Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

DZVDT #229 - Recherchieren mit Leidenschaft: Marie Sand schreibt Romane über reale Personen

Unberühmte Frauen, die Großes leisten – 'leise Heldinnen', wie sie sie nennt – das sind die Menschen, die Autorin Marie Sand sich zum Vorbild für ihre Romanfiguren nimmt.

29.08.2024 60 min Staffel 5 Episode 229

Zusammenfassung & Show Notes

Unberühmte Frauen, die Großes leisten – 'leise Heldinnen', wie sie sie nennt – das sind die Menschen, die Autorin Marie Sand sich zum Vorbild für ihre Romanfiguren nimmt:
Eine Haarstylistin, die Krebskranken ihre Schönheit zeigt. Eine Hebamme, die sich der Babyklappenkinder annimmt. Und die deutsche Köchin, die während des Nazi-Regimes jüdische Kinder rettet.

Um wahre Begebenheit und Fiktion zu einem fesselnden biografische Roman zu verweben, recherchiert Marie mit viel Aufwand und Passion, legt all ihr Herzblut in die Details ihrer Geschichten und entdeckt dabei spannende Welten, die sonst verborgen geblieben wären.

Im Gespräch mit Vera und Tamara erzählt sie mit mitreißender Begeisterung von ihrer Arbeit – wie sie recherchiert, plottet und ihren Autorinnenalltag neben einem kreativen Brotjob organisiert.

Links

Buchwerbung:
'Keine Lady für den Ballsaal (Regency Roses)' von Dana Graham
https://danagraham.de/romantisch/regency-roses-keine-lady-fuer-den-ballsaal/

Unser Gast:
https://www.instagram.com/mariesand_autorin/
https://www.mariesand.de/

Maries Buchtipp:
'Der Markisenmann' von Jan Weiler
https://www.amazon.de/Audible-Der-Markisenmann/dp/B09TFCLZ2C/

Veras und Tamaras Auftritte:
04.09.2024: Musiklesung mit Tamara in St. Wendel (Saar): https://www.wndn.de/ein-fruehstueckstreff-fuer-frauen-in-hoof/
29.09.2024: Kabarett "Frau-sein ist auch keine Lösung" im Bürgerhaus Stollwerck, Köln: https://www.eventim.de/noapp/event/18533446/

Möchtest du, dass wir dein Buch in unserem Podcast vorstellen? Kein Problem! Sende uns ein kurzes E-Mail an alle@zweivondertalkstelle.de und wir senden dir die Details. Vielleicht erzählen wir unseren Hörerinnen und Hörern schon in der nächsten Episode von deinem Buch.

Welche Themen oder Gäste wünschst du dir bei uns? Sag es uns gleich hier: https://forms.gle/PBJRCrZPsuLBv88x9

Vielen Dank, dass du unsere Show hörst. Hast du sie schon abonniert? Bitte gib uns auch eine Bewertung, wo immer du uns hörst. Seit Neuestem geht dies auch bei Spotify.

Abonniere unseren Buchbubble-Bulletin unter http://eepurl.com/hoJYfD

Folge uns:
Facebook https://www.facebook.com/dzvdt
Instagram https://www.instagram.com/dzvdt/

Create your podcast today! #madeonzencastr

Transkript

Vera
00:00:00
Hier ist Folge 229 von die 200 Talkstelle und wir haben Marie Sand zu Gast. Sie schreibt Romane, die auf realen Personengeschichten basieren. Ihr neuer Roman und morgen wieder schön geht es um die Berliner Friseurin Elisa. Und wir haben nachgefragt, wie sie ihre Projekte angeht.
Tamara
00:00:20
Marie schreibt über ganz besondere Frauen, über Frauen, die, wie es so schön auf ihren Covern steht, heimliche Heldinnen sind. Und Marie ist so begeistert von diesen Geschichten, von der Recherche, vom Schreiben, dass sie absolut ansteckend ist. Hör auf jeden Fall rein. Die Zwei, Hier ist Folge 229 von Die Zwei von der Talkstelle und ich blicke in ein mir zwar vertrautes Gesicht, aber in einer ganz neuen Umgebung. Die liebe Vera Nendwig sitzt nämlich gerade auf Fuerto Ventura und ich finde das überhaupt keine Unverschämtheit.
Vera
00:01:15
Also hallo erst mal. Nein, ne? Also ich finde das jetzt völlig okay, dass ich hier sitze. Und sollte es rauschen, dann ist das tatsächlich das Meeresrauschen, weil wenn ich hier so auf mein Fenster gucke, blicke ich direkt aufs Meer. Und ja, lass es mir gerade gut gehen und musste heute Morgen beim Frühstück auch erst nochmal fragen, welcher Wochentag überhaupt ist.
Tamara
00:01:43
Das sind die besten Urlaube.
Vera
00:01:45
Ich bin im Urlaub angekommen, würde ich sagen.
Tamara
00:01:49
Ja, um die Vorstellung noch abzuschließen, ich schiebe noch kurz hinterher. Ich bin wie immer Tamara Leonhardt und du siehst ein bisschen sonnenbrandig aus, aber zufrieden.
Vera
00:02:02
Ja, also gerötet, aber das sagt sich aus. Ich bin ja eh so sonnenempfindlich, muss ja Sonne nur laut aussprechen, dann bin ich schon verbrannt. Ich halte mich auch hauptsächlich im Schatten aus. Und obwohl ich hier quasi auf den Strand hüpfen kann, war ich noch nicht einmal am Strand.
Tamara
00:02:22
Ja, Mensch.
Vera
00:02:23
Ja, ich muss gestehen, ich mag es auf den Strand gucken, aber drauf rumlaufen mag ich eigentlich nicht.
Tamara
00:02:28
Okay.
Vera
00:02:29
Da hat man den Sand überall und tritt auf spitze Muscheln. Aber es ist doch schön.
Tamara
00:02:34
So durch seichte Wasser zu spazieren.
Vera
00:02:38
Ich bin mehr so poolbar, Mensch, wo es Lachemachia so gibt.
Tamara
00:02:43
Ja, und ich habe gesehen, ihr habt auch tolle Abendsveranstaltungen mit schönen Shows.
Vera
00:02:49
Genau, ich bin ja hier so ein Club und das Wichtige ist, dass man immer Leute kennt. Gerade jetzt habe ich schon erste Bekannte, die jetzt abreisen, verabschiedet. Ich kann jetzt leider nicht winken, wenn sie vom Bus abgeholt werden wegen unserer Aufzeichnung. Und das finde ich immer das Schöne, dass man Leute kennenlernt und dadurch auch sich eigentlich auch immer mal wieder Kontakte ergeben, die dann auch über den Urlaub hinaus bestehen bleiben und das mag ich sehr. Gerade so, wenn man so allein unterwegs ist, ja, sehr schön. Ansonsten lasse ich es mir hier gut gehen, habe jetzt hier mein letztes Buchprojekt quasi abgeschlossen, E-Book-Formatiert und gestern alles in Druck gegeben und Newsletter komponiert, der heute versendet wurde. Und das erste Konzept für den nächsten Frau Appeldorn ein bisschen.
Tamara
00:03:44
Eieiei, du bist ja fleißiger als ich im Nichturlaub.
Vera
00:03:50
Ja, das sind immer so. Aber wenn ich so morgens, also der Rhythmus ist, irgendwann aufstehen, was bei mir doch relativ spät ist. Man kann bis 11 Uhr frühstücken. Also meistens bin ich dann so kurz vor 10 am Frühstücken und vom Frühstück wird sich an die Poolbar umgebettet da gibt es nämlich den besseren Latte Macchiato da sitze ich erstmal nett je nachdem trifft man da schon drei Leute oder ich sitze einfach und habe dann meinen Rechner schon dabei und brösel so weit rum, und dann irgendwann schlafe ich zurück in meinen Bungalow und dann gelegen vielleicht so gegen halb zwei, im kleinen Salät schon zum Mittagessen zu nehmen und dann geht es wieder an die Poolbar.
Tamara
00:04:37
Also um es kurz zu machen, das ist ganz, ganz schrecklich da, wo du bist.
Vera
00:04:41
Ja, das ist total schrecklich.
Tamara
00:04:43
Unerträglich, du tust mir sehr leid.
Vera
00:04:45
Ja, ja. Aber ich muss sagen, ich habe wirklich schon faszinierende Leute kennengelernt. Am ersten Abend eine junge Frau, die ist Bundeswehrsoldatin bei den Gebirgsjägern hier, ich kann, ist gerade auch abgereist oder reißt jetzt ab gerade, da wo ich nicht winken kann. Und das ist total faszinierend. Eine 20-jährige Frau, die sich jetzt für die Bundeswehr entschieden hat, so das erste Jahr bei der Bundeswehr ist, hat vorher Skispringen und nordische Kombinationen gemacht.
Tamara
00:05:15
Wow.
Vera
00:05:15
Und wenn du die so sehen würdest, wie so auf seinem Instagram Kanal, also da hättest du alles gedacht, auch keine Bundeswehrsoldatin.
Tamara
00:05:24
Okay.
Vera
00:05:25
Also wirklich absolut faszinierend, total nett. nett, wir haben uns auch total nett unterhalten und folgen uns natürlich jetzt auch auf Instagram und weil ich das total faszinierend finde, was ihr da macht. Und gestern dann kam, wir haben hier, gibt es immer so einen Connect Friends Tisch, wo sich die Alleinreisenden treffen und dann gestern kam eine junge Frau, die ist Chirurgin, jetzt Anstellung an der Klinik und das finde ich total faszinierend. Tolle junge junge Frauen, die man hier so kennenlernt. Ich meine, der übliche 50-jährige, alleinreisende Mann, der zeigen muss, wie toll er ist, der ist auch immer da.
Tamara
00:06:11
Das bleibt nicht aus.
Vera
00:06:13
Jedes Jahr, da haben wir noch, gestern kam dann auch zu meiner Überraschung eine Bekannte an, die ich letztes Jahr hier schon kennengelernt hatte. Und da haben wir natürlich nachher dann beim spanischen Abend beim Gin Tonic auch gedacht, Ich dachte, jedes Jahr einen Sonnenkerl hat man immer dabei. Letztes Jahr hatten wir einen, der hat seine eigene Kaffeemaschine mitgebracht, weil ihm der Kaffee hier nicht schmeckt.
Tamara
00:06:36
Okay, klar.
Vera
00:06:38
Du kriegst ja hier beim Essen, wenn es ja sowieso in der Kurve ist, dann kriegst du halt so Tafelwein und so. Der ist okay, das ist kein Spitzenwein, aber ist okay. Der muss sich natürlich dann die Spezialflasche Wein bestellen und kommen lassen. Muss natürlich jeder kosten und sagen, wie toll der Wein ist.
Tamara
00:06:58
Liebenswert. Ja, super.
Vera
00:07:02
Heute Morgen hatte ich mich beim Frühstück bei so einem Pärchen an den Tisch gesetzt und wir unterhielten uns so und sagten, ja, gestern saßen sie neben dem Connect Friends Tisch. Sie hätten überlegt, sich da auch hinzusetzen. Aber da war ja so ein Urteilehrer. Ich war ja und ich saß da. Ja, also, aber nein, es ist, Es ist sehr erholsam, wie gesagt, ich habe ja auch den großen Plan, keinen Plan zu haben und mir nichts vorzunehmen und ich mache auch kein Sportprogramm, wo man natürlich rund um die Uhr wirklich Sport machen kann. Ich lasse es mir einfach nur gut gehen und entspanne und mache so ein bisschen Pläne und was die Schreibprojekte angeht. Und so habe ich auch meine letzten beiden Ausgaben des Social-Media-Redaktionsplans verbuddelt. Eigentlich wollte ich gestern eine Szene aus einem Buch vortragen und posten. Dann habe ich kurz hier alles aufgebaut, habe gedacht, ob das so geht, mit mehr Blick und mehr Rauschen. Aber das war nicht so richtig gut.
Tamara
00:08:13
Okay.
Vera
00:08:15
Dann mal nicht.
Tamara
00:08:16
Nicht so tragisch.
Vera
00:08:18
Wenn ich jetzt nicht reich und berühmt werde, liegt es daran.
Tamara
00:08:21
Auf jeden Fall. Ja, so viel Spannendes habe ich nicht zu erzählen. Ich bin eigentlich gerade mal wieder fleißig am Proben. Nächste Woche habe ich ja die Musiklesung. Ich hatte das schon mal kurz angeteasert, dass ich da angefragt wurde. Das ist jetzt am 4. September in Hof. Das ist ein Ortsteil von Sankt Wendel im Saarland. Und da darf ich das Kulturprogramm beim Frühstück der 33. Frauenkulturtage gestalten.
Vera
00:08:52
Ja, hab's gelesen.
Tamara
00:08:53
Genau. Und freue mich da sehr drauf. Wir haben jetzt die Setlist der Lieder endgültig festgezurrt, gezurrt, weil ich mich das so ein bisschen angepasst habe, weil ein etwas älteres Publikum wohl erwartet wird, und sind uns jetzt aber soweit einig, treffen uns noch einmal, um das durchzugehen und dann wird das werden und ja, wird bestimmt ein netter Morgen.
Vera
00:09:14
Ja, ich habe gelesen, super, cool. Also von daher, schauen wir mal, ich habe ja noch ein paar Tage und dann hoffe ich, dass dann alles in Schwung ist.
Tamara
00:09:26
Ja, und dann kommst du ganz erholt zurück und stürzt sich in das nächste Projekt.
Vera
00:09:31
Ja, wie gesagt, ich habe vor, jetzt mal noch ein bisschen den Anfang zu machen, die nächsten Tage hier. Arbeitstitel Frau Appeldorn und der tote Kapitän. Und mal sehen, wie weit ich da einen Grundstock legen kann. Und dann geht es ja los, dann Buchstart am 27. September und Kartenvorverkauf für die große Buchstart-Pacht, die am 6. November ist ja auch schon gestartet. Da muss ich jetzt die Presseinfo noch machen. Heute ist der Newsletter dafür rausgegangen. Ja, am 29. September in Köln. Ein großer Auftritt, da bin ich auch noch sehr gespannt.
Tamara
00:10:06
Da wäre ich ja total gerne gekommen, aber da werde ich in Berlin weilen.
Vera
00:10:11
Oh, ja, auch nicht.
Tamara
00:10:12
Und den Impulsvortrag der VfLL-Versammlung zusammen mit Hans-Peter Röntgen halten. Und genau, dann auch noch ein bisschen mich in Berlin mal wieder umschauen.
Vera
00:10:24
Ja, das ist auch immer schön. Ja, wobei Berlin, die Hauptfigur im Roman unseres heutigen Gastes, ist ja aus Berlin.
Tamara
00:10:34
Da habe ich ja auch einen perfekten Übergang geschaffen.
Vera
00:10:40
Ja, und da freuen wir uns sehr auf unseren heutigen Gast und lassen uns mal erzählen, wie sie da so drauf gekommen ist.
Tamara
00:10:46
Jawohl.
Vera
00:10:47
Heute haben wir nämlich eine Autorin zu Gast, die sich gerne reale Personen, reale Geschichten als Basis für ihre Werke nimmt. Und das hat uns besonders interessiert. Und ihr neuer Roman »Und morgen wieder schön« erscheint nächste Woche. Woche auch wieder um eine Person des realen Lebens und wer das genau ist und warum sie das macht, das wollen wir heute wissen von Marie Sand. Guten Morgen, Marie.
Marie
00:11:14
Hallo Vera, hallo Tamara. Es freut mich sehr, euch hier zu hören und wir sehen uns ja sogar.
Vera
00:11:20
Genau, ja.
Marie
00:11:21
Schön.
Vera
00:11:21
Ja, liebe Marie, als wir so Kontakt bekommen haben und ich mir das so angeschaut habe, was du machst, habe ich weggedacht, da muss ich mal ein bisschen weiter nachfragen. Du hast ja so als Thema deiner Werke, wenn ich das so richtig sehe, sind immer irgendwelche realen Personen, realen Geschichten, die du als Basis nimmst. Wie suchst du diese Themen aus?
Marie
00:11:48
Ich glaube, die suche ich nicht aus. Sie kommen zu mir. Das ist wirklich inspiriert vom wahren Leben. Und es sind tatsächlich Frauen, die in ihrer eigentlich kleinen Welt was erreicht haben, was nachher fortwirkt und die Welt auch ein bisschen besser macht. Die sind alle sehr bescheiden, die wollen gar nicht so den Applaus, die wollen die Sache gut machen, für die sie ihre Leidenschaft empfinden, für die sie brennen und darum geht es. Eigentlich ist das Ego klein und das, was sie bewirken, groß.
Tamara
00:12:28
Vielleicht kannst du gerade für unsere ZuhörerInnen einmal kurz zum Beispiel jetzt den neuen Roman anreißen, was das für eine Frau ist, was dich da so inspiriert hat und warum du diese Geschichte erzählen musstest.
Marie
00:12:42
Die Frau lebt leider nicht mehr, die meine Protagonistin oder das Vorbild für meine Protagonistin war. Es ist ja ein Roman, der eine wahre Geschichte erzählt, aber verwebt ist mit meiner Fiktion. Und ich glaube, so sollten biografische Romane auch sein, um als Schriftstellerin die Freiheit zu haben, die ich auch beim Schreiben brauche. Sonst wäre es ja auch eine Biografie, es ist ja ein biografischer Roman. Ich habe sie vor mehr als 20 Jahren kennengelernt und habe die Zeit, in der der Roman spielt, in eine etwas frühere Zeit gemacht, weil ich wollte sie mit Karl Lagerfeld zusammenbringen. Und da musste ich dann Ende der 60er Jahre einsetzen. Es ist eine sehr bemerkenswerte Frau, die viel, viel Talent hatte. Die hat in New York, in Zürich, in Paris, in Berlin gearbeitet und hätte wirklich so eine Weltkarriere hinlegen können. Hat große Models und in der Modeszene, in der Künstlerszene damals frisiert und geschminkt und begleitet. Und hat aber hier in Berlin ihren kleinen Laden offen gehalten für Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind und die dann unter der Chemotherapie die Haare verloren haben. Und dieser Schmerz, der das für die Frauen bedeutete, der ist ihr sehr nah gegangen und den wollte sie auffangen. Hatte so ein Konzept erarbeitet und das fand ich ziemlich klasse, wie sie das gemacht hat.
Vera
00:14:19
Sag nochmal ihren Namen.
Marie
00:14:21
Das war Elisa Leimbach, da ist auch viel berichtet worden.
Vera
00:14:24
Genau, da habe ich auch Berichte übergelesen und so weiter. Jetzt hast du ja gerade schon gesagt, das sind ja oft Frauen, auch jetzt bei den anderen Romanen, die gar nicht so im Vordergrund stehen wollen. Jetzt hast du gerade gesagt, du hast Elisa Leimbach persönlich kennengelernt. War das bei den anderen Geschichten, die spielen ja auch älter, da muss man ja schon so ein bisschen nachsuchen nach diesen Geschichten, oder?
Marie
00:14:50
Naja, die erste Geschichte, das war meine Oma. Da kam dann natürlich eine sehr lange Recherchephase und mit Gesprächen. Und das zweite Buch, das wurde tatsächlich von der Hebamme meiner zweiten kleinen und 20-jährigen Tochter initiiert. und da habe ich mit verschiedenen Hebammen gesprochen. Also die Figur ist entstanden aus vielen verschiedenen Hebammen, die zu dieser Zeit lebten.
Vera
00:15:21
Also doch, die fliegen sich tatsächlich an, die Geschichten. Das finde ich auch schon mal. Ich meine, es begegnen einem ja viele interessante Menschen. Ich habe das im Vorgespräch gerade gesagt, dass ich jetzt hier total faszinierende junge Frauen kennengelernt habe, eine Bundeswehrsoldatin, eine beginnende Chirurgin. Und hast du da so ein besonders, bist du da besonders sensibel, hörst du besonders zu, um solche Geschichten aufzufangen?
Marie
00:15:48
Ja, ich glaube, das ist eine Voraussetzung, zuzuhören und Potenzial an Kreativität zu haben, um das dann zu verbinden und daraus auch das überhaupt in eine Prosa zu packen. Und es kann auch sein, dass es ins Leere läuft, dass der Plot sich nicht bis zum Ende erstellen lässt. Dann lege ich die Geschichte erst noch mal zur Seite.
Tamara
00:16:11
Das heißt, du hast schon Manuskripte angefangen um bestimmte Personen und hast gemerkt, das ist nicht der richtige Stoff?
Marie
00:16:21
Es ist vielleicht der richtige Stoff, aber mir fehlt in der Prosa ein Stück, das es irgendwann aufklärt, dass es genügend Wendepunkte gibt, um den Spannungsbogen zu erzeugen und ein Ende, das mir persönlich gefällt. Und da gibt es so bestimmte Schritte, die ich im Plot gehe und wenn da so eine Facette fehlt, lege ich es erstmal zur Seite. Dann kann es sein, dass die Idee da später kommt. Also bei Elisa hatte ich, ich kannte ja nun die Geschichten, habe auch die onkopsychologischen Sitzungen hin und wieder mit begleitet und habe die betroffenen Frauen auch reden und erzählen hören. Und da dachte ich, ich will kein Buch nur über Krebs und Haarverlust schreiben, sondern irgendwann kam mir die Idee, über Schönheit zu schreiben. Was ist Schönheit? Und da ist es natürlich ganz naheliegend, erst mal in der Mode und mit dem Schmuck und den Frisuren überhaupt im Äußeren einzufangen oder in der Kunst die Schönheit zu suchen. Und da bot der Louvre sich an. Also Paris war einfach da mein Ort, an dem ich starten wollte. Da kam eben die Idee, weil ich so ein Fan von Karl Lagerfeld und seiner losen Klappe war, mit dem anzufangen und der sollte eine Nebenrolle in meinem Buch bekommen. Und deswegen spielte das dann in dieser Zeit. Also meine Protagonistin hat im wahren Leben Karl Lagerfeld vermutlich, weiß es nicht, nie gesehen. Aber für mich hat er eine tragende Nebenrolle im Roman.
Tamara
00:17:55
Wie ist das denn? Bist du da auch mit Familie, mit Hinterbliebenen im Kontakt, um vielleicht solche Sachen auch abzusprechen? Sprechen, weil ja ein Stück weit wird dann eine reale Person verfremdet, sage ich jetzt mal, oder sagst du, das kann ich alles so für mich entscheiden, weil es meine Geschichte letzten Endes ist?
Marie
00:18:15
Ja, das müsste ich tatsächlich, wenn es eine Biografie wäre, aber im Roman ist das meine Freiheit, meine künstlerische Freiheit, das auszuschöpfen. Ich kannte sie nun sehr gut und kannte alle die Die Geschichten, die ich darin verwebt habe, in Berlin, in ihrem kleinen Laden, die sind auch tatsächlich so geschehen.
Vera
00:18:36
Aber ist das nicht trotzdem immer so eine Entscheidung? Also ich habe auch mal einen Roman geschrieben, der so ein bisschen biografisch inspiriert ist. Und ich fand es immer total schwierig zu entscheiden, ist das jetzt eine Stelle, wo ich besser die Realität verlasse und fiktiv werde? Oder sollte ich mich zwingen, an der Realität zu bleiben?
Marie
00:19:01
Ja, das ist wirklich eine Entscheidung, die die Autorin, der Autor dann fällt. In meinem ersten Roman, Ein Kind namens Hoffnung, tritt zum Beispiel Helene Bechstein auf und die verrät meine Sarah, die jüdische Pianistin, an Hitler. Und das kann man ja ganz leicht recherchieren. Sie, die Helene Bechstein, die ungeliebte Schwiegertochter von Karl Bechstein, die hat tatsächlich Hitler unterstützt und die lasse ich da auftreten als Verräterin. Und sie war natürlich nicht in diesem Haus, ist mir nicht bekannt. Aber die Tatsache, dass sie wirklich eine absolute Hitlerförderin war, die habe ich dann dazu genutzt. Und sie hat ihm zum Beispiel auch diesen Kosenamen Wölfchen gegeben. Also da gehen ganz viele Recherchearbeiten voraus und die dürfen dann in einen Romanzusammenhang gestellt werden, aber sollten auf einer wahren Grundlage beruhen.
Vera
00:20:02
Warst du nicht trotzdem Angst, dass mal irgendjemand sagt, wir haben jetzt die Figur?
Marie
00:20:06
Nee, die hat das so furchtbar unterstützt, also so furchtbar und war so uneinsichtig. Nee, da habe ich keine Angst. Ich habe über Bechstein mal geschrieben, als die diesen wunderbaren Flügel Louis Quartons rausgebracht haben. Da war ich an der Redaktion mit beteiligt und daher kenne ich diese Geschichte. Und die war in der Familie sehr, sehr unbeliebt und hat dieser Familie sehr geschadet. Und das macht aber einen biografischen Roman spannend, genau wie du gesagt hast. Wo ist die Gratwanderung? Aber die Wahrheit in ihrer Grundlage, die muss natürlich gegeben sein.
Tamara
00:20:52
Sind das Fragen, die oft an dich herangetragen werden? So, was ist denn jetzt davon wirklich passiert und was nicht? Oder löst du es vielleicht sogar irgendwo auf?
Marie
00:21:02
Das ist eine gute Frage, denn das Seltsame ist, oft wird gedacht, das hast du dir ausgedacht und dabei hat das das wahre Leben geschrieben. Und deswegen ist wirklich so, meine Maxime, die ganz berührenden und tiefgreifenden Geschichten, die bietet das Leben, die kann man sich manchmal gar nicht so ausdenken.
Vera
00:21:23
Also das ist auch eine Erfahrung, die ich gemacht habe. Wenn ich mal irgendwie eine reale Erfahrung in meinen heiteren Krimi einflechte, dann sind das die Szenen, wo Menschen schreiben, die ist ja jetzt total unwahrscheinlich. Und das ist dann die einzige reale Schäle. Und das ist ja so ein bisschen...
Marie
00:21:41
Ja, so war das dann in dem ersten Roman, Ein Kind namens Hoffnung, diese ganzen langen Jahre, die sie auch versteckt auf dem Bauernhof waren. Wie kann man denn so leben und wie kann man sich das ausdenken? Und das stimmt alles, genau so war es. Und das ist auch so der Beweis dafür. Und deswegen, glaube ich, ist es ganz wichtig, mit offenen Ohren und Augen durch diese Welt zu gehen als Autorin.
Tamara
00:22:16
Du hast vorhin gesagt, dass dem sehr viel Recherche vorangeht. Wie kann ich mir das vorstellen? Also du recherchierst natürlich zum einen, was eben wirklich passiert ist im Leben der jeweiligen Frau und, denke ich mal, recherchiere es dann drumherum. Was könnte ich für Personen einweben? Wie organisierst du dich da? Ich stelle mir gerade vor, wie in diesen FBI-Filmen hier, dass du jede Menge Bilder an der Wand hast und Verbindungslinien. Oder wie sieht das bei dir aus?
Marie
00:22:47
Ja, ja, so ist es auch. Ich war im Künstlerbedarf-Geschäft und habe mir ein ganz großes Format, eine Grundlage, eine gerahmte Grundlage gekauft. Und da pinne ich dann wirklich Fotos und Notizen an. Und morgen wieder schön kam ich mit einem Format nicht aus und habe mir auch noch ein zweites gemacht. Weil ich auch so viel im Leben von Karl Lagerfeld recherchiert habe. Dann gibt es diese Tango-Tänzerinnen an der Seen, die wirklich damals getanzt haben für Geld. Und habe dann gedacht, jetzt muss ich aber auch sehr Tango-affin werden und habe dann die weltbesten Tango-Tänzer, die in Buenos Aires leben, interviewt und gefragt und mir den Tango erklären lassen, Nicole Nau und Luis Ferreira. Und dann war ich ganz fasziniert vom Tango. Also ich bin dann auch so entzündet für all diese Tänzer.
Tamara
00:23:40
Wie schön.
Marie
00:23:42
Ja, ich lebe dann mit den Figuren, die gehören in dieser Zeit zu mir.
Tamara
00:23:48
Läufst du dann auf Gefahr, dass du dich vielleicht in der Recherche verzettelst oder hast du das schon noch im Griff oder ist es dir einfach egal, wenn du dich verrennst?
Marie
00:23:57
Ich glaube sogar, also der Plot, denke ich, der ist jetzt wasserdicht und ich verrenne mich trotzdem. Und da kommt dann auch hin und wieder eine Figur dazu, das ist wirklich so und die bleibt dann. Da denke ich, boah, das ist total interessant. Das war jetzt in meinem Roman der tunesische Imbissbesitzer von der Petit Bar und der war so toll und der wurde meine Figur und das ist bisher in jedem Roman passiert. Die gab es nicht im Figuren-Sortiment, das ich mir entworfen habe, fanden in keinem Psychogramm irgendwie statt, aber die waren da und wenn man das Verrennen nennt, ja, dann verrenne ich mich.
Tamara
00:24:43
Aber so entdeckt man schöne neue Orte.
Marie
00:24:46
Ja, das ist dann so.
Vera
00:24:50
Mir liegen gleich mehrere Fragen auf der Zunge. Ich muss jetzt ein bisschen sortieren. Um jetzt mal ganz pragmatisch zu beginnen. Wie lange dauert dann so eine Recherchephase für so ein Roman?
Marie
00:25:04
Anderthalb Jahre und anderthalb Jahre schreiben. Das ist ungefähr die Waage. Ja, in dem neuen Buch und Morgen wieder schön hatte ich vorher all das. Also Elisa kam irgendwann zu mir und sagte, schreib mir das mal alles auf. Und dann sage ich, warum? Und dann sagt sie, das will ich in meinem Nachttisch haben. Das darf nicht vergessen werden, das muss doch bleiben. Und von daher hatte ich da natürlich ein Fundus, diese Geschichten nicht vergessen und konnte da nachblättern. Das war sehr gut.
Vera
00:25:42
Wobei, wenn ich jetzt so die Veröffentlichungsdaten deiner Romane, die sind dann jedes Jahr einer rausgekommen.
Marie
00:25:47
Die letzten drei. Das läuft aber parallel. Das geht, ja? Ja, das geht. Bei Elisa waren es wirklich so 20 Jahre dieser Freundschaft, die ich mich so damit beschäftigt habe. Und dann kamen eben diese anderthalb Jahre Paris und Tango und Mode und Haute Couture dazu. Da hätte ich am liebsten mal gerne bei Chloé eingekauft.
Vera
00:26:14
Aber wie schaffst du das denn? Ich meine, wir müssen ja jede Woche uns auch den einen oder anderen Podcast-Gast oder Gästin einladen. Und wir wissen, dass es bei manchem Wunschgast extrem schwierig ist, da überhaupt mal dran zu kommen. Jetzt sind wir ja auch nicht so berühmt. Uns kennen sie ja auch nicht. Wie schaffst du das?
Marie
00:26:35
Ich könnte euch aber.
Vera
00:26:36
Ja, guck mal, schön. Nach viereinhalb Jahren haben wir das schon mal geschafft. Wenn du jetzt dann irgendwelche Tango-Tänzer in Argentinien, Tango-Stars, wie kommst du an die Leute überhaupt ran?
Marie
00:26:53
Also die waren hier in Deutschland auf Tournee. Da bin ich dann hingegangen. Vorher haben wir gesumt. Also da bin ich sehr gut vernetzt. Ich könnte jetzt einen Experten nennen, so auf Zugriff, den ich dann...
Vera
00:27:08
Da wird man im Nachgang nochmal reden, damit wir die nächsten 20 Folgen vergessen.
Marie
00:27:13
Ja.
Vera
00:27:13
Da müssen wir uns mal kurz lesen.
Marie
00:27:17
Man sagt ja auch, also ich glaube, das ist sogar wissenschaftlich bewiesen, dass jeder über sechs Ecken denjenigen erreichen kann, den er erreichen will. Das geht bis zum Präsidenten von Amerika. Es geht einfach. Ich habe das mal...
Vera
00:27:31
Na, das stimmt. Das ist doch die Kevin Bacon Theorie, ist das, dass jeder über sechs Stationen mit Kevin Bacon bekannt ist.
Marie
00:27:39
Ja, Gladwell hat das auch wissenschaftlich damals untersucht, genau.
Vera
00:27:43
Wobei, da kann ich jetzt hier hier aus der Urlaubssituation Geschichte erzählen. Ich saß am ersten Abend Connect Friends Tisch, wo sich die Alleinreisenden treffen. Sie saß völlig alleine, war noch so die Ende der Ferienzeit, kaum Alleinreisende. Dachte, das geht ja schon gut los. Und irgendwann kam dann eine einzelne Frau. Wir haben uns natürlich dann kennengelernt, unterhalten und habe ich heute jetzt auch verabschiedet. Und es stellte sich raus, dass ich ihren Bruder kenne. Da haben wir auch gedacht, die Welt ist ein Dorf. Ja, wenn du jetzt in so Themen eintauchst, Tango tanzen und so, ich meine, man kann sich wahrscheinlich mit so Themen unendlich lange beschäftigen.
Marie
00:28:25
Ja.
Vera
00:28:26
Wo merkst du, wann es genug ist?
Marie
00:28:30
Das ist ein Schreibimpuls, das ist einfach, dann kribbelt es, dann muss ich in die Tasten hauen, das merkt man einfach, also ich merke das einfach.
Vera
00:28:40
Und hast du, ich muss ja verstehen, ich bin ja eher ein bisschen recherchisch faul, gebe ich zu. Ich habe dann so oft, wenn ich dann so an meiner Geschichten schreibe, dann kommen so Punkte, wo ich dann denke, ja, hier müsstest du mal gucken, ob das wirklich so ist, wie du das gerade schreibst. Dann mache ich mir eine Notiz und versuche dann, das im Nachgang so ein bisschen rauszukriegen, wo bis jetzt war es eigentlich immer irgendwie so. Oder ich habe einfach einen Fakt etwas weiterformuliert, dann passt das auch wieder. Hast du beim Schreiben dann so Stellen, wo du sagst, ich muss Du musst jetzt hier nochmal tiefer bohren oder hast du wirklich vorher alles geklärt?
Marie
00:29:17
Ich versuche vorher alles zu klären, versuche das so vorab zu sehen. Was könnten die neutralen Punkte sein in diesem Skript? Da gab es zum Beispiel eines in Paris. Das Schlafzimmer der Vergessenen, der Tänzerin, das ist in den Katakomben von Paris. Ich weiß nicht, kennt ihr die? Also es gibt ja 300 Kilometer Katakomben unterhalb von Paris.
Tamara
00:29:42
War das nicht das mit diesen Knochen und Schädeln?
Marie
00:29:44
Da darf man ja rein, aber dann gibt es noch 300 Kilometer Labyrinth und da darf man nicht rein. Aber Ende der 60er Jahre ging das noch. Da gab es eben Stellen und die Kloschars sind auch da verschwunden und es gab auch so geheimnisvolle Konzerte. Da bin ich ja sehr gerne mal reingegangen. Man nahm an einigen Stellen, die so ein bisschen dusterer waren, den Gullideckel hoch und stieg darunter und war dann in dieser Unterwelt. Und ich wollte da unbedingt rein. Also nicht da, wo die Schädel sind, sondern wirklich in diese Konzert- und Schlafräume. Und dann habe ich also so gerüttelt und es ist natürlich alles verschweißt und das ist verboten. Man darf das nicht. Dann habe ich aber einen Bauarbeiter gesehen, der da runterging und hat mich dann auf den gestürzt. Ich verrate jetzt nicht, was er gesagt hat und ob ich doof war oder nicht. Das kann man in dem Buch nachlesen. Aber das sind so Situationen, die liebe ich. Ich liebe diese Recherchemomente, wenn einem zum richtigen Zeitpunkt genau das Richtige quasi vor die Füße fällt.
Tamara
00:30:56
Das klingt wie ein Hochabenteuer.
Vera
00:31:00
Da gehört dann aber schon auch ein gewisser Mut dazu. Ich weiß nicht, ob ich mich das getraut hätte, da diese Bauarbeit war.
Marie
00:31:05
Da gibt es schon auch Ratten da unten. Ja.
Vera
00:31:12
Ich muss aber jetzt mal kurz überschwenken. Wir müssen nämlich einen kurzen Break machen. Ich weiß ja nicht, wie die Autorin unseres heutigen Buchtipps recherchiert hat. Aber wir hören mal rein, was denn unser heutiger Buchtipp ist. Ja, wir haben nämlich heute wieder einen Buchtipp für euch. Und ihr wisst, dass wir gerne auch dein Buch bei uns vorstellen. Sende einfach ein E-Mail an alleat2vonatopfstelle.de und wir sagen dir, wie es geht. Welches Buch haben wir denn heute, liebe Tamara?
Tamara
00:31:52
Vera, du weißt doch, wie es läuft. Das kann ich dir noch nicht sagen. Ich beschreibe dir aber gern schon mal das Cover.
Vera
00:31:58
Na gut, gib mir auch mal eben mit auf.
Tamara
00:32:00
Wir sehen hier eine Dame von hinten und ja, ich kann schon mal vom Klappentext, den ich ja schon sehe, einordnen, dass sie in England 1814 lebt. Sie trägt ein geblümtes Kleid und blickt auf eine Landschaft, durch die sich ein Fluss windet und auf der alte Gemäuer zu sehen sind, alte Säulen, ausgegrabene, antike Säulen. Ja, umrandet ist das Ganze von einem ebenfalls altanmutenden Geschnörkel. Und das Buch trägt den schönen Namen Keine Lady für den Waldsaal und gehört zu der Reihe Regency Roses von Dana Graham.
Vera
00:32:52
Da wollte ich schon ganz ehrlich sagen, das kam mir schon bekannt vor. Die Dame von hinten in englischen Gefilden, das hatten wir schon mal.
Tamara
00:33:00
Genau, wir sind im Regency und wir haben schon mal ein Buch von der lieben Dana vorgestellt. Und ich kann schon mal verraten, die Hauptfigur dieses Buches ist dort auch schon als Nebenfigur vorgekommen. Das macht sie ja in dieser Reihe gerne. Insofern gibt es da immer alte Bekannte, über die man dann mehr erfahren kann. Und was wir in dieser Geschichte der Regency Roses erfahren, lese ich dir gerne mal vor. Der plötzliche Tod seines Vaters holt Valerian Gale von seinen Ausgrabungen in Pompeji zurück nach England. Dort erwarten ihn nicht nur der Titel des Earls of Wynham und der Vorsitz des Zirkels der Freunde der römischen Antike, sondern auch ein belastendes Vermächtnis. Sein Vater hat die Familie in finanziellen Nöten zurückgelassen und schuldet zudem drei mächtigen Lords spektakuläre römische Artefakte. Die Archäologin Minerva Jarvis kann sich nicht an ihren grandiosen antiken Funden in Kent erfreuen, fangen damit ihre Schwierigkeiten doch gerade erst an. Als Frau spricht man ihr jeglichen Sachverstand ab und der einflussreiche Londoner Archäologenzirkel lässt nichts unversucht, um in den Besitz ihrer Entdeckungen zu gelangen. In dieser Misere steht plötzlich Algernon Eastwick, ein einfacher Sekretär aus London, wie ein rettender Engel vor der Tür ihres Landhauses. Bald schon muss Minerva sich eingestehen, dass sie sich den gutaussehenden Kenner der römischen Antike nicht nur als unverzichtbaren Grabungspartner vorstellen kann. Als er über Nacht verschwindet, folgt Minerva ihm nach London. Sie will den Mann, an dem sie ihr Herz verloren hat, unbedingt wiederfinden. Unwissend, wer er in Wahrheit ist.
Vera
00:34:51
Ah, aber liebe Tamara, schon mal Glückwunsch, du hast diese Namen alle gemeistert. Du erinnerst mich ein bisschen an den Sketch, den berühmten von Loriot und Robinie Hamann. Ja, also auf jeden Fall scheint ja noch eine Geschichte zu sein, die einen da so reinzieht. Vor allem so das Themensetting mit Archäologie und Pompeja finde ich ja sehr interessant.
Tamara
00:35:15
Definitiv, da sind wir ja in verschiedenen Zeitebenen unterwegs und graben eben nicht nur römische Artefakte aus, sondern auch die Geheimnisse hinter den Figuren. Und ja, ich glaube, was auch Dana mit unserem heutigen Gast gemeinsam hat, sie erzählt über starke Frauen und gerade eben auch in einer Zeit, in der es nicht so einfach war, eine starke Frau zu sein.
Vera
00:35:37
Und die durfte ja da auch einiges recherchiert haben müssen.
Tamara
00:35:40
Davon gehe ich aus.
Vera
00:35:42
Ja, auf jeden Fall. Also lest rein und die Tamara sagt euch noch mal, was jetzt genau.
Tamara
00:35:48
Genau, das ist das Buch Keine Lady für den Ballsaal aus der Regency Roses Reihe von Dana Graham. Ganz frisch erschienen. Lest auf jeden Fall rein.
Vera
00:36:00
Da sind wir wieder bei Marie und ihren Exkursionen in die Katakomben von Paris. Ich muss ja gestehen, ich liebe Paris ja auch. Und ich war eigentlich noch nicht in den Katakomben. Das muss ich vielleicht mal machen. Aber ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich mit den Ratten umgehen kann.
Tamara
00:36:19
Das sind ganz zauberhafte Tiere. Die werden zu Unrecht immer so schlecht dargestellt. Ich hatte viele Jahre Ratten als Haustiere.
Vera
00:36:31
Ja, da kommt die Pankerin durch die Haut, aber ich glaube nicht, dass die Ratten in den Katakomben von Paris damit wirklich vergleichbar sind. Also von daher bin ich ja doch eher ein Sensibelchen. Also deswegen bin ich wahrscheinlich auch deswegen so ein bisschen Recherchefrau, wobei ich schon es toll finde, die Erfahrung musst du ja auch gemacht haben, wenn ich irgendwo hinkomme und sage, ich bin Autorin, nein, da sage ich ja meistens, ich bin Schriftstellerin. Und ich habe da eine Frage, dass sich doch eigentlich alle Türen öffnen. Also die meisten Leute, außer Polizeikommissare, die können das nicht haben, aber sonst andere Leute sind dann immer sehr offen und erzählen.
Marie
00:37:19
Ich finde auch, das ist ein Beruf mit einem sehr hohen Sympathiewert. Also sobald, das ist wie so ein Zauberwort, die lächeln dann alle mild.
Tamara
00:37:29
Und meistens sagen sie, ich habe noch nie eine Autorin getroffen.
Marie
00:37:33
Ja, ganz genau.
Vera
00:37:35
Tausende kennen.
Tamara
00:37:39
Alle Weltschreibbücher.
Marie
00:37:42
Ich meine, es sind ja 83.000 im Jahr. So viele Autoren muss es ja mindestens geben.
Vera
00:37:49
Bist du denn schon mal auf Schwierigkeiten bei der Recherche gestoßen, dass dir jemand nicht sagen wollte, dass du irgendwie nicht weiterkommst?
Marie
00:37:57
Nee. Nee, noch nicht.
Vera
00:37:59
Wenn du dich einfach so auf Bauarbeiter stürzt, dann kann dich auch nichts aufhalten, oder?
Marie
00:38:05
Ja, ja, also da war ja auch ein bisschen noch diese Sprachhemmung. Das war ja ein Französer und ich mit meinem Schulfranzösisch. Also ich hatte mir vorher für verschiedene Situationen einen Text gelernt und angesehen und die Vokabeln gelernt.
Tamara
00:38:21
Aber dafür hatte ich keine Vokabeln.
Marie
00:38:25
Der dachte vielleicht, so eine blöde Anmache, ich weiß es nicht.
Vera
00:38:32
Jetzt kommt ja das Buch und morgen wieder schön von der Elisa Lambach raus nächste Woche und sie erlebt es ja jetzt nicht mehr gibt es Menschen aus ihrem Umfeld, Nachkommen, gibt es die noch die jetzt dann vielleicht sehr neugierig lesen was du da schreibst über ihre Verwandte.
Marie
00:38:55
Verwandte gibt es soweit, ich weiß nicht. Udo Walz, mit ihm hat sie zusammengearbeitet, der ist auch leider tot. Da war ich dann bei dem Filialleiter hier in Berlin am Roseneck und habe davon erzählt. Es gibt den Buchhändler gegenüber, Shakespeare and Company, das habe ich erzählt. Ich habe, Veruschka lebt noch, diese schöne Frau, das Fotomodell, die dieses Steinpainting gemacht haben. Die hat sich ja dann nackt vor die Wände gestellt oder vor Bäume und hat den Körper so anmalen lassen, dass man sie nicht mehr vom Hintergrund unterscheiden kann. Sie hat sich aber nicht zurückgemeldet, sie lebt wohl sehr, sehr zurückgezogen. Da gibt es nicht so viele. Mit David Bowie war sie befreundet, der lebt auch nicht mehr. Also jetzt wird mir gerade ganz, wenn ich das so aufzähle, wird auch klar, so wie endlich das Leben ist. Das ist schon schwierig.
Vera
00:39:52
Wobei es schon spannend gewesen wäre, bei so einer Recherche mal so mit David Bowie zu plaudern.
Marie
00:39:58
Dem hätte ich schon auch ein Küsschen gegeben. So ein rein ländliches.
Vera
00:40:07
Gibt es denn andere Celebrities oder sehr bekannte Persönlichkeiten, die du in deiner Recherche mal befragen konntest?
Marie
00:40:16
Ja, aber die darf ich schon schnell beantworten. Es ist ja ein sehr sensibles Thema und viele wollen dann, wenn sie auch geheilt sind, Gott sei Dank geheilt, nach vielen Jahren das erste Mal aus dieser Angstphase rauskommen, dass sich kein Rezipient mehr bildet. Auch häufig damit nichts mehr zu tun hat. Das kann ich sehr gut verstehen.
Tamara
00:40:41
Das ist ja überhaupt, du behandelst ja sehr sensible Themen. Also jetzt nicht nur in dem Buch das Thema Krebs, sondern dann eben auch sich verstecken müssen, Babyklappe und so weiter. Da musst du ja auch sehr vorsichtig vorgehen. Wie handhabst du das? Hast du da schon mal irgendwie Schwierigkeiten gehabt oder vielleicht dann auch doch was rausgelassen? Weil es irgendwie zu viel war.
Marie
00:41:08
Ich glaube, ein Buch ohne Mut wird auch kein gutes Buch. Und es ist wichtig, auch als Schriftstellerin sich hinter diese Geschichte zu stellen und zu sagen, es geht um diese Geschichte und die muss erzählt werden. Und es geht ja in meinem zweiten Buch um Abtreibung und Babyklappe in den 50er Jahren, um diese furchtbare Armut der Frauen, die aus lauter Armut ihre Kinder teilweise ausgesetzt haben oder zu Engelmacherinnen gegangen sind, die gab es da ja leider noch. Und ich glaube, Geschichten, die auch auf Wahrheiten beruhen, die müssen mit aller Drastigkeit auch erzählt werden. Wenn ich da mit einem Weichzeichner nachher rübergehe, dann ist das nicht mehr meine Geschichte. Deswegen, ihr habt ja diese Bubble-Fragen auch genannt, also was ich in einem Buch nicht mehr lesen würde, das ist eben genau so dieses Weichgezeichnete, wenn man eben sagt, sie küssen sich vor dem Sonnenuntergang, der Wetterball ins Meer fiel, da steige ich aus. Also ich will manchmal auch in schönen Worten die Herzen lesen.
Tamara
00:42:22
Du hast eben auch gesagt, die Geschichte soll dann ein Ende bekommen, das dir gefällt, hast du auch manchmal das Bedürfnis, da eher was Knackiges oder vielleicht was, was eben nicht so ganz Happy End ist, mit reinzunehmen?
Marie
00:42:40
Ja, es ist natürlich extrem schade, wenn die Protagonistin am Ende stirbt. Also das würde ich so nicht hinkriegen. Das finde ich auch für den Leser nicht so gut, der sie ja hoffentlich mit all ihrer Emotionalität auch ins Herz geschlossen hat. Und das würde ich nicht hinkriegen. Deswegen, ich schreibe verschiedene Enden und einer war davon auch so, wie es dann nachher im wahren Leben war, das konnte ich nicht.
Vera
00:43:12
Also da verlässt du dann doch schon die Realität und sagst, ich mache jetzt da irgendwie ein Buch.
Marie
00:43:18
Nee, ich habe es einfach vorher. Ich habe es vorher. Das kann ich ja als Autorin entscheiden, wo setze ich dann den Schlusspunkt und wie weit gehe ich dann in diese Erzählung am Ende noch rein. Und da habe ich gespürt, jetzt ist es reif, diesen Punkt zu setzen.
Vera
00:43:37
Aber es muss ja trotzdem irgendwie noch so ein positiver Vibe irgendwie bleiben.
Marie
00:43:43
Es ist schon ein kleiner Gag am Ende, aber den verrate ich jetzt.
Vera
00:43:47
Also da, ich stelle mir das extrem schwierig vor, sowas zu komponieren, wo man weiß, wo man die reale Figur hat, wo man weiß, wie es weitergeht, wie es endet und da trotzdem einen Aspekt zu finden, der ja doch dann was Positives ist, auch wenn man vielleicht von einem tragischen Ende weiß.
Marie
00:44:12
Ja, aber das dauerte da ja noch viele, viele Jahre. Jahrzehnte bis zum richtigen Ende. Von daher hatte ich das Gefühl nicht. Es ist generell schwierig, finde ich, aus einer Geschichte rauszukommen. Dieses Buch hat mich emotional so gepackt, dass ich noch immer nicht den nächsten Roman anfangen kann. Der ist geplottet, aber ich würde da noch keinen Schreibimpuls. Ich bin wirklich noch in dem Roman. Ich werde recherchieren. Also die Recherche wird in Rom sein. Das werde ich auch hinfahren. Aber ich habe noch keinen Schreibimpuls, weil ich jetzt und morgen wieder schön noch in diesem Buch und bei meinen Figuren bin. Ich weiß nicht, wie es euch geht.
Vera
00:44:58
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich könnte nicht an zwei Projekten gleichzeitig arbeiten. Wenn ich schreibe, jetzt sind meine Schreibzeiten kürzer als deine, aber dann will ich mich genau mit dieser Geschichte beschäftigen. Und wenn ich da zwischendurch raus bin, dann brauche ich wieder eine Zeit, bis ich wieder in diesem Flow drin bin.
Marie
00:45:19
Ja, und das Loslassen ist für mich wirklich auch eine Rolle. Und auch den Nebenfiguren gebe ich ein Gesicht, suche dann Bilder von Schauspielern, wie ich mir das vorstelle und pinne die dann dahin. Die schreiben ja auch Briefe an sich selbst oder Tagebücher, damit ich die besser kennenlerne. Und dann arbeite ich mit diesen Bildern auf einer visuellen Ebene und die habe ich lange so vor meinen weißen Augen.
Tamara
00:45:45
Da muss ich jetzt kurz nochmal nachfragen. Die schreiben Tagebücher. Das heißt, es ist so eine Art, ich nenne es jetzt mal salopp, Schreibübung für dich, um die Figur zu entwickeln? Oder wie meinst du das?
Marie
00:45:56
Um mich der Figur zu nähern. Also die bekommen ja erst mal ein Psychogramm. Da gehe ich nach einem Profiling vor, nach dem Big Five, da habe ich mich so mit beschäftigt und sehe dann hin, wo ist die Merkmaldominanz im Charakter. Und dann stehen eben so diese Farben des Charakters, des Temperamentes fest. Und dann muss ich mich ihnen nähern. Ich muss ja alles von denen wissen, mit welchem Fuß sie morgens aufstehen. Und was die ganz tiefen, versteckten Sehnsüchte sind, die sie niemals aussprechen würden. Aber die merkt man dann beim Schreiben. Die schimmern irgendwo mal zwischen den Buchstaben durch. Und deswegen lasse ich die Tagebuch schreiben. Oder einen Brief an die Mutter, wenn sie einen Konflikt mit der Mutter haben, was sie immer mal der Mutter sagen wollten. Und das gehört auch zur Recherchephase. Das ist eine sehr intensive Phase.
Tamara
00:46:49
Auf wie viele Figuren weitest du das aus? Also wo machst du einen Cut und sagst, okay, die Nebenfigur ist jetzt so klein, die darf auch ein bisschen blasser oder stereotypischer sein?
Marie
00:47:00
Genau, das sind die Hauptfiguren und eben zwei, drei tragende Nebenfiguren. Also meistens fünf. Mehr geht auch nicht, das ist ja ziemlich aufwendig.
Tamara
00:47:12
Wie ist das denn während der Schreibphase gerade, wenn du diesen Figuren so nahe bist und das ja auch wirklich so berührende Themen sind? Du sagst, du kannst jetzt gerade das fertige Buch emotional noch nicht loslassen. Wie ist das während des Schreibens? Also hast du überhaupt einen, ich sag mal, seelischen Feierabend?
Marie
00:47:35
Ja, das schon, obwohl Freunde von mir dann sagen, ach, die fragen wir jetzt am besten nicht, die ist in ihrer Schreibphase. Oder ich gehe dann auch mal sechs Wochen in Schreibklausur, hole mir irgendeine Hütte an der Ostsee und schließe mich dann auch ein, wenn es so ganz intensiv sein muss. Und ansonsten ist es so, wenn ich dann schreibe und so Emotionen überrumpeln mich und ich weiß ja gar nicht, wohin damit, dann drehe ich die Musik derart laut auf und tanze mal eine Runde durch die Wohnung und dann ist es wieder draußen. Also dann sind die Kanäle wieder frei, die emotionalen. Und für mich ist Bewegung und Schreiben sehr nah beieinander. Das hält irgendwie auch die Gedanken auf Trab.
Tamara
00:48:27
Wie machst du das denn? Du hast ja sozusagen als Brot- oder Kuchenjob konzipierst du Bücher für andere. Und gleichzeitig gräbst du dich aber so tief in deine Schreibarbeit rein. Das heißt, nimmst du dir Zeiten, wo du sagst, jetzt die nächsten sechs Wochen bin ich Autorin und danach mache ich wieder was anderes oder schaffst du es wirklich, das parallel laufen zu lassen und beidem gleich viel Energie zu widmen?
Marie
00:48:56
Gleich viel Energie immer geht nicht, aber es kann sein, dass ich zum Beispiel sage, morgens, die drei Stunden sind jetzt für ein Buchkonzept reserviert und dann zwei Stunden Pause und dann nachmittags bis abends schreiben, wenn dann eine Timeline drängt. Also das geht auf jeden Fall. Weil das ist ja nicht so emotional, wenn ich dann ein Buch konzipiere. Das geht ja nach einem bestimmten Muster, nach einer Gliederung, nach einem Spannungsbogen und das ist was anderes. Das sind auch Sachbücher. Und Sachbücher, die schreibt ein Sachbuchautor ja für ein Publikum. So Non-Fiction. Dann hat der Leser ein Problem und der Experte hat die Lösung. Und ein Roman, da geht es um die Geschichte. Entscheiden am Ende die Leser, aber was? Also da schreibt man nicht dem Leser nach dem Mund. Das wäre nicht gut.
Vera
00:49:57
Ja, aber du hast ja vorhin auch schon gesagt, wie lange du recherchierst und vorbereitest. Wie exakt plottest du denn? Also ist das wirklich so jemand, weißt du im Vorfeld jede Szene schon oder weißt du nur ein paar Meilensteine?
Marie
00:50:14
Ich habe da eine, da leiste ich mir eine Vorlektorin. Das ist dann meine Brainstorming-Partnerin. Die achtet ganz detailliert darauf, sieht sich die Wendepunkte an und sagt, da musst du nochmal an diese Szene ran. Sonst würde ich vielleicht drauf losschreiben und mich im Schreiben verlieren. Und wir sind ein ganz gutes Team.
Tamara
00:50:38
Das heißt, du bist ja beim Verlag bei Drömer-Knauer und die Vorlektorin engagierst du aber persönlich.
Marie
00:50:46
Ja, das ist auch die Dramaturgin und wir machen das dann zusammen. Weil ich glaube, so Autorin ist ja der einsamste Job eigentlich. Also man sitzt ja mit sich alleine da.
Tamara
00:51:00
Und den ganzen Figuren im Kopf.
Marie
00:51:03
Ja, aber die kritisieren mich ja nicht. bestenfalls gehorchen mir. Und ich glaube, da ist es ganz gut, wenn man auch mal eine kritische Stimme hört, um nochmal zu reflektieren und nochmal ranzugehen und eine andere Sichtweise hat.
Vera
00:51:28
Wie geht das konkret? Mit was gehst du zu dieser Dramaturgin? Was lieferst du ihrem Vorfeld? Oder fangt ihr auf der grünen Wiese an? Kannst du das mal so ein bisschen genau beschreiben?
Marie
00:51:41
Ich sende ihr das Exposé und dann sagt, das hat aber vorher dann der Verlag schon genommen, also ich weiß, jetzt tickt die Uhr und dann sende ich ihr das und dann gehen wir da durch und die ist da emotional auch sehr dabei und auch mit ihrer dramaturgischen Kompetenz.
Vera
00:52:02
Also dann arbeitet ihr gemeinsam die Wendepunkte, wo ist der Spannungshöhepunkt?
Marie
00:52:07
Ja, ich habe die bearbeitet und die sieht sich das an und sagt, vielleicht der muss vorbereitet werden oder da ein harter Schnitt. Überleg mal, ob das besser ist und dann reden wir darüber.
Tamara
00:52:19
Nach welcher Methode plottest du?
Marie
00:52:23
Ich habe erst mal versucht, so nach der Heldenreise, aber das ist sehr konstruiert und deswegen plotte ich einfach nach der Prosa-Methode. Also die gibt es nicht, aber wo geht die Prosa wirklich nach vorne? Denn die größte Gefahr ist ja so auf der Stelle zu treten und die Geschichte nicht voranzubringen. Und da sehe ich mir an, sollte das ein emotionaler Moment sein, ein beschreibender, sollte Ruhe oder auch mal Tempo rein. Und so sehe ich mir Szene für Szene an.
Vera
00:52:59
Und sind das einfach nur so ein paar Punkte, wo du weißt, okay, ich habe jetzt einfach zwei Kapitel, die drehen sich um das, am Ende muss ich da und da hinkommen? Oder ist es wirklich Szene für Szene mit Stichworten?
Marie
00:53:15
Ja, es ist ein bisschen mehr als Stichworte. Ich würde gerne Stichworte schreiben, also quasi so als Methode, eine Drehbuchmethode. Dann sagt man die Atmo und wer auftritt und den Sinn der Szene nennt man in einem Satz und ansonsten Freiheit. Aber es läuft am Ende doch raus, dass es intensiver ausgearbeitet wird. Aber ich glaube, auch wenn einer einfach drauf losschreibt, oder Patchwork-Schreiber gibt es ja auch, die fangen mit dem Ende und mittendrin an und häkeln das nachher zusammen. Auch das ist gut, das ist bestimmt eine Typsache. Oder Versionsschreiber. Eine Version immer weiter gesagt, ja, jetzt ist es stimmig. Das ist alles gut, so wie es gemacht wird. Die Hauptsache, es kommt was.
Vera
00:54:02
Absolut. Muss jeder seinen Weg finden. Ich bin immer total neidisch auf Leute, die das so dezidiert vorploppen können. Ich würde das gerne können, aber ich kriege es nie hin.
Marie
00:54:12
Wie machst du das denn? Schreibst du?
Vera
00:54:14
Tatsächlich, also ich habe so ein, zwei, ich meine, ich schreibe Krimis, ich weiß natürlich, wer stirbt und ich habe auch eine Idee, wer der Täter ist und habe mir vorher ein paar Gedanken gemacht, welche Verdächtige es noch geben könnte und in gewissem ein, zwei, drei Punkte, so als Wendepunkte. Und den Rest entwickle ich und stelle auch fest, je mehr ich mir für weiter hinten was vorausgedacht habe, desto mehr schmeiße ich das am Ende über den Haufen. Also ich habe auch oft schon völlig andere Täter dann am Ende.
Marie
00:54:45
Ach, und ich dachte immer, einen Krimi, den konzipiert man zum Schluss nach vorne.
Vera
00:54:51
Ja, ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die das genauso machen. Ich versuche es halt immer wieder. Aber es ist mir jetzt bei der letzten immer wieder so gegangen, dass ich dann kurz am Ende feststellte, dass ein anderer Verdächtiger der viel bessere Täter wäre. Ich muss vorne nur einen Satz ändern und dann passt das. Und dadurch, dass der mich selbst ja dann auch überrascht hat, ist das für die Leser und Leserinnen dann auch so schön spannend. Ich neige dazu, wenn ich den Täter, den kenne ich ja immer, da schon viel zu direkt drauf zuzusteuern. Das ist schwierig.
Marie
00:55:26
Jetzt ist ja auch der neue Roman von Charlotte Link rausgekommen. Die macht es so vorbildlich, finde ich. Also die führt mich so auf falsche Spuren. Das ist schon toll.
Vera
00:55:39
Mal einen von mir lesen. Ja, das werde ich mal gucken.
Marie
00:55:43
Ob ich auch auf falsche Spuren gelange. Ich versuche ja dann schon clever zu sein, ein bisschen pfiffig das rauszubinden.
Vera
00:55:53
Ja, liebe Marie.
Marie
00:55:55
Nenn mal einen, welchen ich lesen soll.
Vera
00:55:58
Am 27.9. kommt mein neuer raus, Tote singen selten schief. Auch für die Geschichte, doch, das sollte... Also die Testleser haben gesagt, lag das sehr überraschend.
Marie
00:56:10
Ja, ist super.
Vera
00:56:12
Danke.
Marie
00:56:12
Danke für den Tipp.
Vera
00:56:13
Ja, viel Spaß. Auf jeden Fall mal Rückmeldung. Auch wenn es gar nichts war. Auf jeden Fall. Ich kann damit leben. Ja, also auf jeden Fall, ich finde das sehr, sehr beeindruckend. Also auch das Schreiben von den realen oder real basierenden Figuren. Und ich werde mir sicherlich morgen wieder schön zum Gemüte führen. Bin schon sehr gespannt. Und ja, du hast ja vorhin schon angedeutet, zum Schluss gibt es bei uns immer die total kritischen Loot-Bubble-Fragen und dafür ist Tamara zuständig.
Tamara
00:56:50
Genau, liebe Marie. Welches Buch hat dich denn zuletzt Tränen, Weinen oder Lachen lassen?
Marie
00:56:57
Alles auf einmal von Jan Weiler, der Markisenmann. Das ist so ein wunderbares Buch. Kennt ihr das?
Tamara
00:57:03
Ja, der Jan war ja auch schon bei uns.
Marie
00:57:05
Ah, der war auch schon. Dann werde ich mir die Podcast-Sendung noch rausnehmen.
Tamara
00:57:10
Ja, ich schreibe die Nummer in die Shownotes. Ja, toll.
Marie
00:57:14
Also ein ganz wunderbares Buch ist das. Und ich bin ja Rheinländerin und das ist wiederum nah am Ruhrpott. Deswegen konnte ich diese Mentalität so gut verstehen und wie er das beschreibt. So ist es. Also es ist mir sehr, sehr ans Herz gegangen, dieses Buch. Und auch diesen feinen Humor und trotzdem diese Tiefsinnigkeit, die er da in seinem Buch findet. Ich war erst irritiert von diesem Cover, aber nachher, als ich das Buch dann gelesen hatte, dachte ich, nur so kann das Cover sein.
Tamara
00:57:43
Sehr schön. Ja, da sind wir mit Jan ja schon fast bei Frage zwei. Welche Begegnung in der Buchbranche hat dich denn ganz besonders inspiriert?
Marie
00:57:55
Eigentlich vor einigen Jahren auf der Leipziger Buchmesse, die Begegnung mit meinem jetzigen Agenten, der weiß es nicht. Das habe ich dem nie gesagt und ich war auch erst Jahre später, hat er mich dann unter Vertrag genommen, aber er sagte etwas, das mich begleitet, wenn ich schreibe. Er hat da gesagt, du musst mit der Leserin, dem Leser, tanzen. Das war irgendwie so mein Satz, weil ich ja so gerne tanze. Und manchmal denke ich da noch dran.
Vera
00:58:27
Das ist doch ein schöner Satz, auf jeden Fall.
Tamara
00:58:31
Und zum Schluss, du hast es eben schon ein bisschen angerissen. Was möchtest du in einem Roman, welches Klischee möchtest du in einem Roman nie wieder lesen?
Marie
00:58:39
Genau, Sonnenuntergang und Kuss.
Vera
00:58:44
Da ist ein bisschen ein Genre-Typ. Es gibt ja auch Genre, da muss es Sonnenuntergang und Kuss geben.
Marie
00:58:49
Ehrlich? Vielleicht fällt doch was anderes ein.
Tamara
00:58:52
Vielleicht ist es ja ein Sonnenaufgang.
Marie
00:58:56
Da muss man sich ja erst mal die Zähne platzen.
Vera
00:59:01
Da kommt die realistische Autorität. Das gibt es ja bei unserer Art Bücher, da kommen so realistische Sachen gar nicht vor.
Tamara
00:59:14
Ja, mit diesem appetitlichen Thema, kommen wir zum Ende.
Vera
00:59:21
Ja, liebe Marie. Vielen, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein bisschen über dein Schaffen zu erzählen. Ich fand es sehr inspirierend.
Tamara
00:59:29
Sag das Wort, sag das Wort. Nein, ich muss mir umsetzen.
Vera
00:59:33
Ich muss mir unbedingt mal ein Thesaurus holen, wenn ich es an einem Doktor mal noch fragen kann. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht. Ich sitze hier in meinem Urlaubsbungalow und habe es genossen und ich hoffe, du auch.
Marie
00:59:50
Ja, sehr. Vielen Dank. Es war mir eine Freude.
Vera
00:59:53
Ich hoffe, an euch Hörer und Hörer da draußen, dass ihr das auch genossen habt. Wie immer, wisst ihr, freuen wir uns über euer Feedback. und natürlich empfehlt uns weiter und bleibt uns gewogen. Bis nächste Woche, dann bin ich wieder zu Hause.
Tamara
01:00:08
Und diesen einen Satz muss ich noch anhängen, liebe Marie. Du hast in mir gerade wahnsinnige Schreiblust geweckt, die in den letzten Wochen ein bisschen flach gelegen hat. Also vielen, vielen Dank.
Marie
01:00:18
Sehr gerne, danke euch. Ciao.