Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

DZVDT #222 - Jurenka Jurk über die Heldenreise, und wie sie für alle Genres anwendbar ist

In dieser Podcastfolge wird die Heldenreise entmystifiziert: Eigentlich gehört sie zu den bekanntesten Strukturen im Geschichtenzählen, und doch haftet ihr oft etwas Fernes, Geheimnisvolles an, das für viele Schreibende ins Genre Fantasy gehört.

11.07.2024 56 min Staffel 5 Episode 222

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Podcastfolge wird die Heldenreise entmystifiziert: Eigentlich gehört sie zu den bekanntesten Strukturen im Geschichtenzählen, und doch haftet ihr oft etwas Fernes, Geheimnisvolles an, das für viele Schreibende ins Genre Fantasy gehört.

Jurenka Jurk von der Romanschule zeigt uns heute, dass die Heldenreise sehr viel mehr kann und nicht nur für die Handlungsstruktur einer Geschichte nützlich ist, sondern auch für die Figurenentwicklung. Wir sprechen über Krimis, Serien, Pretty Woman und vieles mehr.

Links

Online Autorenmesse der Romanschule
https://www.romanschule.de/online-autorenmesse/

Jurenkas Blogartikel zur Heldenreise:
https://www.romanschule.de/schreibtipps/heldenreise/

Jurenkas Buchtipp:
'Die Kinder von Beauvallon' von Bettina Storks
https://www.amazon.de/Die-Kinder-von-Beauvallon-Roman/dp/3453361172

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Transkript

Vera
00:00:00
Schnaps-Zahl-Folge 222 von die zwei von der Talkstelle und wir kümmern uns um die Heldenreise. Jorenka Jog ist da und schildert uns genau, was es damit auf sich hat, wie der Ablauf ist, was es mit der Katastrophe in der Heldenreise auf sich hat, was die Arschetypen sind und was ich vielleicht in meinen Krimis alles besser machen könnte.
Tamara
00:00:22
Jorenka hat mal mit diesem Bild aufgeräumt, dass die Heldenreise so ein sehr althergebrachtes Fantasy-Tool ist und hat uns das wirklich sehr praxisnah gezeigt und ich muss jetzt ganz viel überarbeiten. Die, Hallöchen, hier ist Folge 222 von die 200-Talk-Stelle. Mein Name ist Tamara Leonhard und mir gegenüber, wie schon seit Jahren, sitzt die bezaubernde Vera Nentwig.
Vera
00:01:10
Du brauchst nur drei Sätze sagen und schon bin ich aus dem Konzept.
Tamara
00:01:14
Und schaut gerade sehr verwirrt.
Vera
00:01:21
Ja, hallo erst mal. Wobei ich finde das ja eine super Schnapszahl, Folge 222 von die zwei von der Talkstelle.
Tamara
00:01:29
Stimmt, den Teil hatte ich gar nicht bedacht.
Vera
00:01:34
Ja, und wie ist es dir ergegangen in der letzten Woche?
Tamara
00:01:38
Ja, soweit okay. Ich hätte ja eigentlich am Freitag Buchveröffentlichung gehabt, die ich nicht hatte. Aber war jetzt fiel mir halt morgens plötzlich ein, ach Gott heute ist das ja, solltest du vielleicht mal den Leuten Bescheid sagen, dass da nichts kommt.
Vera
00:01:53
Naja, also ich hätte jetzt noch gewartet, bis die Massen sich beklagt hätten wo ist das Buch Nee.
Tamara
00:02:00
Ich war und bin tatsächlich sehr sehr berührt, weil mir wahnsinnig viele Leute dann Kommentare geschrieben haben, ganz ganz Liebe, dass ich mir keinen Kopf machen soll und mir Zeit lassen soll und so das, an der Stelle nochmal Vielen Dank, das hat mich sehr berührt.
Vera
00:02:15
Das ist ja schön, wenn es dich berührt. Ich wollte jetzt gerade etwas Schlaues sagen, da habe ich alles vergessen. Ich war ja am Samstag beim Erftstätter Lesefest und ich habe da nicht gelesen, bedauerlicherweise. Aber die Diana Menschik, die ja auch schon mal bei uns war, hatte mich gefragt, ob ich da mit so einem Büchertisch aus Fülle. Ja, hab ich gedacht, komm, Erftstadt ist nicht so weit weg, machst du mal. Naja, sagen wir mal so, das ist ja bei so, ich bin ja mit so diesen lokalen Buchtischen und Messen, da tue ich mich ein bisschen schwer mit, Ich habe da nett gesessen, man hat sich nett unterhalten und ich habe auch zwei Bücher verkauft. Und ja, ich bin dann am Ende oder nicht am Ende, also mittendrin schon. Irgendwann habe ich mich entschlossen und dann einfach bin ich rumgegangen. Ich habe ja immer so ein Stapel Lesezeichen noch, die ich sowieso nicht loswerde. Und dann habe ich allen Menschen, die da rumranden, Lesezeichen von mir angeboten und die meisten haben auch zugegriffen.
Tamara
00:03:24
Okay.
Vera
00:03:24
Dann haben die wenigstens mal irgendwas von mir gesehen. Den ein oder anderen Menschen habe ich wegen Podcast angesprochen. Da waren ja ein paar ganz interessante Autorinnen und Autoren. Es waren auch nur Autoren, die da gelesen haben. Eine Autorin war es, glaube ich.
Tamara
00:03:42
Das ist anzuprangern. Ja, genau.
Vera
00:03:46
Und ja, mal schauen, ob wir da wenigstens so ein paar Kontakte haben. Und ich habe mich natürlich natürlich. Dann auch bei der Veranstalterin, die ich auch immer wieder für Podcasts angesprochen habe. Natürlich mal sehr bekannt gemacht und dringlich darauf hingewiesen, dass es doch echt toll wäre, wenn ich da auch mal lesen würde. Mal sehen, was passiert. Ja, ansonsten, ich hatte es, glaube ich, schon mal angedeutet, also alle schon mal den 6. November 2024 dick in den Kalender eintragen. Weil da wird es ein Mega-Event geben in Grefrath, dem Ort meiner Biedenhagen-Krimis. Und ich hatte ja schon mal erwähnt, dass beim kommenden Krimi der Frauenchor, der real existierende Frauenchor Ö, den ich natürlich dann fiktioniert habe, so quasi die. Initialzündung, die Ideengeber, ich weiß nicht, wie nennt man das, war und ich hatte ja dann, Ich hatte letztes Jahr ja schon mal in Gräfer eine größere Lesung und habe dann die Veranstalterin von der katholischen öffentlichen Bücherei angesprochen, ob die vielleicht wieder Interesse hätten, was zu machen. Und hatten sie. Und wir haben auch den großen Saal bekommen. Und auch der Frauenchor Öth ist begeistert dabei. Und wir haben uns jetzt am Freitag zusammengesetzt, um die Details zu besprechen. Ja, also machen wir da jetzt einen gemeinschaftlichen Buch-Event mit Chor-Unterstützung. Und der Saal fast 100 Leute. Ich hoffe natürlich, dass wir die Bude vollkriegen.
Tamara
00:05:22
Sehr cool.
Vera
00:05:23
Also am 6. November 2024 in Grefrath am Niederrhein.
Tamara
00:05:29
Das heißt, veröffentlichst du dann auch erst im November?
Vera
00:05:32
Nee, nee, nee. Also Veröffentlichung ist, also ich habe ja immer noch September anvisiert. Ich wache jetzt noch, ich habe noch leider immer noch keine Rückmeldung von der hiesigen Buchhandlung, ob die Ressourcen haben, Buchstacht-Party zu machen. Kann sein, die dann sagen, vielleicht das erste Oktoberwoche, das wäre dann auch noch okay. Also da würde ich vielleicht auf einen Buchstachtermin ein bisschen dran anpassen. Aber dann auf jeden Fall also entweder im September oder früher, ganz früher Oktober, später will ich das bloß nicht rausnehmen, rausbringen. Und ja. Also ist dann einfach ein weiteres Event.
Tamara
00:06:09
Ja, klar, warum nicht.
Vera
00:06:11
Aber da ist ja dann auch wirklich was Besonderes da. Und Zumal, wie gesagt, die Anfangsszene spielt ja bei einer Chorprobe. Das heißt, der Chor ist auch da und kann das Stück, was ich da erwähne, dann direkt singen. Und so. Ja.
Tamara
00:06:25
Ich nehm's mir mal vor.
Vera
00:06:27
Oh, jetzt kommen hier spannende Andeutungen. Ja. Ja, da bin ich jetzt sehr gespannt. Ansonsten ist mein Buch ja jetzt schon seit drei Wochen im Lektorat, was ungewöhnlich lang ist. jetzt, was mich natürlich nervös macht, wenn ich sage, warum arbeitet die Lektorin so lang? So, ich hoffe mal, dass ich jetzt zügig Rückmeldung kriege. Ja. Ansonsten laufen die Dinge so ihren Gang.
Tamara
00:06:59
Ja.
Vera
00:06:59
Ach so, eine Sache muss ich noch erwähnen. Vielleicht bei der letzten Folge war es ja mit die Tonspur von unserem Gastrovena war ja nicht so richtig toll. Ja, lassen wir uns entschuldigen. Ist natürlich immer ein bisschen schwierig, weil wir ja die ja so immer ein bisschen auch von der Technik des Gastes abhängig sind. Ja, gab es so ein, zwei Kommentare, die gesagt haben, dass die Tonqualität, dass es Schwierigkeiten hatten, das zu verstehen. Sehr bedauerlich. Wir versuchen da mit der Technik das Beste rauszuholen, aber manchmal klappt es nicht so richtig.
Tamara
00:07:34
Dem habe ich nichts hinzuzufügen und auch sonst eigentlich nichts zu erzählen. Ich bin heute sehr langweilig.
Vera
00:07:40
Ja, dann bauen wir jetzt einfach mal, dass unser Gast da jetzt hier Emotionen und Spannung reinbringt. Ich bin da guter Dinge.
Tamara
00:07:48
Auf jeden Fall.
Vera
00:07:49
Ja, wir haben heute nämlich eine Frau, eine junge Frau, darf ich junge Frau sagen? Ja, darf ich. Eine junge Frau zu Gast, die definitiv unser Niveau heute heben wird und uns einweisen wird in die Grundlagen der Schreibstruktur. Und ihr liebe Hörerinnen und Hörer, die uns ja lange schon folgen, wissen, dass wir da hier und da durchaus noch Hilfe gebrauchen können. Wir freuen uns daher sehr, dass sie heute Zeit für uns hat. Jurenka Jurg ist da. Hallo Jurenka.
Jurenka
00:08:18
Hallo ihr beiden. Ich freue mich riesig, dass ich da sein darf.
Tamara
00:08:22
Hallo.
Vera
00:08:22
Ja, wir wollen ja heute über die Heldenreise sprechen. Also Menschen, die unseren Podcast schon länger folgen, wissen, dass wir vor drei Jahren oder dreieinhalb, also in den Anfängen, muss ich jetzt mal so ein bisschen entschuldigend sagen, auch schon mal versucht haben, uns ein wenig mit der Heldenreise auseinanderzusetzen. Es ist, glaube ich, beim Versuch geblieben.
Tamara
00:08:45
Ich erinnere mich mit Grauen.
Vera
00:08:47
Ja, ja, es ist ein wenig beim Versuch geblieben.
Tamara
00:08:49
Das müsst ihr jetzt auch nicht nachhören. Nein, nein, nein.
Vera
00:08:53
Und als Jurenka dann sagte, da kennt sie sich aus, da haben wir direkt dann gesagt, da greifen wir jetzt mal zu, um endlich mal das Niveau zu heben. So, dann fangen wir doch mal direkt an, Jurenka. Heldenreise. Das kann ich mir noch vorstellen. Also ich so, ne, profan, ich weiß, bei einer Heldenreise gibt es wahrscheinlich mindestens einen Helden oder eine Heldin. Und was ich noch weiß, es gibt einen Mentor, eine Mentorin.
Jurenka
00:09:19
Ja, genau. Genau. Ich unterscheide immer ganz gerne ein bisschen zwischen der Figurenkonstellation und der Heldenreise an sich, aber in der Heldenreise kommen die Figuren natürlich auch vor. Die Heldenreise bietet schon fast eben ein Grundgerüst für die Geschichte, bietet aber so viel mehr, nämlich die Entwicklung der Figur und holt damit den Leser eben auf eine ganz andere Ebene. Und das ist ja das Zauberhafte. Der Leser schlägt ja normalerweise das Buch hinterher zu und sagt, tolles Buch. Und fragt die Freundin ihn oder der Freund, kommt dann irgendwie sowas wie, ja, aber warum? Keine Ahnung, hat mir gefallen. Das ist ja oft so. Also, dass gar nicht so spezifisch gesagt werden kann, warum hat es gefallen. Vielleicht war das Setting noch gut oder ja, es war einfach spannend oder so weiter. Aber in der Regel bin ich davon überzeugt, es ist die Entwicklung der Figur, die den Leser so mitreißt, dass er so mitfiebert und am Ende wirklich zufrieden das Buch zuschlägt. Aber das ist auf einer Ebene, die der Leser gar nicht unbedingt mitbekommt. Und da ist genau die Heldenreise perfekt für. Natürlich auch für die äußeren Umstände, aber ich finde noch viel wichtiger auch für die inneren Gegebenheiten, die in dem Held, also der Hauptfigur passieren. Dafür ist die Heldenreise eben wirklich Gold wert.
Vera
00:10:31
Okay, also das ist jetzt, wo du das sagst, nachvollziehbar und deckt sich auch so mit meinem Verständnis für die Geschichten, die ich schreibe. Ich halte mich da immer an so einen Spruch, den James Frey gemacht hat in seinem Buch, wie man sagt, wie sagt man, verdammt gute Romane schreibt, da hat er ja gesagt, ein Roman hat als Auslöser, dass die Hauptfigur aus seinem Leben geschossen wird und die Geschichte beschreibt, wie er versucht, sich in sein Leben zurückzukämpfen. Das ist ja so eine Entwicklung. Und ich überlege mir am Anfang, wie kann ich meine Hauptfigur, die ich mir ausgedacht habe, möglichst effektiv aus dem normalen Leben schießen.
Jurenka
00:11:09
Ja, super Frage.
Vera
00:11:12
Und dann zu gucken, wie es kommt rein. So, wie würde ich denn jetzt vorgehen, wenn ich jetzt sage, ich arbeite jetzt mal mit der Heldenreise?
Jurenka
00:11:19
Ja, ich würde gerne einmal ganz kurz zur Heldenreise an sich, warum Heldenreise? Das klingt immer so pathetisch und fast irgendwie so mystisch-magisch in dem Sinne und dann denkt man, ja, wenn man das in Chachibiti irgendwie eingibt oder so weiter und irgendwas damit, dann kommt auch irgendein Wort mit magisch raus. Also das scheint irgendwie zusammen zu gehören. Das ist aber nicht unbedingt so magisch zu betrachten. Also historisch betrachtet kommt es ja eigentlich von, nicht Christopher Vogler, der hat das weiter verwandelt, sondern von Joseph Campbell, das ist ein Mythenforscher gewesen, der hat ganz viele Geschichten analysiert, über ganz viele Jahrhunderte und Kulturen hinweg und hat versucht rauszufinden, was sind denn die Gemeinsamkeiten dieser Geschichten? Gibt es überhaupt Gemeinsamkeiten? Und er hat Gemeinsamkeiten gefunden und die dann aufgelistet. Und er hat das eben noch sehr mythologisch betitelt. Und daher kommen auch diese mythologischen Begriffe. Christopher Fogler ist dann hergegangen, der ist in Hollywood gewesen und hat das Ganze sozusagen ein bisschen entmystifiziert und ein bisschen auf die heutigere Zeit mit übertragen, wobei das immer noch relativ archaische Begriffe benutzt, in dem Sinne, und hat daraus dann Drehbücher mitentwickelt. Das erste super Bekannte ist Star Wars gewesen, das moderne Märchen. Und das hat halt super funktioniert. Und Hollywood ist natürlich super glücklich, wenn es irgendwelche Muster gibt, die für alle Kulturen und alle Zeiten funktionieren, prinzipiell. Das ist natürlich die Gelddruckmaschine so ungefähr, was Hollywood natürlich gerne haben wollte.
Vera
00:12:40
Ich auch.
Jurenka
00:12:42
Ja, ne? Ach, ihr vielleicht auch? Okay, ich übrigens auch. Und dann kommt aber gleichzeitig die Sorge häufig bei Autoren mit auf, ja, aber wenn das ein Muster ist, ist das dann nicht automatisch auch irgendwie alles immer einheitsbrei? Bedeutet das nicht, dass da immer das Gleiche rauskommt? Und da sage ich, jein. Also im Prinzip nicht. Es ist halt so facettenreich und variant, wie unsere eigene Psyche variant ist. Also das heißt, da geht ein psychologisches Modell eigentlich im besten Fall mit hinein. Und drehe ich an einer Schraube in der Heldenreise, muss ich an allen anderen Schrauben auch mit nachjustieren. So einfach ist das nicht. Und dadurch, dass man eben eine Figur reinbringt, die man im besten Fall vorher ja auch schon weiterentwickelt hat, hat man automatisch immer auch Varianzen in der Form, wie sich die Heldenreise auslebt. Insbesondere in der Form, wie wir sie lehren. Wir lehren sie in einer modernen Form in der Romanschule. Das heißt, wir benutzen auch moderne Begriffe und dieses Genre-übergreifend verwendbar. Und es ist halt eben auch vor allen Dingen auf zwei Ebenen. Es ist der äußeren Ebene und der inneren Ebene. Also es ist ein ziemlich komplexes Modell, muss ich ganz ehrlich sagen. Es hat auch einige Zeit gebraucht, bis ich das so richtig durchstiegen habe. Aber dann ist es der totale Game-Changer gewesen für mich. Also beim Unterrichten, beim Schreiben, wie auch immer bei anderen Hälften. Es ist wirklich, wenn man das anfängt so intuitiv zu begreifen, weil es ist ein psychologisches Modell, das uns jeden Tag im Prinzip eigentlich begegnet. Oft in abgebrochener Form und dann irgendwann auch in einer veränderten Form, weil wir ständig uns auch weiterentwickeln. Ich sehe das immer wie so eine Spirale, auf der wir uns immer weiter hochschrauben. So funktioniert die Heldenreise eigentlich auch.
Vera
00:14:12
Okay, dann hast du jetzt noch so 40 Minuten. Ja, jetzt gebe ich euch alles. Jetzt musst du aber auch liefern.
Jurenka
00:14:21
Mache ich, kein Problem.
Vera
00:14:23
Und ich weiß ja, ob du schon mal eine Folge von uns gehört hast, ich mag es ja gern sehr konkret und pragmatisch. So, dann, ja, wie fange ich denn an?
Jurenka
00:14:33
Also den ersten Schritt hast du schon genannt mit eben auslösendes Ereignis. Das heißt, vorweg geht häufig bei uns, wir konzipieren die Figur als erstes. Man kann es auch andersrum machen. Im Endeffekt hat jeder seine Freiheit und kann anfangen, womit er will. Aber wir machen die Figur als erstes, weil wenn du eine andere Figur hast, hast du eine andere Geschichte eigentlich. Das heißt, erstmal geht es auch um die Vergangenheit der Figur.
Vera
00:14:51
Natürlich.
Jurenka
00:14:51
Wenn das jetzt mal steht, dann kommt die Überlegung, wie schieße ich diese Figur am besten aus ihrem alltäglichen Leben? Was kann da Schlimmes passieren? Schlimm im Sinne von, dass das normale Leben nicht weitergeht. Das finde ich auch immer wichtig zu wissen. Es kann auch ein Lotto-Gewinn sein. Auch ein Lotto-Gewinn kann das Leben komplett durcheinander bringen und auf den Kopf stellen. Oder die Hochzeit, die dann aber irgendwie das Leben eben hinterher völlig durcheinander bringt. Oder was auch immer, was man sich ergibt.
Vera
00:15:13
Jetzt ist das ja, wenn ich jetzt einen Krimi schreibe und ich habe jetzt auch eine Reihe, dann ist letztlich irgendwie der neue Mordfall, der dann halt das auslösende Ereignis ist, oder?
Jurenka
00:15:23
Bannendes Beispiel, finde ich großartig. Machen wir gleich was Komplexeres. Fangen wir mal mit nicht so etwas Einfachem an, wie einer Liebesgeschichte. Also beim Krimi ist jetzt wiederum die Problematik, oder nicht Problematik, die Thematik, dass du ja mehrere Ebenen hast. Du hast im Prinzip die kriminologische Entwicklungsebene, worauf sich eben... Die äußeren Umstände weiterentwickeln, wird der Fall gelöst, im Prinzip die große Frage. Aber gleichzeitig schickst du einen Ermittler oder eine Ermittlerin ins Rennen, die eine persönliche Ebene mit sich bringt. Und das ist ja in den heutigen Krimis total wichtig, eine persönliche Ebene mit reinzubringen, anders als vor 30 Jahren oder so weiter. Und das heißt, du hast hier im Prinzip eine innere und äußere Heldenreise, die miteinander jetzt verwoben werden muss. Denn das Innenleben deines Ermittlers, deiner Ermittlerin wirkt sich aus auf die äußere Ebene und die äußere Ebene auf die innere. Aber beide muss man im Prinzip betrachten. Was passiert innerlich in der Figur? Wie reagiert sie darauf? Und was passiert tatsächlich im Äußeren an Umständen, die die Geschichte vorantreiben? Und das kann natürlich manchmal ein bisschen Schwierigkeiten reinbringen und will man ja auch. Macht sich ja nicht einfach als Autor.
Vera
00:16:32
Habe ich bisher gar nicht so als Schwierigkeit. Für mich ist sowieso immer das Persönliche. Ich muss immer aufpassen, dass ich bei den Krimis, die ich schreibe, nicht zu viel Wert auf das Persönliche lege. Eigentlich interessiert mich das immer am meisten. Eigentlich, der Kriminalfall ist eigentlich nur das Mittel zum Zweck, um das Persönliche weiterentwickeln zu lassen. Du hast ja jetzt von mehreren Ebenen gesprochen. Aussprachen. Müsste ich das differenziert auch sehen?
Jurenka
00:16:57
Ich glaube, das reicht völlig, so wie du das siehst. Weil es ist ja klar, dass der Krimi-Fall auf der äußeren Ebene stattfindet. Da passieren Dinge, da kommen Anrufe, da findet man eine Leiche oder irgendein Indiz oder irgendwas in der Form. Das ist die äußere Ebene. Und dann ist aber die Frage, was macht das mit der inneren? Und wie stelle ich diese innere Ebene dar? Man will ja nicht ständig irgendwelche inneren Dialoge und vor sich hin schwelgen haben, sondern wie verknüpft man das jetzt wiederum, dass es auf der äußeren Ebene sichtbar ist für den Leser? Und da ist für mich dann, es ist super, wenn du da eben genau das so stark siehst, aber viele Autoren haben da eine Schwierigkeit, das überhaupt so differenziert überhaupt zu sehen und sich das bewusst zu machen und aus der Lesersicht rauszukommen, in die Autorensicht, die das eben bewusst steuert, was da innerlich in der Figur passiert. Und da hilft eben die Heldenreise auch mal.
Vera
00:17:41
Aber wie ist das denn jetzt, also wo ich ja immer ein Problem habe und ich weiß nicht, wenn ich es richtig verstanden habe, Tamara ja auch hier, wir sind ja beide nicht so die wirklich richtigen Plotter, also die, die alles so im Detail planen. Ich nehme es mir jedes Mal vor, habe auch verschiedene Techniken, sei es jetzt das Stufenprogramm von James Frey oder die Beat Sheets von Blake Schneider. Ich mache mir dann immer schöne technische Vorlagen, die ich dann nie benutze. Und Wenn ich jetzt sage, Heldenreise, wie würde mir denn die Heldenreise da helfen?
Jurenka
00:18:18
Ja, grundsätzlich bei jedem Handwerkszeug, sage ich immer, es führen viele Wege nach Rom und auch zum Roman. Du hast immer unterschiedliche Möglichkeiten, wie du rangehen kannst. Du kannst vorher wahnsinnig viel planen, dann alles runterschreiben und hinterher noch ein bisschen überarbeiten. Du kannst einfach drauf losschreiben und hinterher wahnsinnig viel überarbeiten und ein paar Sachen neu schreiben. Im Endeffekt kommt es immer auf Ähnliche hinaus und du kannst was dazwischen machen. Das heißt, die Heldenreise, die kannst du benutzen vorab zum Planen oder du kannst es benutzen, um hinterher zu kontrollieren. Also es ist egal, worum du es benutzt. Es ist so, dass die Heldenreise...
Vera
00:18:51
Aber in beiden Fällen, Entschuldigung, wenn ich dir das Wort falle, aber in beiden Fällen muss ich ja vorher einen Plan haben. Um was zu kontrollieren, muss ich ja das Ziel schon definiert haben.
Jurenka
00:18:58
Es gibt ja genügend Discovery-Writer, die einfach nur drauf losschreiben und das Schöne ist eben, dass das Heldenreisemodell eigentlich ja auch an viele psychologische Modelle andockt, also nicht viele, sondern an unser psychologisches Modell andockt und damit an manchen Punkten auch total intuitiv ist. Das heißt, das ist gut möglich, dass einige Punkte völlig intuitiv schön schon rauskommen, die du dann, wenn du es dir später bewusst machst im Überarbeiten, siehst, oh ja, das ist schon gut, aber da ist es ein bisschen flach, ah, jetzt verstehe ich, warum.
Vera
00:19:25
Aber kannst du das mal ein bisschen konkreter fassen? Vielleicht Beispiele oder so? Das ist für mich noch alles ein bisschen sehr vage.
Jurenka
00:19:31
Ich würde einmal noch mal ganz kurz zur Heldenreise gehen und sagen eben, klassischerweise hat sie zwölf Stufen, also zwölf Schritte. Wir haben es ein bisschen umgewandelt, ein paar andere Schritte. Ich sage jetzt mal so die ganz wichtigen einmal, da will ich einen Bogen einmal überhaupt haben. Also ganz wichtig ist, es passiert irgendein Auslöser, man wird rausgerissen aus dem Leben, dann gibt es oft eine kleine Weigerung und hin und her und der Mentor tritt auch manchmal noch auf. Aber dann entscheidend ist der Punkt, an dem der Figur sich ein Ziel setzt und sagt, ich will jetzt bewusst, das ist ein Ziel, das könnte diese Person aussprechen. Ich will bewusst das und das erreichen. Und das ist jetzt der äußere Handlungsfaden, meist über das gesamte restliche Romangeschehen hinweg. Manchmal ändert sich das noch ein bisschen, weil die Figur feststellt, es gibt noch ein höheres liegendes Ziel. Das war nur ein Unterziel. Aber in der Regel ist es das Ziel, was sich jetzt durchzieht durch den Roman. meinetwegen auch den Fall natürlich aufzuklären oder irgendwie.
Vera
00:20:23
Ist das Ziel, ist das Ziel vergleichbar mit der Prämisse?
Jurenka
00:20:29
Nein, die Prämisse ist ja eher eine sozusagen eine Behauptung, die ich bewahrheiten möchte innerhalb eines Romans. Also das würde ich sagen ist eher ein, für mich ist die Prämisse nicht ganz so wichtig, aber es ist ein Hilfsmittel, um mich dem ganzen Thema weiter anzunähern. Nee, das Ziel ist wirklich so der Motor der Geschichte, der weiteren Geschichte. Und das ist auch wichtig, dass das eine sogenannte Fallhöhe hat. Das heißt, wenn das Ziel nicht erreicht wird, muss etwas Schlimmes für die Figur passieren. Es muss wichtig sein, dieses Ziel. So, dann kommen gewisse Aufs und Abs und Freunde, Feinde, Hindernisse hin und her, alles hin und her. Dann in der Mitte des Romans gibt es häufig einen Moment, wo die Figur erkennt, oh Scheibenkleister, ich kann hier suchen, so viel ich will und, Aber das Problem ist, mir fehlt noch was Entscheidendes. Das liegt eigentlich in mir, in meiner Reifung. Was bedeuten würde, ich müsste mich ändern? Oh Backe, ich mache lieber die Augen zu und renne weiter. Das ist der Moment der Erkenntnis, der häufig vorkommt. Dann gibt es eben weitere Hürden auf und ab. Es gibt sozusagen Prüfungen, um es mit Kemper wieder zu sagen. Ganz wichtig ist dann, dass es eine Kaskade gibt von Scheitern bis hin zur Katastrophe. Also es passiert etwas ganz, ganz Schlimmes. Am besten so schlimm, dass wir gar nicht erstmal als Autoren wissen, wie wir die Figur da je wieder rauskriegen. Und das ist so ein bisschen der Phönix aus der Asche-Moment. Wenn das so, so, so schlimm ist, dann entsteht die Reifung in der Figur, weil sie dann sagt, jetzt ist eh alles egal, dann kann ich auch alte Muster endlich gehen lassen und Platz schaffen für etwas Neues. Und das schafft die Lücke, dass die Figur sich auf der inneren Ebene wandelt. Und damit sieht man schon, wie das verknüpft ist. Äußere Ebene die Katastrophen, aber innere Ebene ist die Wandlung, die das entscheidend macht, dass die Figur danach aus eigener Kraft, ganz wichtig, doch den Höhepunkt herbeileitet. Dann kommt der Showdown, der Kampf, das Finale, was auch immer dann je nach Genre nötig ist. Die Figur ist gereift und schafft jetzt, den letzten großen Widerstand zu überwinden. Das ist dann der Höhepunkt. Und abschließend geht die Figur dann gereift wieder in ihre alte Welt, was aber dann nicht mehr die alte Welt sein muss, sondern weil die Figur sich verändert hat. Also im klassischen Sinne kehrt sie zurück in ihr alte Heimat, hat sich aber verändert und ist damit eine gereiftere Persönlichkeit. Aber es kommt irgendeine Form von Zurückkehr, eine Klammer zu zum Anfang. Das ist so grob der Bogen.
Tamara
00:22:43
Du hast jetzt gerade in 15 Minuten mein aktuelles Manuskript durcheinander geworfen. Entschuldigung. Weil ich habe das eigentlich auch mit den Beach-Heats geplant und mir hat immer so ein bisschen so dieses, es ist halt eine Entwicklungsgeschichte und mir hat so das große Highlight am Ende gefehlt. Und wenn ich jetzt so drüber nachdenke, eigentlich ist das auch eine Heldenreise. Ich muss nur ein paar Rädchen drehen.
Jurenka
00:23:09
Super.
Tamara
00:23:09
Deswegen bin ich jetzt auch gerade seit einer Viertelstunde so leise, weil ich sehr intensiv gerade nachdenke.
Jurenka
00:23:15
Sehr schön. Das ist super. Das ist perfekt. Und genau so kann man die Heldenreise eben auf verschiedenen Ebenen anwenden. Ich kann danach von vornherein planen, aber ich kann jetzt auch wie du sagen, so sieht es bisher aus. Jetzt nehme ich die Heldenreise und gleich mal ab und dann stelle ich fest, an der Stelle, da kann ich mal ein bisschen mehr reinbauen oder ein bisschen schieben oder ähnliche Dinge.
Vera
00:23:38
Ja, wobei ich versuche jetzt immer noch so deine Aussagen mit dem zusammenzubringen, was ich so schreibe. Und dann dachte ich jetzt, okay, was ist denn jetzt, wenn ich so einen Krimi schreibe, klar, da gibt es ja einmal so die Ermittlungsgeschichte und parallel die ein oder andere persönliche Herausforderung der Protagonistin. Das hast du vorhin als Wendepunkt diese Katastrophe beschrieben was ist in diesem Kontext eine mögliche Katastrophe?
Jurenka
00:24:11
Bei dir jetzt?
Vera
00:24:13
Ja, also Katastrophe also jetzt mal natürlich, gibt es irgendwann die richtig kritischen Szenen wo sie in Gefahr kommt das ist auch meistens dann der Showdown also die Katastrophe kommt ja vorher deswegen habe ich gerade überhaupt keine Vorstellung und was dann in dem Kontext eine Katastrophe sein könnte.
Jurenka
00:24:33
Es ist häufig der Moment, wo es so aussieht, als ob der Fall nicht mehr lösbar ist. Ich versuche jetzt gerade irgendwie mein Hirn noch mal zu ... Mit bekannten Filmen und so weiter, die wir auch immer wieder analysieren.
Vera
00:24:46
Ja, ja. Also ist dann doch so, das habe ich dann auch so. Es gibt immer bei James Frey, bei dem Stufenplan, da gibt es ja so diese Vermutung, den Test der Vermutung. so. Also eigentlich ist die Vermutung der Punkt Katastrophe, wo sie... Ein paar Verwächtige abgegrast hat, die sind weniger wahrscheinlich und es entwickelt sich ein anderes Bild, was man vorher nicht so auf dem Schirm hatte. Das würde ich natürlich jetzt nicht unbedingt als Katastrophe sehen.
Jurenka
00:25:17
Ja, aber das ist wichtig. Es ist wichtig, dass es eine Katastrophe ist, weil erst dann ist es wirklich so richtig logisch nachempfindbar, warum die Figur sich danach wirklich ändert. Weil es ist so, psychologisch betrachtet ist es wirklich auch in echt so, dass eine Veränderung des Selbst unfassbar schwierig eigentlich ist und häufig mit großem Schmerz oder beziehungsweise Energie einhergeht. Weil wir haben ein Bild von uns selber und der Angriff von unserem Selbstbild ist eines der höchsten Verletzungen, die es geben kann. Das ist wirklich auch psychologisch so. Wenn du ein Bild von dir hast und jemand anders zerschmettert, dass er in Anführungsstrichen ein bisschen am Boden zerstört. Manchmal sogar selbst, wenn es ein gutes Bild ist und du hast immer von dir geglaubt, du bist aber so und so. Und die Frage, also warum sollte sich die Figur verändern, wenn es nur irgendwie so ein bisschen unangenehm ist, ist halt nicht so emotional nachvollziehbar für den Leser. Es muss schon richtig krachen und knacken, damit der Leser versteht, ups, ich empfehle übrigens, und das machen wir auch mit unseren ganzen Teilnehmern immer, möglichst Hollywood-Filme oder andere große Filme zu analysieren. Weil da ist das plakativ, weil das so kurz auch ist, 90 Minuten oder 100 Minuten, was auch immer, wie viele Minuten, Da ist das so kondensiert, dass das so richtig stark rauskommt. Und ich meine, es sind Kassenschlager dann in der Regel, die funktioniert haben auf irgendeiner Ebene. Da sieht man das ganz toll. Egal welches Genre es ist, man kann das super analysieren.
Tamara
00:26:35
Für mich ist ja immer, wahrscheinlich auch, weil es diese Helden hat und weil es eine Reise ist, so Herr der Ringe, das klassische Ding, wo ich mich daran orientiere. Aber ich hatte bisher immer das Gefühl, dass die Heldenreise als Konzept recht starr ist. Also man muss eine alte Welt verlassen, dann trifft man den Mentor, die Mentorin und so weiter. Und deswegen habe ich das auch für mich nie so angewendet, weil es sich angefühlt hat, als wäre es halt so ein klassisches Fantasy-Werkzeug.
Jurenka
00:27:04
Das liegt auch an den Worten.
Tamara
00:27:06
Genau. Und was ich mich jetzt frage, ist auch, wie sehr kann man denn die einzelnen Schritte oder vielleicht auch die Dauer der einzelnen Phasen variieren, ohne dass das Ding seine Kraft verliert?
Jurenka
00:27:23
Ja, also ich würde grundsätzlich immer sagen, jedes Handwerkszeug, egal welches, ist ein Hilfsmittel und keine Geißel. Das heißt, einfach sich einmal klarzumachen, es darf alles irgendwo interpretiert werden. Wichtig ist zu verstehen, was ist der Sinn dahinter und geht sozusagen der Effekt verloren oder ist es in Ordnung, wenn ich das... Also es gibt zum Beispiel einige Schritte, die kann man ohne Probleme doppeln. Man kann das auslösende Ereignis doppeln, man kann die Weigerung doppeln, manchmal auch das Ziel, aber es gibt bestimmte Sachen, die doppeln sich sehr gerne sogar. Und dann hat man natürlich auch einen gewissen Spielraum, was die Menge sozusagen angeht. So ganz grob kann man aber sagen, bis zum Ziel vergeht der erste Akt. Und dann bis zur Katastrophe der zweite Akt. Der zweite Akt ist doppelt so lang wie der erste und dritte zusammen, wenn man in drei Aktern spricht. Nach der Katastrophe kommt der dritte Akt. Pi mal Daumen. Ja, wenn man in vier Aktern spricht, also übrigens passt der drei Akter, der vier Akter, der fünf Akter und ganz viele andere Modelle passen alle in die Heldenreise rein, wenn man sie ein bisschen interpretiert und ein bisschen nicht so starr betrachtet, dann funktioniert das nämlich hervorragend. Deswegen arbeite ich auch so gerne damit, weil fast alles andere bis auf Freitagspyramide, von der ich eh nichts halte, und ein paar andere Hilfsmittel, die dann anders einfach funktionieren, deckt die Heldenreise unglaublich viel ab. So, wenn man jetzt in vier Akten redet, dann ist es bis zur Mitte eben der zweite Akt, von der Mitte, von dieser Erkenntnissituation bis zur Katastrophe der dritte Akt und dann der vierte Akt hintendran, also als Beispiel so. Und wenn man das jetzt ein bisschen lockerer sieht, also als Beispiel, um auch vielleicht aus diesem Begrifflichen rauszukommen, Verlassen der bekannten Welt. In meiner Liebesgeschichte bedeutet das, dass meine eine Helen, auf eine Party geht, auf die sie sonst nie gegangen wäre, mit lauter Schnüseln, sag ich jetzt mal, Filmstars und was weiß ich nicht. Das ist schon die neue Welt. Das reicht schon. Ja, da wäre sie sonst nie. Das ist außerhalb ihrer Komfortzone in dem Sinne und bedeutet, sie betritt jetzt etwas Neues. Das ist einfach im übertragenen Sinne, dass damit etwas gestartet wird, was sonst nicht gestartet wäre. Das kann bildlich das Übertreten einer Schwelle sein oder eben das Betreten einer neuen Welt. Das kann aber auch einfach Einfach nur interpretiert bedeuten, etwas Neues ist passiert. Also da darf man ein bisschen lockerer sein.
Vera
00:29:37
Ja, aber kannst du nochmal so, du hast ja jetzt verschiedene Schritte so erwähnt, die so diese Entwicklung in der Heldenreise machen. Kannst du die mal so ein bisschen... Kannst du mal den konkreten Ablauf nennen?
Jurenka
00:29:48
Machen wir nochmal Pretty Woman. Okay? Ja, gerne. Pretty Woman kennen die allermeisten ja als Film irgendwie in der Form. Kann man auch oft nochmal nachgucken. Pretty Woman, eine Prostituierte. Übrigens startet der Film mit Edward. Das vergessen die meisten immer nur auf der Party, wo er eigentlich gerade abgeschoben wird von seiner Ex-Freundin, voll sauer ist und deshalb dieses Cabrio nimmt, da mit Gangschaltung, das er nicht bedienen kann. Und fährt eben auf dem Boulevard dort und kommt dann eben zu den Prostituierten. Und im Endeffekt ist es so, dass er eigentlich gar keine Prostituierte will, aber er kann dieses Ding halt nicht so richtig bedienen. Und sie bietet dann an, okay, ich fahre es dir nach Hause ungefähr. Also sie steigt jedenfalls ein, glaube ich, und fährt es, wenn ich das richtig meine. Auf jeden Fall ist diese Begegnung das Auslösen der Ereignisse. Die zwei begegnen sich, zwei Welten prallen aufeinander, Auslösungsereignisse. So, und dann steht sie dort an der Bushaltestelle, will jetzt zurückfahren. Und er so wie, du fährst jetzt mit dem Bus zurück. Er hat ihr Geld gegeben dafür, dass er sie dahin gebracht hat. Aber ja, das sagt sie natürlich, weil sonst ist mein ganzes Geld weg. Wenn ich jetzt ein Taxi nehme, bin ich wieder pleite. Das bringt ja nichts. Und er schneid eigentlich erst dort, wie anders diese Welten eigentlich sind und überlegt sich hin und her und ist von ihrer ganzen Art, ihrer natürlichen, direkten Art, was er sonst in seiner Welt überhaupt nicht hat, so angetan, dass er sich überlegt, okay, ich will mehr von der, kann aber nicht aus seiner Haut raus, außer die Norm zu bedienen und sie dann als Prostituierte sozusagen einzuladen. Also sprich, er bleibt in ihren Rollen und lädt sie jetzt ein. Das ist so ein bisschen so hin und her, rauf und runter Reigerung, was auch immer. Im Endeffekt nimmt er sie dann mit aufs Zimmer und oben machen sie so eine Art mündlichen Vertrag aus. Und er sagt, ja okay, bleib eben zwei Wochen, er will sie nicht nur als normale Prostituierte oder eine Woche oder irgendwie in der Form und danach kannst du wieder gehen, also er will sie als Edelprostituierte dort haben. Sie sagt wörtlich in dem Moment, ich werde so gut sein, dass du mich nicht wieder gehen lässt. Das ist ihr Ziel. Das ist ihr erklärtes Ziel. Also da hört man das häufig sogar. Dann kommen die Aufs und Abs, die wir kennen. Sie soll Klamotten einkaufen gehen, sie muss lernen zu essen und was weiß ich. Sie kommt in diese Besprechung rein, wo er noch auf brutale Art und Weise ein Familienunternehmen zerschlagen will, um Gewinn zu machen und so weiter. Da kommt sie überall mit rein und es fängt an, sich was zu entwickeln. Sie haben Einfluss aufeinander. Dann gibt es die Szene in der Mitte, wo es gibt ein paar Szenen, wo das in die Richtung kommt. Einmal, wo er Klavier spielt und so ganz verletzlich ist und sich zum ersten Mal auch so wirklich zeigt, wo er wirklich als menschlich gezeigt wird und sie in der Badewanne, wo sie mal singt, das ist glaube ich ein bisschen später. Und dann gibt es aber die Situation auch im Bett, wo sie sich küssen. Und sie hat vorher nämlich ganz klar gesagt, kein Küssen. Und das ist so ein bisschen die Mitte, wo klar ist, okay, hier ist mehr im Spiel als der reine Vertrag. Das geht um mehr. Es ist wirklich was dabei. Aber sie können es immer noch nicht leben. Sie kehren wieder zurück in ihre Rollen, in ihre Muster und gehen weiter ihr Spielchen durch. Dann kommt im Prinzip der entscheidende Moment für die Katastrophe. Also es passieren schon zwischendrin immer wieder schlimmere Sachen. Aber der entscheidende Moment ist da, wo sie zum Pferderennen geht. Und dieser unglaublich unangenehme Anwaltfreund sie bloßstellt, weil er eigentlich eifersüchtig ist, beziehungsweise Angst kriegt, weil Edward sich anfängt zu verändern. Und deswegen stellt er sie bloß und sagt, hey, du Bordstein-Schweiber, wenn du mit ihm fertig bist, dann gehörst du aber mir. Also degradiert sie komplett, obwohl sie gerade angefangen hat, zum ersten Mal aufzuleben und gesehen zu werden und Mensch zu werden außerhalb von ihrem Prostituierten-Dasein so ungefähr, wird sie gerade wieder, bam, volle Kante runtergehauen. Und Edward ist nicht wirklich in der Lage, so richtig dagegen vorzugehen. In dem Moment, dann kommt die Szene, wo er sogar im Hotelzimmer seinem Freund einen Kinnhaken gibt, als er sie versucht zu vergewaltigen. Aber das, was er ihr schafft anzubieten im Anschluss, ist, dass sie eine Wohnung kriegt und Edelprostituierte bleibt. Und da sagt Vivian, jetzt gereift, nachdem sie schon völlig enttäuscht, Sie hatte vorher schon mal das Geld abgelehnt. Jetzt nimmt sie das Geld und sagt gereift, nein, ich bin mehr wert. Das ist da, wo sie schon gereift ist durch diese Katastrophe vorher und sagt, nein, so nicht. Und sie haut ab. Und jetzt kommt übrigens dann Edwards Reifung erst versetzt. Das ist auch das Typische. Jede Figur hat ihre eigene Heldenreise und darf auch eigenständig bearbeitet werden. Und dann laufen die nicht ganz parallel. Also sie fast ja, aber es kann ein bisschen versetzt sein, ein bisschen unterschiedlich sein. So, während Vivian jetzt weg ist, zu ihrer Freundin fährt, wieder in ihre alte Wohnung, der Geld gibt, damit sie auf die Kosmetikschule gehen kann, weil es jetzt dafür reicht und beschließt, nach Hause zu ihren Eltern zu gehen und den Schulabschluss fertig zu machen. Das erzählt sie dort nämlich alles. In der Zeit kapiert Edward, was er verloren hat, muss wieder mit diesem ganz tollen Hotelmann dort sprechen, der ja alles weiß und weise und überhaupt Mentor pur ist, der er schon begriffen hat. Und deswegen auch dem Chauffeur, vom Chauffeur, der Vivian nach Hause gefahren hat, sozusagen weiß, wo Vivian wohnt und immer noch so in schön bildlicher Sprache spricht. Und nach dem Motto, es ist schon schwer, wenn man so einen Diamanten gehen lassen muss und tralala, so in der Form, begreift Edward, okay, er hat hier die Chance, aber er muss jetzt wirklich aus seiner Welt rausgehen in dem Sinne, bereit sein, diesen Schritt zu gehen und ehrlich eine Beziehung anzufangen. Während Vivian hätte hier schon ihr Ende haben können. Deutsches Happy End wäre hier gewesen. Vivian geht auf die Abendschule und ist fertig. Und Hollywood-Ende ist jetzt, Edward reift nach sozusagen und kommt dann wieder total kitschig und hollywoodmäßig mit der weißen Limousine, überwindet seine Höhenangst, klettert die Feuerleiter hinauf und geht dann zu ihr in dem Sinne. Und das ist dann das Happy End, sehr kurz hier in dem Sinne, hier brauchen wir wenig, Klammer zu, nochmal die alte Welt, weil es ist in der alten Wohnung von Vivian und es ist klar, dass sozusagen der Lebensabschnitt ist, der jetzt vorbei ist, die Prostitution in dem Sinne, die Reifung raus ist. So das mal in kurzer, konkreter Form. Und das findet man in den meisten Filmen. Also ich würde wirklich raten, mit diesen Augen immer weiter die Filme auch anzuschauen.
Tamara
00:36:04
Weil das unglaublich ähnlich ist.
Vera
00:36:06
Wie machst du das denn jetzt so? Also ich bin ja, wie ich ja vorhin schon erwähnte, Freundin davon, mir das vorher irgendwie mal so eine Struktur zu überlegen. Wenn ich jetzt so an einem neuen, über eine neue Geschichte nachdenke, wo ich dann so Felder ausfüllen kann oder sage, okay. Wie viele Stufen müsste ich in meiner Tabelle machen, um sowas auszuprobieren?
Jurenka
00:36:29
Also wir benutzen zwölf Stufen dafür. Wir haben zwölf Schritte. Auf unserem Blog sind die wichtigsten schon mal die großen wichtigen und Joseph Campbell hat auch zwölf sehr mythologische. Es gibt da eben auch unterschiedliche Varianten und das kann man sich eben auch anpassen. Es sind in etwa zwölf Stufen, die man braucht und die man dann eben nach und nach ausfüllen kann. Es fängt eben an mit dem Auslöser, der Weigerung, dem Ziel, dann Freunde und Feinde, Hindernisse, die Mitte, dann Zerreißprobe, Scheitern, Katastrophe, Reifung und entsprechend dann der Höhepunkt und Ausklang.
Vera
00:37:01
So, jetzt kann man natürlich hier bei dir in der Romanschule dann mit dir da die Kurse machen. Sehr gerne. Wer mag. Das muss man ja mal erwähnt haben. So kann ich auch sonst wo im Internet schon mal gucken, wie das aufgebaut ist.
Jurenka
00:37:15
Also genau unsere, also erstmal auf unserem Blog den Blogbeitrag mal anzuschauen, weil da haben wir zumindest die groben Schritte auch mit schönen Beispielen und so weiter schon dargestellt. Und ansonsten ist es ja so, wenn man mal ganz ehrlich ist, ist jedes Handwerkszeug im Internet irgendwo findbar. Man muss es sich dann selber zusammensuchen. Also da gibt es eine ganze Menge. Christopher Vogler, das Buch Odyssee eines Drehbuchschreibers, Drehbuchschreiber ist nicht nur für Drehbuchautoren gedacht, sondern auch für Autoren. Ist sehr empfehlenswert als Buch. Ist ein bisschen schwierig manchmal an manchen Stellen zu lesen, aber ist trotzdem extrem empfehlenswert. Also man kann sich alles selber aneignen, wenn man ein bisschen auf die Suche geht im Internet. Da gibt es genügend Beispiele.
Vera
00:37:49
Jetzt hast du vorhin ja gesagt, was mich auch noch beschäftigt. Du hast gesagt, jede Figur hat so seine eigene Heldenreise.
Jurenka
00:37:55
Ja, genau.
Vera
00:37:56
So, wirklich jede Figur? Nein, Entschuldigung.
Jurenka
00:38:01
Also jede Hauptfigur, insbesondere natürlich jede Perspektivfigur vor allen Dingen, aber auch jede Hauptfigur hat idealerweise eine Heldenreise. Und das bedeutet nicht immer, dass sie natürlich auch positiv ganz ausgehen muss. Aber man kann sich das so vorstellen, wie jede Figur hat ja eigentlich ein Ansinnen auf eine positive Weiterentwicklung und ein positives Leben. Das heißt, jede strebt eigentlich danach selbst. Selbst ein Bösewicht, eine negative Figur, die vielleicht sogar eine negative Heldenreise erleben wird, sprich in der Katastrophe mehr oder weniger stecken bleibt und da sein blaues Wunder erlebt wird, selbst die hat aber eigentlich einen Ansinn gehabt auf ein besseres Leben und nur erfüllt. Deswegen lohnt es sich, das genauso auch für die Antagonisten zu machen, also die Bösewichter, aber auch die Antagonisten, die keine Bösewichter sind. Also ein Liebesroman, ganz klassisch, wenn es ein ganz klassischer ist, weiblicher Hauptfigur, männlicher Gegenpart, beide bitte mit Heldenreise ausstatten, ist super wichtig.
Vera
00:38:57
Gibt es da Figuren wie Mentoren, Mentorinnen? Haben die dann auch noch eine eigene Heldenreise?
Jurenka
00:39:03
Nur wenn sie eine gewisse Größe im Roman tatsächlich annehmen. Also wenn ich sie zu den Hauptfiguren zählen würde. Und das ist jetzt etwas, wo ich schlecht definieren kann. Ab so viel Textzeilen ist es eine Hauptfigur. Nein, also das ist natürlich so ein bisschen die Definitionssache. Und man kann die Heldenreise in abgespeckter Variante natürlich auch machen. Man muss die nicht ganz so intensiv auf allen Ebenen, also inneren, äußeren Ebenen. sondern dann reichen die Punkte, die wir auf dem Blogartikel haben, völlig aus für die nicht ganz so wichtigen Figuren. Und für die Statisten braucht man es sowieso nicht und für die Nebenfiguren eigentlich auch nur insofern, wenn es halt eine Rolle spielt, was ihre Motivation ist, sich da über diesen Part zumindest mal Gedanken zu machen, damit das irgendwo einen logischen Anhaltspunkt gibt für den Leser.
Tamara
00:39:47
Den Blogartikel kannst du mir ja nochmal schicken, dann packen wir den Link in die Shownotes für alle zum Nachlesen. Ich überlege jetzt gerade, das war, glaube ich, auch für mich immer so ein Punkt, dieser Mentor, Mentorin, wenn ich jetzt an das Pretty Woman Beispiel denke, das ist ja tatsächlich eigentlich eine kleine Nebenrolle, die aber eine super wichtige Bedeutung hat.
Jurenka
00:40:09
Aber zum Beispiel gar keine Nebenreise hat.
Tamara
00:40:12
Ja, genau. Aber vom Gefühl her klingt halt Mentor nach, es muss eine große Rolle sein, die den Helden oder die Heldin die ganze Zeit begleitet.
Jurenka
00:40:20
Das ist ein Problem generell von der Heldenreise, finde ich, dass einfach alle Begriffe unglaublich groß und wichtig klingen, weil auch unsere Hauptfigur würden wir nicht unbedingt als Held bezeichnen. Also es ist eigentlich viel sinnvoller, das die Protagonistenreise zu nennen. Das wäre viel sinnvoller. Und der Mentor, das kommt ein bisschen darauf an, Mentor einfach nur im Sinne zu sehen als helfende Person, das kann auch die beste Freundin sein, die mal eine Mentorenrolle sozusagen mit einnimmt, aber nicht fortlaufend ein großer Mentor sein muss. Das kommt wirklich eher so aus dem Herr-der-Ringe-Stil, eben aus dem mythologischen Bereich. Sich einfach vorzustellen, dass es jemanden gibt, der einfach schon weiter ist im Reifeprozess als die Hauptfigur und deshalb die Figur daran teilhaben lassen kann. Aber, um das nochmal wieder schön zu verkomplizieren, es gibt auch Mentoren, die sind gleichzeitig Trickster, sprich, die ändern sich. Also, das kennt man aber. Das ist zum Beispiel der Mentor, der eigentlich ursprünglich dem Zauberlehrling, um in der Sprache zu bleiben, hilft und am Ende ihn aber deckelt, weil er nicht will, dass er größer wird als er selbst. Also plötzlich sich wandelt vom Helfenden in den, der blockiert. Auch solche Modelle kann es geben. Kennen wir alle. Also dementsprechend auch hier die Begriffe vielleicht nicht zu groß sehen. Je nachdem, welches Genre man eben schreibt, kann man das auch mal einfach mit den Begriffen nehmen, die in dem Genre vielleicht liegen.
Tamara
00:41:36
Aber ich bin sehr angetan. Ich glaube tatsächlich, was du gesagt hast und was ich auch schon mal gelesen habe, dass dieser ganze Ablauf und diese ganzen Rollen sehr intuitiv schon in einem drinstecken. Weil mir wird gerade klar, dass ich einen Mentor habe, ohne es gewusst zu haben.
Jurenka
00:41:50
Ja, super.
Tamara
00:41:52
Und da kann ich jetzt natürlich feilen.
Vera
00:41:54
Genau, ganz genau. Ich überlege jetzt gerade, ob so mein Figurenensemble... Ich habe so das Gefühl, ich habe jede Menge Mentoren und Mentorinnen.
Jurenka
00:42:01
Ja, auch möglich. Das ist nicht festgeschrieben, dass es nur eine Person sein muss.
Vera
00:42:04
Okay, das ist ja sehr erleichternd. Du hast vorhin noch einen Begriff genannt, der jetzt auch so direkt gesagt, eine Perspektivfigur. Was ist eine Perspektivfigur?
Jurenka
00:42:13
Eine Perspektivfigur ist eine Figur, aus deren oder dessen Sicht ich sozusagen schreibe. Das heißt, ich kann ja verschiedene Perspektiven einnehmen. Genau. Es reicht ja völlig, eine einzige Figur zu haben, wenn es eine Figur ist, die perspektivisch ist. Aber es gibt multiperspektivisch und dann hat man mehrere Perspektiven.
Vera
00:42:31
Naja, okay. Bei mir ist das meistens oder bisher eigentlich immer Protagonist und Perspektivfigur dasselbe. Wie gesagt, während du da so redest, rattert bei mir die ganze Zeit meine Kriminalfälle und wie würde ich das denn einordnen? Und gerade so ich denke darüber nach, welcher Figur müsste ich denn vielleicht mit Heldenreise oder mit den Methoden noch vielleicht hier und da mehr Tiefe geben? Ich muss gestehen, dass ich so beim Schreiben dann doch sehr den Fokus auf die Hauptfigur lege. Also gerade bei meinen Biene-Hagen-Krimis, die auch noch in der Ich-Perspektive geschrieben sind, da ist es ja eh die, die erzählt. Da ist es dann sowieso schwieriger, die anderen noch so reinzubringen. Bei meinen Frau Appeldorn-Krimis, da ist der Nachbar noch, aber auch die Perspektivfigur ist ja da auch dann die Hauptfigur, die Frau Appeldorn. Nichtsdestotrotz, klar, muss... Ich weiß auch nicht so, wie ich es bei dem Kriminalfall, wie ich das schaffen soll, dass ich zum Beispiel den, ich sag mal, den Mörder, der Mörderin eine Perspektive gebe. Weil, wenn ich aus der Sicht meiner Hauptfigur, also der Ermittlerfigur, erzähle, dann weiß die das ja gar nicht.
Jurenka
00:43:50
Ja, aber das ist genau das Spannende. Also, ich rate mal ganz vielen Autoren, hier nicht zu irgendwelchen Kniffen zu gehen, zu übergehen zu wollen, sondern es reicht völlig aus, aus einer Perspektive das schreiben zu wollen. Denn es ist ja so, dass ich als Leser mich in eine Figur hineinversetze und mit der das erleben möchte. Das heißt, im Endeffekt ist es genau deine Ermittlerin, mit der die Leser jetzt irgendwie, sich identifizieren, unbewusst natürlich beim Lesen passiert das, und genau diese Reise miterleben wollen, wie diese Figur diesen Fall aufklärt und am Ende kapiert, deshalb hat der Mörder das Ganze gemacht. Das ist ja genau die Reise. Also es ist eher häufig kontraproduktiv, den Mörder mit reinzubringen, weil man eventuell was vorweg nimmt. Also wenn man den Hitchcock-Effekt nutzt und man gibt dem Leser eine Information, die die Hauptfigur noch nicht hat und daraus entsteht Spannung, wie die Bombe unterm Tisch. Dieses Hitchcock-Beispiel, die Hauptfigur weiß nicht, dass es eine Bombe unterm Tisch ist, aber der Leser weiß es. Das ist extra Spannung. Dafür hat es einen Sinn und Zweck, eine Perspektive reinzubringen. Aber wenn es nur darum geht, um die Figur aufzuklären, nee, das ist Aufgabe des Autors, das durch die Hauptfigur am Ende klar werden zu lassen. Dass die Hauptfigur kapiert, so hat der Mörder getickt und im besten Fall sogar deshalb den Fall überhaupt erst aufklären kann, weil die Hauptfigur als einzige in der Lage war, das so zu durchschauen, dass sie verstanden hat, und deshalb kann ich ihn nur dort und dort finden, so ungefähr. Das ist genau dieser Moment, den wir lieben als Leser.
Vera
00:45:17
Okay, also ich muss jetzt nicht mit Gewalt noch schauen, dass ich da irgendwie, bin ich ja schon mal sehr erleichtert.
Tamara
00:45:24
Der braucht ja auch nicht unbedingt eine innere Entwicklung, würde ich mal sagen. Nein, der soll in den Knast und dann ist gut.
Jurenka
00:45:30
Genau, also was wichtig ist, ist in unserer heutigen Zeit hat sich das ja auch wirklich entwickelt, also eben seit 20, 30 Jahren, seit den 80ern hat sich das extrem gewandelt, wie Krimis geschrieben werden. Also vom klassischen Who done it, schwarz-weiß, ein Detektiv, möglichst ein ehemaliger Cop, der mit Alkoholproblemen ausgefallen ist.
Tamara
00:45:48
Klärt die Fälle.
Jurenka
00:45:49
Das ist vorbei mit Donnerleon und Wallander und wie auch immer, hat sich das entwickelt, eine Person mit Persönlichkeit reinzubringen und persönlichen Problemen, die aber auch aufgrund von ihrer Persönlichkeit auch die Fälle klärt. Das ist entscheidend. Das bedeutet aber auch andersrum, dass wir nicht mehr nur noch den schwarz gemalten Mörder haben wollen, sondern wir als Leser wollen ein Stück Psychologie vom Mörder am Ende auch erkennen und jeder Mensch, auch der böseste Mensch, hat nicht eigentlich im eigentlichen Sinne vor Böses zu tun, sondern höchstens sich selbst was Gutes zu tun. Also diese Psychologie zu verstehen, das ist nicht per se jemand, der nur böse ist, sondern jemand, der einfach nur völlig fehlgeleitet ist und versucht darüber, seine Bedürfnisse zu stillen und die Welt zu retten manchmal auch. Das ist wichtig, dass man das auch den heutigen Lesern am Ende mit zeigt, dass das die Ermittlerfigur mit entdeckt hat.
Vera
00:46:40
Ja, aber das habe ich manchmal, dann kann ich eigentlich manchmal gerade bei den binaren Krimis, wie gesagt, in der Ich-Perspektive, kann ich das eigentlich nur am Ende dann quasi, bei der Auflösung in irgendeiner Form im Gespräch oder so mitteilen, dass das klar wird.
Jurenka
00:46:56
Ja, wenn du Möglichkeiten hast, das nicht im Gespräch zu machen, ist das idealer, weil das ist so dieses es geht auch mal so, sage ich mal, aber wer findet das nicht so ein bisschen klischeehaft, wenn dann im Showdown dann noch kommt, ha ha, jetzt erzählt dann der Bösewicht seine ganzen Motivationen und alles, was er sich im Siegeszug lauft und dann kommt der finale Todesstoß vom eigentlichen Helden sozusagen und endlich ist alles aufgeklärt. Das ist so ein bisschen auch dieser gleiche Kniff so in der Form. Das ist die hohe Kunst, das ist ganz schön schwierig. Das ist wirklich echt eine Herausforderung, dass das irgendwie auf andere Art und Weise durchaus auch schon nachvollzogen werden konnte, geahnt werden konnte und dann fehlt nur noch der verbale, die verbale kurze Bestätigung vom Mörder im letzten Moment. Ja, wenn das so ist, dann ist es perfekt.
Vera
00:47:43
So meinte ich das auch. Weil während der Ermittlungsarbeit wird ja gerade, Gerade wenn, meistens ist ja der Mörder, die Mörderin, ist ja eine Figur, die am Anfang nicht im Fokus steht. Am Anfang ist sie aufgetaucht. In den letzten zehn Seiten im Mörderhaus und Mutsaubern ist auch nicht so gut. Sie ist aufgetaucht, aber nicht so im Fokus. Sie bringt sich aber durch ihr Handeln, was dann die Protagonistin mitkriegt, mehr und mehr in den Fokus. Und dadurch wird ja auch so ein bisschen die Motivation und die Dinge klar. Und irgendwann am Ende ist es dann so viel, dass du sagst, Moment mal, das könnte doch der oder die sein. Das ist ja mehr oder weniger die Entwicklung. Ja, was gibt es denn? Wir haben ja jetzt schon Protagonistin, Protagonist, wir haben Mentor, Mentorin, was von Trickser gesprochen.
Jurenka
00:48:38
Das sind die Archetypen, die du jetzt meinst, ne?
Vera
00:48:40
Also da gibt es jede Menge.
Jurenka
00:48:42
Genau. Ja, also man kann auch, also das ist jetzt auch ein bisschen zu interpretieren, wenn man die ganz archetypischen Begriffe nimmt, aber ich nehme auch gerne solche Begriffe wie bester Freund, beste Freundin, ja, das ist auch eine ganz typische Figur.
Vera
00:48:55
Die finden sie auch in den Hollywood-Filmen immer, den Sidekick Vater.
Jurenka
00:48:58
Und Mutter ist natürlich auch so ein bisschen was Klassisches, das sind eigentlich so Typen oder Figuren, die immer bestimmte Sachen einfach mitbringen, jetzt hatte ich sie gerade eben noch, mir fallen jetzt gerade, irgendwie sind sie mir gerade entfallen, aber das ist so nochmal ein ganz eigenes Thema, wo man Geliebter, Geliebte sind auch solche Sachen, das ist klar, das sind, Figuren, die man gut in die Figurenkonstellation mit einbringen kann, wo ich es immer wichtig finde, einfach drauf zu achten, dass jede Figur ein bisschen anders ist als die andere, dass die sich nicht doppeln. Und da ist es mir relativ schnurz, sag ich jetzt mal als Coach, als Trainer, aber wie auch mal für Autoren, wie man das macht. Da gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Eine Möglichkeit, sich diesen Figuren zu nähern, ist über diese Archetypen zu sagen, okay, ich gebe den archetypische Stempel und gucke, haben sie dadurch auch ein bisschen andere Funktionen. Natürlich aber auch vom Charakter her. Manche Leute arbeiten mit Horoskopen, um die weiter da zu charakterisieren oder mit Enneagrammen oder was weiß ich nicht, kann man alles Mögliche machen. Es ist nur wichtig, wir lassen immer gerne so ein richtiges Diagramm aufmalen mit den Figuren und zu gucken, wie sind die Beziehungen untereinander und dann zu schauen, doppelt sich da irgendetwas? Denn es ist immer leichter, mit weniger Figuren zu arbeiten, als mit zu vielen, sage ich jetzt mal. Und wenn die sich doppeln, dann vielleicht zusammenzustreichen oder in irgendeiner Form damit zu arbeiten.
Vera
00:50:17
Mhm. Ich habe, bei Binaren-Krimis habe ich, die hat drei gute Freundinnen. Das ist für mich eigentlich immer, eigentlich ist das für mich eine Person mit verschiedenen Facetten. Das sind so die drei Freundinnen, jeder hat so eine Stärke und je nach Szene passe ich die dann an. Also ich bin, wenn ich jetzt so Heldenreise als Konzept nehme, es ist keine Struktur, Nur, wenn ich dich so richtig verstehe, an die ich mich jetzt irgendwie halten muss. Das ist ein Set von Möglichkeiten, die ich nutzen kann.
Jurenka
00:50:55
Ja. Habe ich das richtig gesagt? Ich bin eh kein Freund von müssen. Aber es ist zumindest so, dass ich extrem dazu rate, die Heldenreise mit reinzubringen. Weil es ist einfach ein funktionierendes Modell.
Vera
00:51:08
Davon sind wir uns einig.
Jurenka
00:51:09
Gut, okay.
Vera
00:51:10
Aber was davon? Was ist denn, wo sagst du, was sind so die Grundfakten, die ich schon so einhalten sollte.
Jurenka
00:51:18
Also es ist der Entwicklungsbogen. Die wichtigsten Punkte sind wirklich, reiß die Figur raus aus dem normalen Leben, sonst hast du kein Interesse beim Leser geweckt, warum solche folgen. Gib der Figur ein wirklich wichtiges Ziel, wo der Leser nachvollziehen kann, hier steht was auf dem Spiel, wenn die Figur das nicht erreicht, damit der Leser gespannt ist. Dann schick sie in die verschiedensten Konflikte, rauf, runter, rechts, links, hoch, runter, wie auch immer und bring sie dazu, komplett gegen den Baum zu fahren, einfach in die Katastrophe reinzubringen, weil die Figur noch etwas nicht entwickelt hat in sich, um wirklich die Lösung herbeizuführen. Dann lasst die Figur sich entwickeln und dadurch die Lösung herbeiführen. Das ist das Wichtigste an der Heldenreise und das kannst du jetzt in unterschiedliche Begrifflichkeiten packen, so ungefähr.
Vera
00:52:02
Super. Also ich finde, einen besseren Showdown für unseren Podcast hätte ich dir jetzt gar nicht liefern können.
Jurenka
00:52:09
Super.
Tamara
00:52:09
Ich habe jetzt ganz viel zu arbeiten. Deine Zeit ist weg. Ich verlege jetzt gerade.
Vera
00:52:14
Wo in der letzten Dreiviertelstunde die Katastrophe war. Kommt sie jetzt noch? Ja, womöglich, weil jetzt kommen nämlich die drei knallharten Buchbubble-Fragen von Tamara.
Tamara
00:52:30
Genau, nachdem du eben schon so emotionsreich die Geschichte von Vivien erzählt hast. Welches Buch hat dich denn in letzter Zeit Tränen, Weinen oder Lachen lassen?
Jurenka
00:52:39
Ja, also ich lese gerade vor allen Dingen wieder viele Fachbücher oder Sachbücher, Ratgeberarbeiten.
Tamara
00:52:44
Das ist auch zum Beihänden manchmal.
Jurenka
00:52:46
Ja, oder auch zum Lachen, je nachdem. Aber als Roman ist es die Kinder von Blanc-Malon von Bettina Storks. Das ist ein Spiel-Bestseller gewesen von einer unserer Kundinnen. Und das ist so ergreifend, wie sie das aus der Zweiten Weltkriegszeit, die Geschichte eben schildert von einem Mädchen. Das ist immer wieder, uff. Und sie hat zwei Zeitebenen drin, eben auf den 50er-Jahren und dann eben die weiter historisch noch liegende. Und das ist unglaublich, unglaublich gut gemacht und ist eben, wie gesagt, auch ein Spiegel-Bestseller geworden. Das ist wirklich unglaublich. Gruselig, schön.
Vera
00:53:18
Schön, klingt spannend.
Tamara
00:53:21
Und welche Begegnung in der Buchbubble war denn für dich ganz besonders inspirierend?
Jurenka
00:53:25
Das ist ganz klar Elizabeth George. Oh Gott, ich habe sie interviewen dürfen. Und ja, das ist ganz großartig. Ich habe ja mit einigen Bestseller-Autoren sprechen dürfen für die Online-Autormesse und Elizabeth George habe ich eben auch interviewen dürfen. Und das ist wirklich für mich eine unglaublich wichtige Autorin gewesen. Die hat ja selber einen Ratgeber rausgebracht, den ich damals vor vielen, vielen Jahren extrem intensiv studiert habe und daran ganz viel auch für mich ausgearbeitet habe. Damals hieß das noch mein Romanfahrplan und mein Romanarbeitsbuch in dem Sinne und daraus ist der Romanfahrplan entstanden, den wir tatsächlich auch heute benutzen. Das heißt, sie ist ein Stück weit auch der Initiator für ganz viele Dinge. Ich habe ja auch literarisch reibend studiert, aber sie ist wirklich der Auslöser für ganz viele Dinge gewesen, die ich endlich kapiert habe, handwerklich und dann wirklich umgesetzt habe. Und als ich die dann getroffen habe und mit ihr wirklich drüber reden konnte und gesehen habe, ja, sie lebt das bis heute noch. Das ist in ihren heutigen Büchern immer noch. Es war so ein Andocken und das war so cool und die ist so nett und einfach so, das ist eine ganz tolle Frau.
Vera
00:54:31
Ja doch, das kann ich mir gut vorstellen. Also, ihr seid ja mit Georgia, oder? Hätte ich auch gerne mitgeredet. Kann sich nicht mal für unseren Podcast anwerben.
Tamara
00:54:42
Ja, schnell weiter. Die letzte Frage. Welches Klischee möchtest du denn nie wieder in ein Buch lesen?
Jurenka
00:54:49
Das ist so indirekt Klischee, aber was ich hasse wie die Pest ist, wenn es Sexszenen gibt, ohne dass die Kondomfrage geklärt ist. Passt das gut genug rein in die Klischee-Frage?
Vera
00:54:58
Ja, absolut.
Tamara
00:54:58
Das regt mich so auf.
Jurenka
00:55:01
Das holt mich komplett raus. Man will da so genießerisch reingehen und dann so ja und äh, wurde es einmal irgendwie, nein, Magie oder wie. Ja, genau.
Tamara
00:55:12
Sehr schön. Das hatten wir noch nicht.
Vera
00:55:14
Nee, das ist gut. Sehr gut. Ja, liebe Jürgen Henke, das hat uns sehr zum Denken, angeregt und ich werde jetzt nochmal meine Geschichten genau überprüfen und sehen, wo ich da aus den Elementen der Heldenreise nicht noch etwas dran verbessern kann und ob das zu dem 12-Stufen-Plan einigermaßen passt. Du hast ja gesagt, da ist ja tief in der Psyche drin, also von daher bin ich guter Hoffnung, dass ich den Teil aus meiner Psyche da gut eingepackt habe. Ja, an euch da draußen, ihr Lieben, ich hoffe, diese Version der Heldenreise hat euch, weitergeführt und schreibt uns gerne mal, so gebt uns unser Feedback, welche Methoden ihr nutzt, ob ihr Heldenreise nutzt, wie sehr es hilft oder eben nicht. Das würde uns sehr interessieren. Wir wollen ja immer weiterkommen. Ja, nochmal vielen Dank, liebe Jorenka. Danke euch. Und an euch da draußen, folgt uns, wo immer ihr könnt, empfehlt uns und bleibt uns gewogen. Bis dann, tschüss.
Tamara
00:56:12
Tschüss.