interessant finde, ist, du hast eine Reihe von Nina Ohland übernommen, die ja viel zu früh verstorben ist. Wie ist das, plötzlich eine Reihe von einer ganz anderen Autorin zu übernehmen?
Jan
00:32:30
Ja, das war natürlich erst mal eine schrecklich traurige Sache, weil ich diese Bücher vorher ja als Lektor betreut habe, die Autorin über die gemeinsame Arbeit natürlich auch sehr gut kannte. Und das hat mich, also mich und natürlich auch alle im Verlag, wirklich geschockt. Das war eine sehr überfordernde Nachricht. Ich empfinde das als eine große Ehre, dass ich das machen darf, dass ich dazu beitragen darf, dass diese Figuren, die sich Nina Ulland ausgedacht hat, dass sie eben überleben, dass es damit weitergeht, was sie da geschaffen hat. Und das war natürlich schon auch eine Herausforderung, Weil schon auch ein Druck auf den Schultern dann natürlich lastet, dass man es kaputt macht. Ja, und dem, was sie da geschaffen hat, eben auch gerecht wird. Wir können da ja nur hoffen, dass es gelungen ist. Was natürlich geholfen hat, ist, dass ich die Reihe kannte, dass ich die Spuren kannte. Das waren alte Bekannte für mich. Und das hat mich dann auch mit großer Freude erfüllt, dass das eben weiterzuführen. Dass diese Figuren nicht einfach sterben, denn im Grunde wäre diese Reihe auch in der Luft geendet. Diese Figuren hätten nicht irgendwo einen runden Abschluss gefunden.
Vera
00:34:08
Aber dein Ziel ist ja jetzt nicht, einen Abschluss zu finden. Du schreibst ja immer weiter.
Jan
00:34:11
Genau, es geht weiter. Nina Holland hatte da sehr viele Ideen, was so mit den Figuren passieren wird. Und das heißt, das greife ich natürlich auf, dass das mischt sich gerade.
Vera
00:34:25
Also das heißt, du hast so eine Art Vermächtnis von ihr. Sie hat irgendwie notiert oder hinterlassen, wie sie sich das vorstellt?
Jan
00:34:33
Ja, also es hat ja mit dem Tiefen Sand, das war der achte Band, damit hat es ja angefangen. Den hatte sie, da gab es auch ein Manuskriptfragment, damit hatte Nina Oland angefangen zu schreiben, hat es aber dann eben leider nicht beenden können. Und es gab ein, Exposé. Wie dieser Fall eben laufen soll. So, und das war im Grunde mein Fundament, auf dem ich aufgesetzt habe, weiterentwickelt habe. Zusätzlich gab es natürlich noch die bisherigen Bände, wo ich für mich dann auch noch mal alle gelesen habe und auch noch mal eine Datenbank entworfen habe, so mit den ganzen Figuren, mit ihren Persönlichkeiten, ihren Merkmalen, dem sozialen Umfeld und allem. Ich nutze Papyrus Author, das ist ein sehr schönes Programm, wenn man das nutzt.
Vera
00:35:29
Ja, nutze ich auch, absolut, ja.
Jan
00:35:33
Das war so alles meine Grundlage. Dann habe ich natürlich damit angefangen und da hat es sich dann im Grunde schon angefangen zu mischen. Also das, was von Alina Oland da war, also was den tiefen Sand, das Manuskript angeht. Aber natürlich auch so Ideenfragmente, was mit den Figuren noch passieren kann, das muss ich halt mischen. Da sind ihre Ideen, ich muss mir natürlich dann auch eigene Gedanken jetzt machen, wie man das alles umsetzen kann. Auch bei dem Tiefen Sand war natürlich die Frage, wie schreibst du jetzt dieses Manuskript zu Ende? Anfang hatten die ersten 100 Seiten und dann gab es eben halt eine Exposé, wie das Ganze aufgelöst werden soll, aber zwischendrin, das war natürlich nicht da. Da muss noch gestrickt und entworfen und geschrieben werden. Und das ist dann im Grunde eine Mischung geworden. Ist ja auch klar, wenn du im späteren Verlauf des Textes gewisse Sachen schreibst, dann musst du immer gucken, ob das mit dem Anfang auch noch übereinstimmt. Da muss man das ein bisschen angleichen, vielleicht auch mal nochmal ein Kapitel umschreiben oder verändern, aber das war im Grunde so der, die Grundlage, dass wir da ein Fundament von ihr noch vorliegen hatten, auf dem wir aufsetzen konnten.
Vera
00:37:01
Das stelle ich mir persönlich sehr schwierig vor. Also ich schreibe auch ja auch meine beiden Reihen, aber die habe ich selbst erfunden, das sind meine. Da ist auch ein gehöriger Teil von mir selbst drin. So, mir jetzt vorzustellen, mir passiert irgendwas und jemand wird da jetzt, Tamara müsste das übernehmen oder so. Hast du nicht, wenn du jetzt so Sachen sagst, du hast überlegt, dem Benteen da einen Hund zu geben. Hast du so im Hinterkopf immer so die Überlegung, passt das, würde Nina Oland das wollen?
Jan
00:37:36
Ja, natürlich, klar. Ich kannte sie ja, und dann überlegt man sich, natürlich überlegt man sich das, was machst du hier? Würde sie das machen? Zur Reihe? Warum hatte der bisher keinen Hund? Ja, das überlegt man sich natürlich. Auch was so den Schreibstil angeht, das kann man sich natürlich auch. Da habe ich mir diese bestehenden sieben Bände sehr genau nochmal durchgelesen. Wie sind sie geschrieben? Man muss vermutlich aber am Ende des Tages auch sagen, einen anderen Autor eins zu eins zu kopieren, in dem, was er schreibt. Ich glaube, das geht nicht zur Gänze. Sehr ähnlich in der Art, wie wir schreiben. Aber es muss eigentlich naturgemäß ein bisschen unterschiedlich sein. Wir haben alle eine eigene Stimme, wenn wir schreiben, eigene Ideen. Was eben bleibt, das sind die Figuren der Reihe, die natürlich immer noch die gleichen Figuren sind und die fortgeführt werden.
Vera
00:38:59
Also ein Aspekt, der mich da besonders fasziniert, ist ja eigentlich, dass jetzt die Figuren oder selbst der Autorenname losgelöst von der Autorin sind, unseren Eigenleben haben jetzt. Das finde ich einerseits höchst faszinierend, andererseits, wenn ich an meine eigenen Dinge denke, auch beängstigend, weil mein Bezug zu meinen Büchern, das sind ja wirklich meine Babys, Und die fliegen jetzt los und werden von anderen betüddelt und weiterentwickelt. Ja gut, ich müsste, wenn ich tot wäre, wüsste ich es ja nicht mehr. Aber es ist ein schwieriger Gedanke. Wie ist das bei dir, Tamara? Könntest du dir das vorstellen?
Tamara
00:39:50
Ich frage mich gerade, ob nicht... Also ja, ich glaube, ich finde es auch immer ganz interessant, was ich unheimlich faszinierend finde, ist der Gedanke, wenn ich was schreibe, dann hab ich ja vor Augen, wie zum Beispiel ein Raum aussieht. Und das Wissen, dass jemand hier das liest, sich da was ganz anderes vorstellt, dass der Raum, in dem das Spiel zum Beispiel ganz anders aussieht, das finde ich schon unheimlich faszinierend, weil dann eigentlich ist es ja so, dass die Leserinnen und Leser schon meine Geschichte in ihrem Kopf so für sich verändern. Und insofern kann ich mir das schon vorstellen. Aber ich glaube, wenn ich jetzt deine Sachen weiterschreiben müsste, ich glaube, das wäre schon ein Druck, mit dem ich mich sehr schwer tun würde. Weil ich mich sowieso immer sehr davon ablenken lasse. Werde ich damit jetzt jedem gerecht? Finden das jetzt alle toll oder gibt es irgendwo eine Stimme, die das doof findet? Und die gibt es ja immer.
Jan
00:40:52
Ja, ich glaube, davon muss man sich frei machen. Man wird es, egal was man schreibt, Man wird es nie allen recht machen können. Man wird im besten Fall immer sein Fanpublikum finden. Ich würde da halt, darf ich nochmal diplomatisch sein? Ja, gerne.
Vera
00:41:07
Aber du darfst auch direkt sein. Also wir sind bekannt dafür.
Jan
00:41:14
Ich glaube, das ist halt auch von einer Typsache, das ist unterschiedlich. Also ich kann das schon verstehen, dass das... Also mir geht es ja auch so, dass ich eigene Figuren habe, ich tatsächlich selbst erfunden habe. Ich merke allerdings auch jetzt, wie Bentin und seine Freunde halt irgendwo auch so meine Babys werden, wie man wirklich mit denen fühlt und die bei mir im Kopf sind und ich mich immer freue, wenn ich mich an neuen Bands setze, um zu gucken, was passiert denn jetzt mit denen. Also ja, einerseits, jemand anderes schreibt das, ist ein komischer Gedanke. Andererseits, glaube ich, würde es mir so gehen, wenn ich jetzt wüsste, gut, du musst das Besteck abgeben, da ist aber jemand, der das fortführen kann, was du da angefangen und geschaffen hast. Ich glaube, das würde mich mit großer Freude erfüllen, weil ich dann einfach weiß, das endet jetzt nicht mit mir, sondern ich habe hier was aufgebaut, was andere fortführen werden.
Tamara
00:42:20
Hat was Schönes.
Jan
00:42:23
Wenn wir uns das mal angucken, so die großen Franchises, wenn man jetzt sowas hat wie, sagen wir einfach, Star Wars, Dune und solche Sachen, oder auch bekannte Krimi-Figuren, es hat ja immer wieder... Ist man ja auch hingegangen und hat das fortgeschrieben.
Vera
00:42:42
Ja, wobei, wenn dann die ursprünglichen Urheber noch leben, waren die ja nicht immer damit zufrieden. Da gibt es solche und solche.
Jan
00:42:52
Ja, ja. Ein mehr, mal weniger.
Vera
00:42:57
Also von daher, ich weiß nicht, was Agatha Christie sagen würde, was so alles so in ihrem Namen veröffentlicht wurde.
Tamara
00:43:05
Aber ich würde ganz gerne, wenn ich darf, noch mal den Bogen zur Spannung zurück, also sozusagen den Spannungsbogen noch mal durchschlagen. Ich versuche ja auch immer so ein bisschen aus den Gesprächen hier was für mich persönlich rauszuziehen und ich bin jetzt nicht im Krimi- oder Thriller-Genre unterwegs, zumindest nicht als Autorin. Tatsächlich lektoriere ich gerade einen Thriller. Aber würdest du denn sagen, Jan, es gibt irgendwie eine Formel zum Thema Spannung, das auch AutorInnen anderer Genres für ihre Bücher anwenden können, weil letzten Endes Konflikt und Spannung braucht ja jeder Roman.
Jan
00:43:47
Ja, da würde ich sagen, also das Stichwort hast du eigentlich selbst schon genannt, nämlich Konflikt. Das Erteilen von Konflikten, das funktioniert eigentlich egal in welchem Genre ich bin, ob das ein Thriller ist, ein Liebesroman, historischer Roman, Science-Fiction, Fantasy, es wird immer dann spannend, wenn ich einen Konflikt habe, also wenn ich meine Protagonistinnen, Protagonisten vor ein Problem stelle. Weil es immer automatisch dann die Frage aufwirft, ja, wie wird das denn jetzt aufgelöst? Wie kommt die Figur aus dieser Situation wieder raus? Das ist ein relativ simpler Mechanismus eigentlich, den ich quer durch alle Genres betreiben kann.
Vera
00:44:30
Ja, eigentlich muss. Ein Buch ohne Konflikte ist langweilig. Ja, klar.
Tamara
00:44:34
Aber manchmal ist ja der Konflikt einfach noch ein bisschen zu schwach oder kommt zu spät oder man ist nicht mutig genug, ihn stark genug zu machen.
Vera
00:44:43
Vor allem wegen Wohlfühl. Ja, ja, ich weiß.
Tamara
00:44:45
Genau. Genau, genau.
Vera
00:44:47
Das war ein kleiner Insider, hast du mitbekommen, ne?
Jan
00:44:53
Im Grunde sollte man sich natürlich für den großen Plot überlegen, was sind so die übergreifenden Konflikte, aber im Grunde kann man wirklich bei jedem Kapitel, bei jeder Szene hingehen und sich nochmal selber in der stillen Minute beim Kaffee fragen, wovon man anfängt zu schreiben, wo ist denn jetzt in dieser Szene, was ich da schreibe, wo ist das Problem für die Figur? Und da eben auch dieses Schlagwort larger than life, das trifft es halt. Nicht davor zurückschrecken, in die Vollen zu gehen, das vielleicht einfach mal zu übertreiben. Also es liest ja erst mal keiner mit, wenn ich hier in meinem stillen Kämmerchen sitze. Das kriegt keiner mit, was ich hier schreibe. Ich kann den einfach mal komplett übertreiben in der Szene und dann lese ich es mir ein paar Tage später noch mal durch, dann sehe ich ja, wie das wirkt. Und kürzen, umschreiben kann ich ja immer noch.
Vera
00:45:49
Ja, und erfahrungsgemäß ist es ja so, dass gerade so diese Szenen, die einem selbst so überhöht vorkommen, nachher von den Leserinnen und Lesern positiv aufgenommen werden, während andere Szenen, wo man vielleicht sogar irgendeinen realen Hintergrund hat, die sehr authentisch sind, kritisiert werden als unmöglich. Das ist immer wieder dieselbe Geschichte. Ich habe ja da noch eine andere rausgegeben. Bei dir ist ja der Bentin, der ist ja Kommissar. Der muss ja quasi von Amts wegen ermittelt werden. Bei mir sind das immer, ich habe Hobby Detektivinnen. Das heißt, ich muss auch immer noch in irgendeiner Form einen... Einen Druck aufbauen, der irgendwie nachvollziehbar macht, warum die überhaupt ermitteln. Weil normalerweise würde ja noch kein Mensch jetzt in Mordermittlungen einsteigen, ne? Und das ist immer so die Motivation. Wobei, das ist natürlich auch nicht realistisch. Im realen Leben würde wahrscheinlich keiner in Mordermittlungen einsteigen.
Jan
00:46:56
Nein, vermutlich nicht. Aber da hast du natürlich, also wenn man so eine Konstellation hat, ich glaube, das ist nicht immer einfach, dann auch was zu finden. Aber du hast natürlich die schöne Möglichkeit, im Grunde immer wieder diese persönliche Motivation aufzubauen. Denn das ist ja auch ein Punkt, der uns in die Geschichte reinzieht, der uns mit der Figur mitfiebern lässt und der auch viel Konfliktpotenzial eben in sich trägt. Dass man überlegt, warum macht die Figur das denn da jetzt? Also klar, Bentin, der Kommissar, der macht das von Berufswegen. Aber am schönsten ist natürlich, wenn man irgendwo einen persönlichen Ansatzpunkt für ihn noch findet. Kann man natürlich jetzt auch nicht jedes Mal machen, weil es dann irgendwo redundant wird und unglaubwürdig. Aber wo wir beim Thema Spannung sind, so was, glaube ich, steigert immer die Spannung, die Figur einen persönlichen Grund hat, dem Ganzen nachzudenken.
Vera
00:47:58
Wie sehr muss die Figur speziell eines Kommissars gebrochen sein? Wir kennen das ja aus den skandinavischen Krimis, die dann irgendwie alle Alkoholiker sind und Selbstmord gefährdet und so.
Jan
00:48:12
Ja, das... ...
Tamara
00:48:16
...
Jan
00:48:18
Supergute Frage. Das war natürlich, wie du schon sagst, das war mit den Skandinaviern, ich glaube mit Ballander fing es an. Das war wirklich mal so ein Trend, dass wir alle ständig durch die Gegend geteilt sind und immer kurz vor dem Selbstmord waren. Das ist kein Muss, finde ich. Also ich habe mich neulich mit einer Leserin über Reihe unterhalten, die die Reihe auch schon sehr lange kannte. Sie sagte mir auch, sie liest es eben gern, weil es eben nicht ständig diese gebrochenen Figuren gibt. Es sind einfach normale Leute, es ist eine heile Welt, wo man nicht ständig an die pinsteren Orte dieser Welt geführt wird. Und der Protagonist, die Protagonistin sind dann auch immer noch mal so dunkle Gestalten. Es war ein Trend. Ich weiß nicht, ob es, ich glaube nicht, dass es heute noch sie sein muss. Man muss gucken, wo man unterwegs ist, in welchem Genre, in welchem Sub-Genre. Wenn man hier im Well-Ops-Krimi, Cozy Crime, unterwegs ist, da brauche ich keine gebrochene Figur. Da brauche ich irgendwo was Knuffiges, was Pfiffiges, eine Figur, die so einen eigenen Schlag, so einen eigenen Tick hat, der sie irgendwie sympathisch findet, dass man mit ihr mitgeht. Wenn ich jetzt im harten Großstadtkrimi bin, in Glasgow, in LA, ja, ich glaube da ist es, eher zumindest angebracht, solche Figuren anzupacken, die passen da irgendwohin, der Wolf im Großstadtrevier.
Vera
00:49:53
Jaja, genau. Ja, ich bin ja auch eher im heiteren Krimi, im Cosy Crime Bereich. Ich mag das auch selbst gar nicht so unbedingt lesen. Ich lese ja dann zur Entspannung und zur Unterhaltung, da will ich nicht auch noch von tierischen Krisen lesen. Krisen habe ich selbst hinbekommen, da brauche ich keine andere.
Jan
00:50:12
Krisen dürfen sie ja gerne haben, die Figuren. Das Thema Konflikt, so die persönlichen Probleme, das kann ja interessant sein. Wir müssen halt immer gucken, was wir schreiben, dass man sich das Genre anguckt, in dem man da unterwegs ist. Das ist eigentlich etwas, was ich bei vielen Autorinnen und Autoren gemerkt habe, gerade die neu einsteigen, jetzt nicht die, die schon jahrelang schreiben, sondern die Neuansteiger sind, die was schreiben wollen, dass oft so die Kenntnis über das jeweilige Genre und Subgenre gar nicht so ausgeprägt ist. Dass man sich oft auch scheut, etwas Vergleichbares zu lesen, weil man Angst hat, oh, dann klaue ich ja von den anderen. Und da sage ich immer, nee, nee, das tust du nicht, weil diese Genre- und Subgenre-Einteilung, das ist ja im Grunde eine Einteilung von Leserschaften. Wir haben die Leser identifiziert, von denen sie wissen, dass sie eine bestimmte Art von Geschichten mögen. Und wenn man diese Leser ansprechen will, dann tut man natürlich gut daran, sich mal so anzugucken, was wird denn da üblicherweise gelesen und wie sind diese Geschichten so gestrickt. Und ich meine, diese Angst, dass man bei anderen kopiert, copy und paste sollte man nicht machen, das ist natürlich nicht im eigentlichen Sinne. Aber ansonsten, selbst wenn ich eine Agatha Christie lese und mir vornehme, so einen Krimi willst du jetzt schreiben, ich werde keinen Krimi wie Agatha Christie schreiben. Ich werde was ganz Eigenes schreiben, Das finde ich von Agatha Christie inspirierend, aber ich werde es nicht persönlich beschreiben.
Vera
00:51:51
Ja, ich habe eher das andere Problem, gerade jetzt während ich im Schreibprojekt bin, wenn ich jetzt ein anderes Buch lese, was dem ähnlich ist, dass ich das einfach nicht unbefangen lesen kann, dass ich ständig analysiere und nicht den wirklichen Spaß dran habe am Lesen.
Jan
00:52:05
Ja, das ist eine Berufskrankheit, glaube ich.
Tamara
00:52:09
Geht ja auch nicht immer nur um Spaß.
Vera
00:52:12
Ich hätte aber gern. Wobei, Jan, da haben wir ja, als ich ein bisschen recherchiert habe, was du alles so geschrieben hast, hab ich ein bisschen gestutzt, weil ich bin da auf ein Buch gestoßen, das heißt Papa Antipasti. Und als ich las, Jan, hab ich gedacht, ach, das ist ja von Jan, der Jan Weiler, der vor ein paar Wochen auch bei uns zu Gast war. Und dann las ich erst weiter, nee, das ist ja von Jan Wilpitz. Hast du dir mal so eine kleine Auszeit zum Krimi gegönnt?
Jan
00:52:38
Ja, genau. Das ist was ganz anderes. Ein Roman, Papa Antipasti, ist die Geschichte von meinem italienischen Stiefvater und mir.
Vera
00:52:52
Sehr viel Parallelen zum Jan Weiler irgendwie.
Jan
00:52:59
Bei mir ist es auch lustig, aber natürlich auch sehr tragikomisch, weil es darum geht, Ich erbe ihn praktisch von meiner Mutter. Ich kannte ihn nicht so wirklich gut, meine Mutter stirbt, sie hinterlässt ihn mir und Giovanni, heißt er in dem Buch. Und Giovanni wird halt selbst dann sehr krank und ich begleite ihn auf seinem Leidensweg und das hat natürlich sehr viele, durchaus heitere Seiten. Aber es ist natürlich dann auch tragisch und geht ein bisschen auf die Tränen drüsen.
Vera
00:53:34
Schrecklich. Ja, und nicht schön, dass es auf die Tränen drüsen klingt. Falscher Adjektiv. Egal. Ja, das finde ich sehr inspirierend. Hast du denn Pläne? Jetzt auch so weiter auch mal jetzt ganz unter eigenem Namen Krimis zu schreiben oder bleibt es jetzt erst mal bei der Nina-Oland-Geschichte? Ginge das überhaupt, dass Jan F. Wilpitz jetzt einen Krimi schreibt, der nicht irgendwie auf Nina-Oland basiert?
Jan
00:54:04
Das ist nicht ausgeschlossen. Also es wird bei Basta Lübbe jetzt erst mal bei Nina-Oland bleiben. Was die Zukunft dann bringt, das wird man sehen müssen. Ich werde krimimäßig, nächstes Jahr wird noch was Neues von mir erscheinen, dann nicht Jan Wilpitz, sondern unter einem Pseudonym. Da will ich als Martin Vermeer unterwegs sein. Die Toten von Fähre heißt das Ganze und ist ein Seeland-Krimi. Das heißt, da bin ich dann nicht an der deutschen Nordsee in Schleswig-Holstein unterwegs, sondern mache einen Krimi-Ausflug in ein anderes Land, was mir sehr am Herzen liegt, weil ich da mal etliche Jahre gelebt habe und groß geworden bin, nämlich in die Niederlande. Das Ganze wird in einem schönen, pittoresken Örtchen Feere spielen.
Vera
00:54:58
Aber warum unter Pseudonym? Muss das so sein, marketingtechnisch? Oder möchtest du da irgendwie verborgen bleiben?
Jan
00:55:05
Ja, das ist immer die Frage, warum nimmt man Pseudonyme? Ich glaube, es ist ja bei uns deutschen Autoren heutzutage Gang und Gäbe, dass man fast mehrere Pseudonyme hat. Natürlich auch nicht generalisieren. Aber ich kenne viele, bei denen das so ist. Und das kann natürlich unterschiedliche Gründe haben. Einmal, dass du wirklich inkognito schreiben möchtest, dass du nicht in der Öffentlichkeit auftrittst. Das trifft jetzt bei mir nicht zu. Sonst wäre ich ja nicht bei euch hier.
Vera
00:55:30
Aber wir können dich auch mit einem anderen Namen ansprechen. So ist das nicht.
Jan
00:55:36
Hat es eher damit zu tun, das noch mal klar von den Roland-Krimis zu trennen. Und es hat natürlich auch ein... Bisschen was so mit einer gewissen Formel der Urlaubskrimis zu tun. Es gibt ja auch andere sehr erfolgreiche Krimis, die in Frankreich, in Portugal und anderswo spielen, die Autorenpsolonime gewählt haben, die aus den jeweiligen Ländern kommen können.
Vera
00:56:05
Damit das so authentisch klingt, ja. Wobei ich glaube schon, das ist auch, du bist ja Verlagsautor, das ist auch mehr so ein Verlagsding. Ich kenne auch Self-Publisher, die Absolut-Anonyme haben, aber da neigt man, glaube ich, schon eher mal dazu, das dann auch unter seinem eigenen Namen zu präsentieren. Also ich könnte mir persönlich nicht vorstellen, selbst wenn ich jetzt einen Frankreich-Krimi schreiben würde, mich jetzt irgendwie Vera, weiß ich… Vera Nontwich? Nontwich, keine Ahnung. Wahrscheinlich ist mein Name ist Poliglotte, geht immer. Ja, ich finde das gut. Ich finde eher den Nina-Urland-Anspruch, so mein Name, der steht da drauf auf alle Ewigkeit und jeder weiß, dass ich es bin. Und dann gibt es irgendwann die Werra-Nendlich-Kasse in meinem Heimatort und so. Das darf auf Bauch hin.
Jan
00:56:54
Das ist ja auch legitim. Bin nicht so anspruchsvoll. Ich bin froh, wenn die Leute es lesen und Spaß an den Büchern haben.
Vera
00:57:05
Ja, das ist auch sehr schön, auf jeden Fall.
Tamara
00:57:09
Auch.
Vera
00:57:12
Auch, ja, genau. Ich red mich heute im Kopf vom Kragen. Ja, lieber Jan, ich finde deine Geschichte und dein Schreiben sehr, sehr inspirierend und regt mich auch sehr zum Nachdenken ein, speziell als Thema über den Namen und welche Eigenständigkeit solche Geschichten und Figuren bekommen. Ja, ich muss das noch ein bisschen setzen lassen und du wirst aber bei uns nicht entlassen, bevor du dich nicht und so in drei total kritischen Buch-Bubble-Fragen von Tamara gestellt hast.
Tamara
00:57:54
Genau. Die erste Frage lautet, und du darfst dir jetzt gerne aussuchen, ob du als Spannungslektor oder als Autor antworten möchtest, was wissen andere nicht über deine Arbeit?
Jan
00:58:09
Antwort als Autor. Ich glaube, was wissen andere nicht über meine Arbeit, wie viel Arbeit es tatsächlich ist. Wir haben das ja anfangs schon angerissen, wie viel so in die Planung und Vorbereitung geht. Da haben wir ja noch nicht über die Recherche geredet. Dass man sich natürlich auch, wenn man Krimi schreibt, aber auch bei anderen Büchern schon auch gewisse Sachen erstmal anschauen und nachrecherchieren muss, wie sich das denn Menschen sage, ich bin Schriftsteller, dann kriegen die immer ein Leuchten in den Augen und sagen, das ist doch schön, da hast du doch ein entspanntes Leben, oder? Du bist spät auf, trinkst erstmal einen Kaffee, dann schreibst du ein bisschen, dann gehst du spazieren, machst ein Mittagsschläfchen, trinkst vielleicht Schokolade.
Tamara
00:59:00
Ist das nicht so bei dir?
Jan
00:59:02
Ja, so etwas habe ich dann im Dreh noch nicht gefunden. Also, ich muss sagen, für mich ist es der schönste Beruf von allen, die ich bis jetzt gemacht habe. Ich möchte das nicht missen. Ich glaube, Bücherschreiben ist einer der spaßigsten, inspirierendsten, abenteuerlichsten Berufe, denen man nachgehen kann. Aber es hat, wenn man es gut machen will, glaube ich, dann hat es mit verdammt viel Arbeit zu tun. In der Vorbereitung, beim Schreiben, immer wieder auch das kritische Hinterfragen von sich selbst, immer der Kopf, der rattert, egal, wo man ist, auch im Urlaub. Ich hab immer Notizblock und tausende Post-its dabei. Im Moment ist hier gerade sehr aufgeräumt, weil ich den Benteen gerade fertig geschrieben hab, den neuesten, aber ansonsten wimmelt das hier von Post-its, wo lauter Ideen drauf sind, ja, bis hin, das kennt ihr auch später, die Redaktionsphase, wo es dann mit den Lektoren noch ein paar Mal hin und her geht, die Korrekturphase, wo man am Ende den eigenen Text dann fast nicht mehr lesen kann, weil man bis dahin schon 20 Mal komplett gelesen hat. Das wäre meine Antwort darauf. Was weiß man nicht über meine Arbeit, das ist Arbeit.
Tamara
01:00:21
Das geht schon fast nahtlos in die zweite Frage über. Was würdest du denn sagen, ist der größte Irrtum, der sich in der Buchbranche hält.
Jan
01:00:31
Bücher wichtig sind. Huch, sage ich jetzt mal undiplomatisch und zugeschimpft. Natürlich ist Lesen wichtig und natürlich haben auch Bücher eine Bedeutung, aber ich habe den Eindruck, dass wir in der Buchbubble noch nicht vollends begriffen haben, in welchem Kampf um Aufmerksamkeit wir uns gerade befinden. Wenn ich mir das in meinem Umfeld angucke, wie viele Leute früher abends gelesen haben, die mir heute erzählen, sie liegen abends auf dem Sofa und bingen Netflix und Co. Oder scrollen parallel durch Facebook und so weiter und hat mir auch schon angerissen, die verkürzen Aufmerksamkeitsspannen, wo man dann auch zu hören kriegt, ach ja, so ein Buch, Natürlich ist ein Buch schön und Lesen ist wichtig, aber es ist auch so anstrengend. Netflix, da legst du dich hin, machst die Tüte, schiebst auf und pulle Bier und dann kann das Vergnügen losgehen. Ein Buch langt einem mehr ab. Und wenn ich mit Leuten in der Buchbranche spreche, man kommt auf das Thema, aber es ist, da scheint man noch nicht so ganz zu allen durchgedrungen zu sein, dass wir hier wirklich um Aufmerksamkeit kämpfen müssen und für das Buch insgesamt wieder mehr tun müssen, um den Stellenwert eben wieder zu heben. Er wird vielleicht nicht dahin kommen, wo er mal war, dass das Buch ist meines Erachtens kein Leitmedium mehr, so wie es früher war. Jetzt fragt mich nicht nach Lösungen. Ja, natürlich, die eine Lösung, die einem immer einfällt, ist mehr Marketing von den Verlagen. Das Buch ganz uneigennützig, um das Buch eben ins Bewusstsein der Leute zu bringen. Es gibt auch so andere Faktoren. Ich habe das neulich, als ich hier in Köln durch die Fußgängerzone gegangen bin, auch so festgestellt. Da hat es da vor Buchhandlungen gewimmelt. Auf der Hohe Straße waren da Buchhandlungen, auf der Schilder Gasse, am Neumarkt gleich zwei Buchhandlungen an dem großen Platz. Also wenn ich am normalen Samstag, früher in den 80er, 90er, in den frühen Nullerjahren, wenn ich da samstags durch Köln flaniert bin, bin ich bestimmt an einer Handvoll Buchhandlungen vorbeigekommen, von denen eine übrig geblieben. Und ich glaube, das ist auch der Effekt aus den Augen, aus dem Sinn. Du hast eben nicht mehr die ganzen Leute, die dann einfach mal reingehen in die Buchhandlung, die es vielleicht gar nicht vorhatten, die dann stöbern, etwas finden. Und es nimmt dem Buch eben ein Stück auch die Präsenz. Kurze Frage, lange Antwort.
Tamara
01:03:16
Ja, du hast ja recht.
Vera
01:03:17
Also das kann man schon so teilen und man ist doch manchmal auch so hin und her geschmissen, wenn man an einer Seite, wenn ich dann fünf Tage in Leipzig auf der Messe war und sehe, wie kilometerlange Schlangen von jungen Menschen da stehen, um irgendwo signiert zu bekommen oder durch die Manga-Hallen laufen. So, das ist so der komplette Gegensatz. Und man wird da immer hin und her geschockelt.
Jan
01:03:40
Das ist ja auch das Schöne an der Buchmesse. Du gehst da drüber als Autor und denkst dir, hey, ich bin ein Buchautor, ich bin wichtig.
Vera
01:03:49
Ja, da sind immer andere, die sind wichtiger.
Jan
01:03:51
Es ist immer schön, Bücher zu sehen, aber das Gefühl verflüchtigt sich dann.
Tamara
01:04:02
Dann zum Abschluss noch was Verträumtes. Stell dir vor, du darfst in ein Buch deiner Wahl, dass du sehr gerne gelesen hast, als Figur eintauchen und da dein Unwesen treiben. Was würdest du da machen und welche Geschichte wäre das?
Jan
01:04:18
Das ist relativ einfach. Ich wäre der Kommissar, den unzähligen Kriminalromanen, die ich gelesen habe.
Tamara
01:04:26
Weil du schon weißt, wie es ausgeht.
Jan
01:04:27
Ich habe das Buch gelesen und kann den Fall jetzt klären. Ja, vermutlich liegt es daran, dass ich mit Krimis groß geworden bin, mit Aserbaidschan im Dorf, mit Agatha Christie, Columbo, der alte Derrick-Tatort, was es da gibt und gab. Und ich liebe einfach Krimi, weil es geht immer um Gerechtigkeit. Dass ein Unrecht geschehen ist und der Gerechtigkeit wird am Ende Genüge getan. Das Gute siegt über das Böse. Und ich glaube, das entspricht irgendwo meinem großen Gerechtigkeitsempfinden, dass ich da immer so eine tiefe Befriedigung daraus ziehe. Ja.
Tamara
01:05:13
Wenn das kein schönes Schlusswort ist.
Vera
01:05:15
Absolut. Quasi schon sprachlos, aber ich möchte trotzdem nicht versäumen, mich noch mal ganz herzlich bei dir zu bedanken, lieber Jan, dass du heute bei uns bist. Ja, danke euch! Ja, immer gerne. Und an euch da draußen noch mal den Hinweis, denkt dran, unser Buch Bubble Bulletin zu abonnieren. Ach, haben wir ganz vergessen zu sagen, da ist natürlich auch wieder ein Tipp von Jan dabei.
Tamara
01:05:42
Nicht wieder, sondern erstmals.
Vera
01:05:45
Es ist wieder ein Tipp dabei, diesmal von Jan Sorum. Und ja, bleibt uns gewogen, folgt uns, wo immer ihr könnt. Und ich würde sagen, dann bis nächste Woche. Tschüss.
Tamara
01:05:57
Danke, lieber Jan. Und schön, dass du da warst. Ich gehe mal über Konflikte nachdenken.
Jan
01:06:02
Viel Spaß dabei. Tschüss.