Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

DZVDT #264 - Buchpreisgewinnerin Martina Hefter über den kreativen Prozess zwischen Text & Bühne

Martina Hefter ist nicht nur deshalb ein ganz besonderer Talkstellengast, weil sie die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024 ist. Sie ist vor allem eine unglaublich interessante, vielseitige und aufmerksame Künstlerin.

29.05.2025 62 min

Zusammenfassung & Show Notes

Martina Hefter ist nicht nur deshalb ein ganz besonderer Talkstellengast, weil sie die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024 ist. Sie ist vor allem eine unglaublich interessante, vielseitige und aufmerksame Künstlerin. Sie verwischt die Grenzen zwischen Text- und Inszenierungsformen, schreibt das, was sie begeistert, geht mit beeindruckendem Vertrauen ihre Kunstprojekte an und hat dabei dennoch dieselben Zweifel wie wir alle.

Vera und Tamara wollen es natürlich genau wissen: Wie verändert sich das Leben, wenn man plötzlich Buchpreisgewinnerin ist? Steigt nun der Druck für das nächste Werk? Wie entwickelt man eigentlich einen Romantext außerhalb von strikten Plotstrukturen? Und wie wird aus einem Gedicht ein Roman?

Unglaublich sympathisch spricht Autorin Martina Hefter über Figurenentwicklung, Blurbs auf Buchumschlägen, Gesellschaftskritik im Roman und singt ein Loblied auf die Lyrik. Eine Folge, die inspiriert, anrührt, Einblicke gibt und Perspektiven aufzeigt.

(Bildnachweis Autorinnenfoto Martina Hefter: © Maximilian Gödecke) 

Martina Hefter ist nicht nur deshalb ein ganz besonderer Talkstellengast, weil sie die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024 ist. Sie ist vor allem eine unglaublich interessante, vielseitige und aufmerksame Künstlerin. Sie verwischt die Grenzen zwischen Text- und Inszenierungsformen, schreibt das, was sie begeistert, geht mit beeindruckendem Vertrauen ihre Kunstprojekte an und hat dabei dennoch dieselben Zweifel wie wir alle.

Vera und Tamara wollen es natürlich genau wissen: Wie verändert sich das Leben, wenn man plötzlich Buchpreisgewinnerin ist? Steigt nun der Druck für das nächste Werk? Wie entwickelt man eigentlich einen Romantext außerhalb von strikten Plotstrukturen? Und wie wird aus einem Gedicht ein Roman?

Unglaublich sympathisch spricht Autorin Martina Hefter über Figurenentwicklung, Blurbs auf Buchumschlägen, Gesellschaftskritik im Roman und singt ein Loblied auf die Lyrik.

Eine Folge, die inspiriert, anrührt, Einblicke gibt und Perspektiven aufzeigt.

(Bildnachweis Autorinnenfoto Martina Hefter: © Maximilian Gödecke)

Links

Martina Hefter
… auf Instagram: https://www.instagram.com/martinasylviah/
… bei Klett-Cotta: https://www.klett-cotta.de/personen/martina-hefter-p-10126
… bei kookbooks: https://kookbooks.de/
… auf der Bühne: https://www.schauspiel-leipzig.de/spielplan/a-z/soft-war/


Genannte Bücher:

'Hey guten Morgen, wie geht es dir?' von Martina Hefter
https://www.amazon.de/Hey-guten-Morgen-wie-geht/dp/3608988262/

'In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen: Gedichte' von Martina Hefter
https://kookbooks.de/products/martina-hefter-in-die-walder-gehen-holz-fur-ein-bett-klauen-gedichte

'Die Glasglocke' von Sylvia Plath
https://www.amazon.de/Glasglocke-suhrkamp-taschenbuch-Sylvia-Plath/dp/3518456768/

'Die Wand Taschenbuch' von Marlen Haushofer
https://www.amazon.de/Die-Wand-Marlen-Haushofer/dp/3548605710/

'Frau Appeldorn und der tote Kapitän' von Vera Nentwich
https://vera-nentwich.de/buch/fatk?open

'Rock in Peace', Musikdrama von Tamara Leonhard
https://tamaraleonhard.de/rock-in-peace

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Transkript

Tamara
00:00:00
In der heutigen Folge haben wir einen in so vieler Hinsicht ganz besonderen Gast. Nicht nur, weil sie 2024 den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, sondern weil sie auch einfach eine wahnsinnig spannende Künstlerin ist, super vielseitig. Martina Hefter ist bei uns.
Vera
00:00:17
Wir haben natürlich nachgefragt, wie ist es dazu gekommen, wie ist die Geschichte entstanden, wie ist das mit Veröffentlichung gelaufen und wir haben sogar nach Lyrik gefragt und viele, viele Aspekte reingeschaut. Hört auf jeden Fall rein. Die zwei, Hallo, ihr Lieben da draußen. Hier sind die zwei von der Talkstelle mit der Folge 264. Und ich schaue in die schon sehr eifrig arbeitende und voller Elan ausstrahlende Tamara Leonhard. Und mein Name ist Vera Nentwig und ich arbeite noch an dem Energiegeladenen. Ja, schauen wir mal, wie sich das so jetzt im Laufe unseres Gesprächs entwickelt. Du strahlst, liebe Tamara, hast du einen schönen Tag.
Tamara
00:01:24
Das weiß ich noch nicht, so lange ist der noch nicht.
Vera
00:01:28
Ja gut, dann frage ich jetzt nicht nach der Nacht.
Tamara
00:01:30
Ja, besser nicht. Ich war mehr wach als nicht.
Vera
00:01:37
Okay. Ja, das mit dem Wachsein habe ich auch noch nicht ganz erreicht. Wir nehmen am Morgen auf. Das ist ich und meine Zeit. Ja, aber es ist jetzt, wenn, Die Woche der Entscheidung, kann man so nicht sagen, aber doch eine spannende Woche, weil wenn diese Folge erscheint, erscheint ja auch mein neues Buch. Frau Appeldorn und der tote Kapitän. Ich bin natürlich sehr gespannt, wieso der Start sich da so entwickelt und darstellt. Und gerade gestern habe ich auf NetGalley eine sehr, sehr, sehr, sehr begeisterte Feedback einer, wie wird das da bezeichnet, Beschäftigten in der Buchbranche bekommen. Das freut einen ja sehr und ich werte das mal als positives Omen. Und jetzt kann ich eigentlich nur der Dinge harren, die da kommen.
Tamara
00:02:36
Ja, sehr schön. Ja, ich bin ja noch zwei Wochen quasi in deiner Vergangenheit. Aber ich habe gestern zumindest schon mal von einer meiner Rezi-Leserinnen eine Nachricht bekommen, dass sie schon voll drin ist und dass es sie sehr berührt. Und das macht mich natürlich auch sehr, sehr froh. Und ja, habe auch das Gefühl, dass ich jetzt bis zum 13. Alles gut fertig bekomme und bestellt bekomme und organisiert bekomme und was man sonst noch bekommen muss. Ja, habe ein paar schöne Marketing-Sachen gerade in Planung und freue mich drauf. Und das will was heißen. Normalerweise ist ja veröffentlichen eher ein Graus für mich.
Vera
00:03:21
Ja, was ich ja glaube ich nie wirklich verstehen werde, aber, vor allen Dingen jetzt ja so kurz vor dem Termin, es ist ja im Prinzip alles gelaufen.
Tamara
00:03:32
Jetzt denkst du.
Vera
00:03:35
Ich habe da alles irgendwie eingestiehlt, Bücher sind gedruckt, sind da. Die erste Kiste ist ans Barsortiment gegangen. Ich habe ja jetzt die Leserunde, die Bewerbungsfrist endet dann am Freitag, da muss ich dann Also heute.
Tamara
00:03:52
Können die Leute heute noch?
Vera
00:03:54
Ja, heute können sie noch. Also wenn heute Freitag ist, dann können sie noch. Und dann muss ich halt Päckchen packen und verschicken. Und dann schauen wir mal, wie es wird. Wir haben da kurz drüber gesprochen. Ich hatte ja vorige Woche da hier bei uns in der Rheinischen Post einen Artikel gelesen über eine Autorin, die ihr neues Buch vorstellt. Und ich lese das natürlich dann immer. Interessiert mich ja, wer hier so in der Ecke so schreibt. Und ich freue mich ja auch, dass die Rheinische Post das zumindest im lokalen Teil dann ja auch oft reflektiert. Und das war halt sogar hier aus meinem Ort eine junge Frau, die an einer Autoimmunerkrankung leidet. Und ein Buch geschrieben hat, aber nicht über die Erkrankung, sondern über ihr Verhältnis zu ihrem Hund. Das ist nett, aber nicht das, worauf ich hinaus will. In dem Artikel wurde irgendwann erwähnt, dass das Buch im Novum Verlag erschienen ist. Und die geneigten und erfahrenen Hörerinnen und Hörer wissen, der Novum Verlag ist ein Druckkostenzuschussverlag. Das heißt, ein Verlag, der recht viel Geld von den Autorinnen und Autoren nimmt, um das Buch zu veröffentlichen. Was a. viel zu viel Geld ist und b.
Tamara
00:05:23
Der Definition eines Verlages widerspricht.
Vera
00:05:26
Sowieso. Und in Zeiten von Self-Publishing auch sowas von Unnötiges. Naja, und das hat mir so wehgetan, weil die Geschichte der jungen Frau war so anrührend eigentlich. Und ich dachte, dann wird jetzt so ein Mensch, der krank ist, der dann ein Buch schreibt und für den das wirklich auch was Besonderes ist, der wird dann abgezockt, mehr oder weniger. Und dann habe ich eine Redakteurin, die diesen Artikel geschrieben hat, eine Mail geschickt, dass mich das so betroffen gemacht hätte. Und ich habe auch versucht, die Autorin zu kontaktieren via Instagram. Aber die Redakteurin hat mir sofort geantwortet, dass sie das auch natürlich direkt gesehen hat und auch gegenüber der Autorin artikuliert hat. Und anscheinend ist es der Autorin mittlerweile auch bewusst. Ja, ich hatte dann halt gedacht, vielleicht sollte mal so eine rheinische Post auch mal ein bisschen was Deutlicheres über diese Situation mit den Druckkostenzuschussverlagen schreiben. Jetzt sagt die Redakteurin also aber der Wirtschaftsredaktion für zuständig die hat dann irgendwie meine Daten da weitergegeben aber ob da jetzt was kommt das weiß ich nicht, netter Nebeneffekt, dass die Redakteurin dann wohl irgendwie festgestellt hat, dass ich im Selfpublisher-Verband aktiv ist und jetzt irgendwie ein Gespräch von mir möchte. Aber mittlerweile hat sich auch die Autorin bei mir gemeldet und ja, ich habe ihr angeboten, dass wir uns mal zusammensetzen und dass ich ja zumindest ein bisschen vielleicht jetzt noch helfen kann im Rahmen der Möglichkeiten, dass sie jetzt so ein bisschen mit ihrem Buch da ein bisschen was erreichen kann. Ja, da treffen wir uns jetzt nächste Woche mal. Das tut mir wirklich irgendwie so in der Seele weh. Ich weiß jetzt nicht, wie viel sie bezahlt hat, aber das dürfte ein guter, vierstelliger Betrag gewesen sein. Und wie gesagt, das ist echt, echt, echt, ja, der Ärgerliche ist eigentlich zu schwach. Echt richtig scheiße. So, Entschuldigung.
Tamara
00:07:34
Das ist aber nett von dir, dass du dich da ein bisschen kümmerst.
Vera
00:07:37
Ja, irgendwie denke ich schon und Muss man ein bisschen helfen und ich muss mich jetzt mal ein bisschen schlau machen, was da in diesen Verträgen drinsteht. Der Tobias Kiewit kennt sich da ja aus. Ich muss den mal kontaktieren, damit ich vielleicht der Autorin da den einen oder anderen Tipp noch geben kann. Ja, wir fallen da ja nicht mehr drauf rein.
Tamara
00:08:03
Wieso nicht mehr? Bist du schon mal?
Vera
00:08:06
Nein, nein, nein. Aber ich sage mal so, als ich anfing und alles ja immer noch so hieß, es muss Verlag sein.
Tamara
00:08:16
Und dann sieht man eine Anzeige, wir suchen AutorInnen.
Vera
00:08:19
Genau. Also darauf geguckt habe ich dann schon. Ich habe dann schon gemerkt, okay, die wollen dann nachher Geld von dir. Aber das finde ich auch, ist auch ein bisschen ein Vorwurf, den ich so den Medien mache und auch so manchen Autoren, Autorinnenkreisen, dass sie ja immer noch, so unterschwellig das Verlag als das alleinig selig machende darstellen. Also wenn ich kein Verlag will, dann mache ich Self-Publishing. Und es gibt ja tatsächlich auch genügend Medien, die Self-Publishing-Bücher nicht angucken. Ich weiß noch, eine Freundin, die so Telefonmarketing macht, hat mal für mich Kulturredaktionen größerer Zeitungen angerufen, um um denen vorzuschlagen, mein Buch mal vorzustellen. Und die meisten sagten ihnen, dass die nur Bücher von einer Handvoll Großverlage nehmen. Alle anderen ignorieren die.
Tamara
00:09:20
Ja, es ist halt so absurd, weil im sonstigen Arbeitsleben würde ja niemand sagen, naja, wenn ich keine Anstellung finde, dann mache ich mich selbstständig. Oder halt umgekehrt, ach so, die ist Freiberuflerin, nee, das kann ja nichts taugen. Ja, genau.
Vera
00:09:39
Da hast du vollkommen recht. Es gibt sicherlich gute und sehr tolle Verlage, die viel tun für ihre Autorinnen. Das steht völlig außer Frage. Aber es einfach nur an dem Begriff Verlag festzumachen, ohne genau zu hinterfragen, was die eigentlich tun, das ist auch Medien, die was von sich halten. die würde ich.
Tamara
00:10:08
Man muss sich immer fragen, wo möchte ich hin? Wie möchte ich arbeiten? Und welcher Weg ist dann der richtige für mich?
Vera
00:10:19
Richtig, genau. Kann man das abwägen, aber, So diese Verlagshörigkeit, die führt dann zu solchen Auswüchsen, dass halt Menschen da wirklich ausgenommen werden. Ja, ein trauriges Thema. Wie kriege ich jetzt wieder Veröffentlichungseuphorie und die Überleitung zu unserem heutigen wirklich extraordinären tollen Gast hin?
Tamara
00:10:47
Naja, sie hat auf jeden Fall einen tollen Verlag. Die hatten die grandiose Idee, ihr Buch für den Deutschen Buchpreis vorzuschlagen. Und das haben sie nicht nur gemacht, das war sogar erfolgreich. Sie hat gewonnen. Und jetzt könnt ihr euch wahrscheinlich alle schon denken, wer bei uns ist. Wir freuen uns wahnsinnig. Herzlich willkommen, Martina Hefter. Oder ja, guten Morgen, wie geht es dir?
Martina
00:11:10
Hallo zusammen. Ja, guten Morgen geht ja gerade noch.
Tamara
00:11:14
Ja, für Vera ist das quasi fast noch Nacht.
Vera
00:11:17
Ja, genau. Ja, Martina, also ich muss ja gestehen, ich habe mit deinen Preisträger, Vorgänger und Vorgängerin hier und da gefremdelt. Also ich habe es immer mal versucht, es gibt so manches Buch, weil ich es so zurückgelegt habe. Bei deinem Buch ist das anders, das hat einen wirklich richtigen Sog entwickelt. Und das muss ich erstmal vorausschicken und gleichzeitig, da ich ja auch schreibe, auch wieder der Gedanke, verdammt, warum bist du nicht auf die Idee gekommen? Aber was mich jetzt wirklich interessiert, als jemand, der ja auch reich und berühmt werden will, wie sehr verändert so ein deutscher Buch preist das Leben?
Martina
00:12:04
Ja, schon sehr. Also das wäre jetzt in meinem Fall zumindest gelogen, wenn ich sagen würde, es hat sich gar nichts verändert. Dazu muss man sagen eben, dass ich vorher fünf Gedichtbände veröffentlicht habe und jeder und jede Person, die Lyrik schreibt, weiß, das ist was vollkommen anderes. Da ist man schon froh, wenn zu einer Lesung 20 Leute kommen und 15 davon kennt man. Und jetzt kommen zu meinen Lesungen manchmal 200 Leute. Ich kenne davon eigentlich die wenigsten tatsächlich, also wirklich fremde Menschen. Das ist ein ganz großer Unterschied. Ich bin auf einmal so bekannt und man hat so ein Publikum. Das ist für mich ein bisschen neu gewesen. Das Buch hat viele Leserinnen gefunden. Und das sind so andere, ja, man steht anders in der Öffentlichkeit. Ich werde auf der Straße manchmal erkannt. Das ist natürlich alles anders.
Tamara
00:13:03
Aber so auf der Bühne zu stehen, das bist du ja eigentlich gewohnt. Du bist ja auch Performance-Künstlerin, stehst oft auf der Theaterbühne. Ist das jetzt ein anderes... Ja, Gefühl, weil das mehr du bist?
Martina
00:13:18
Nee, da hat sich tatsächlich nichts verändert. Das ist ganz interessant, dass ihr das ansprecht, weil ich glaube, da verändert sich auch nichts. Das ist einfach eine Bühnensituation. Also egal, ob ich jetzt lese, also nur in Anführungszeichen lese oder ob ich so richtig performancemäßig auf der Bühne stehe und einen Text spreche oder so. Das ist eigentlich immer ähnlich. Und ich bin sehr froh, dass sich das eigentlich gar nicht verändert hat. Und ich glaube, das ist auch das, was mir bei Lesungen, wenn auf einmal die Säle so voll sind, auch hilft. Weil ich kann ganz gut damit umgehen. Das ist für mich so eine Situation, da wird so ein Schalter in mir umgekippt und dann bin ich auf on.
Vera
00:14:06
Ja, wir sind ja zwei durchaus mit Bühnenaffinität. Wobei ich dann schon geschluckt habe, weil du gerade sagtest, früher kamen nur so 20 Leute, also wir schreiben keine Dürig und bei uns kommen auch manchmal nur 20 Leute. Also das ist der Unterschied. Jetzt, wie ich ja gerade schon sagte, so dieser Grundgedanke, ich nehme mal diese Scammer als einen Teil der Geschichte, den finde ich ja genial und vor allen Dingen auch die Umsetzung. Gerade heute Morgen kriegte ich wieder eine Hey Beauty, deine Frisur ist so schön. Als du so mit diesem Thema dich auseinandergesetzt hast, Das ist vielleicht auch eine blöde Frage, aber da hattest du da schon irgendwo im Hinterkopf, das könnte was literarisch Großes werden?
Martina
00:14:57
Nee, die Frage ist gar nicht blöd. Das kam tatsächlich sehr schnell mir in den Sinn. Und das war aber gar nicht so ein rationaler, berechnender Gedanke, sondern tatsächlich fast sowas wie ein Gefühl, dass ich gemerkt habe, oh, das muss unbedingt in die Welt, darüber muss ich schreiben. Und dann habe ich es auch gleich gemacht, weil ich eben tatsächlich auch selbst diese Anfragen bekommen habe als Autorin und auch selbst wirklich Lügen erzählt habe und dann so schockiert war, wie lange und wie häufig mir geglaubt wurde. Das war eigentlich nur der Ausgangspunkt, weil ich gedacht habe, die glauben mir jetzt auch, so wie so viele Frauen ihnen, also meistens sind es ja Frauen, ihnen diesen Mist glauben. Und dann habe ich gedacht, da scheint ja auch eine Bedürftigkeit da zu sein, die ganz anders geartet ist auf deren Seite und dann fängt man halt so an. Dann habe ich angefangen, so Lebenssituationen miteinander zu vergleichen, was eigentlich ganz unmöglich ist, weil man die gar nicht so einfach miteinander vergleichen kann. Das wird dann immer größer und immer größer, dann muss man alle möglichen Voraussetzungen noch prüfen und dies und das und Privilegien aneinander halten. Und das war dann so bestürzend, hat das auf mich gewirkt, wo ich so gemerkt habe, komischerweise in diesem Love-Scanning ist so ganz viel von so allgemeinen Zuständen der Welt steckt da drin. Angefangen von den Bildern, die wir anscheinend immer noch so haben, wie so Zuneigung und Liebe anscheinend aussehen soll, indem man sich so kitschige Schwüre schickt oder so. Und das ist schon so wie Valentinstag, wo ich auch immer so denke, würde mir das eigentlich schon reichen? Das war so der Ausgangspunkt.
Tamara
00:16:45
Ja, mir hat es so gut gefallen, obwohl ja, die Figuren alle irgendwo auch Mist bauen, näherst du dich da so ganz zart und respektvoll an und zeigst eben, dass die alle diese Bedürfnisse haben und ja, das rührt unheimlich was an.
Vera
00:17:06
Wo ist jetzt die Frage?
Tamara
00:17:09
Ich stelle das mal so offen zur Diskussion.
Martina
00:17:15
Ja, danke. Das finde ich eine schöne Rückmeldung. Und das ist natürlich etwas, was ich nicht geplant habe, in dem Sinne, dass ich da eben so berechnend oder so ganz planvoll vorgehe als Autorin. Ich glaube, sowas geht auch nicht. Dann würde Literatur irgendwas ganz merkwürdig Konstruiertes werden. Aber natürlich glaube ich, dass ich vielleicht mit einer gewissen, also eben, du hast ja schon gerade gesagt, meine Figuren machen, bauen auch viel Mist und trotzdem habe ich die, glaube ich, gern gehabt und wollte die mit Respekt behandeln und wollte die nicht vorführen. Und im Sinne, es gibt ja auch so eine Literatur, die immer so unbedingt alles aufdecken will und dann muss man seine Figuren auch immer als Idioten vorführen oder so. Oder einige Figuren und das ist irgendwie, sowas mag ich gar nicht so gerne. Ich glaube, da bin ich die Falsche.
Vera
00:18:10
Ne, da bin ich beide. Ich habe gerade das Thema, wenn die Folge rauskommt, erscheint mal ein neues Buch. Und da habe ich eine, ich sage mal, eine etwas knorrige ältere Dame, die die Ermittlerin ist. Und ich kriege schon manchmal so von den Rezendenten die Rückmeldung, dass sie ihnen nicht so sympathisch ist, weil sie so ihren Weg geht. Die meisten sagen dann, dass aber die Geschichte trotzdem gefällt. Und da merke ich immer, dass die Leute doch irgendwie sich schwer tun mit so schwierigeren Personen. Die wollen die immer so einfach haben. Und ja, das finde ich aber langweilig.
Tamara
00:18:50
Ja, und ich glaube gerade weibliche Figuren, also wenn es jetzt ein knorriger Alter wäre, wäre es glaube ich völlig in Ordnung.
Vera
00:18:57
Ja, das kann schon sein, ja.
Martina
00:18:59
Absolut, ja. Die Erfahrung habe ich schon auch bekommen in manchen Rückmeldungen, dass meine Juno, also ich höre die nicht vor, aber natürlich ist die auch auf eine gewisse Weise, die kann aber so ein bisschen schnippisch sein, finde ich. Das hat mir auch tatsächlich Spaß gemacht beim Schreiben, es so anzuhängen. Sie ist schnippisch gutherzig, würde ich mal sagen. Aber es gab schon auch tatsächlich so einige Stimmen, die gesagt haben, dass sie mit dieser Figur nicht wahren geworden wären. Das war aber oft nicht negativ gemeint, sondern dass es eine gewisse Distanz zu ihr gibt. Und das habe ich dann auch gemerkt, dass Frauenfiguren, da werden oft noch so ganz andere Verhaltensweisen erwartet oder weiblich gelesene Figuren, also wie auch immer.
Vera
00:19:45
Also mir hat sie sehr gefallen. Also ich habe wirklich ein paar Mal so gedacht, verdammt, dem nächsten Scammer schreibst du jetzt auch sowas.
Tamara
00:19:56
Lustigerweise, ich hatte ganz lange Ruhe vor denen. Und seit ich vor, wann war die Lesung in Saarlouis? Vor drei, vier Wochen oder so?
Martina
00:20:03
Ja, vor drei Wochen.
Tamara
00:20:04
Seit ich dort war, kriege ich wieder Antworten.
Vera
00:20:09
Wahrscheinlich antworten jetzt alle so. Die sind jetzt beschäftigt.
Tamara
00:20:14
Aber das ist ja auch durchaus ein Thema von dir, die Frau und wie sie wahrgenommen wird, wie die Gesellschaft sie gerne hätte, jetzt auch gerade speziell die Frau über 50, Sichtbarkeit und so weiter. Wie bewusst hast du denn ihren Charakter angelegt?
Martina
00:20:34
Ja, der hat sich während des Schreibprozesses schon nochmal entwickelt. Also am Anfang habe ich den noch gar nicht so bewusst angelegt. So schreibe ich eben, wie gesagt, mich. Ich habe ja eben vorher sehr lange Lyrik geschrieben und war auch vorher bei meinen vorigen drei Romanen. Also ich bin nicht so interessiert an so einer klassischen Figurenentwicklungsarbeit, zum Beispiel, dass man sich das vorher alles schon so zurechtlegt. Das interessiert mich nicht so sehr so im Schreiben. und man hat natürlich trotzdem immer so ein unklares Bild im Kopf, Aber ich glaube, das hat sich tatsächlich mit dem Schreiben mehr und mehr herauskristallisiert und dann kann man natürlich eben auch immer rückwirkend nochmal, wie soll ich das nennen, nachkorrigieren oder überarbeiten am Anfang, wo man dann merkt, ah, da könnte ich noch.
Vera
00:21:25
Entwickelt, ja.
Martina
00:21:26
Genau, so.
Vera
00:21:28
Jetzt wird in den Besprechungen vermutet, dass das auch autobiografische Züge seien, also dass du eigentlich die Juno bist und dein Mann ist Jupiter. Und war das schon von vornherein ein Plan? Ist es überhaupt so? Oder hat sich das entwickelt?
Martina
00:21:47
Ja, ja. Nee, das sind definitiv nicht ich und mein Mann. Das sind eben genauso diese diese ganz feinen Zwischentöne, die sowas ausmachen, von denen man sagt, das ist Autofiktion. Wobei ich glaube eben nicht, dass ich eine autofiktionale Autorin bin, sondern ich bin ja eben auch Performance-Künstlerin und da, also das Stichwort Inszenierung ist ein ganz wichtiges immer schon gewesen für mich, und insofern inszeniere ich diese Juno auch, das ist überhaupt nicht, ich habe so, Grunddaten meines Lebens genommen. Das ist aber wirklich nur so eine Art Struktur. Und wie diese Juno dann ist, wie die redet und so. Also ich glaube nicht, dass ich immer so rede. Ich habe auch überhaupt nicht an mich gedacht. Also das war eigentlich so, ganz am Anfang war es noch ein gedichtförmiger Text. Da gab es auch noch ein Ich. Da war auch Jupiter noch gar nicht da. Da war es vielleicht noch ein bisschen anders. Da ging es erst mal nur um das Love Scamming. Und da war das viel mehr von meinem eigenen subjektiven Erleben aus erzählt. Und dann bin ich aber sehr schnell auf die Personale, eigentlich ist es eine auktoriale Perspektive, die ich im Roman habe, aber oft verschwimmt das so. Und dann war es sofort eine ganz eigenständige Person. Und auch der Jupiter. Das ist eben immer, ich glaube, man kann, Ich würde mal sagen, niemals das Gleichsetzen. Selbst in richtig autobiografischen Romanen ist es immer im Schreibprozess, werden das Figuren. Ich glaube, das kann ich schon sagen. Das sehe ich auch bei allen Romanen, die jetzt so ausgewiesen autofiktional sind, die ich gelesen habe, ist das für mich auch tatsächlich gar nicht mehr wichtig, ob das jetzt wirklich so die Autorin war oder der Autor. Bei Sylvia Plas zum Beispiel die Glasglocke da, weiß nicht, ob ihr das kennt, das ist schon aus den 50er Jahren und das ist irgendwie völlig unerheblich, dass das autobiografisch ist.
Vera
00:23:49
Also ich glaube, dann sind auch wahrscheinlich alle meine Bücher autofiktional, weil ich habe sowohl die knorrige Alte als auch die verrückte Junge, alles ist mit mir drin. Ich bin ja bei uns die Pragmatikerin, jetzt muss ich mal mehr auf die Technik gehen. Du hast ja gerade schon gesagt, dass es da so einen Entwicklungsprozess gab in der Geschichte. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?
Martina
00:24:14
Ja, tatsächlich gar nicht so lange. Ich glaube, insgesamt so ein, dreiviertel Jahre mit allem drum und dran. Aber das ist bei mir gar nichts so Besonderes. Ich kann wirklich schnell und konzentriert arbeiten, wenn ich mal mich an was festgebissen habe.
Vera
00:24:31
War das denn von vornherein? Hattest du schon die Veröffentlichung klar oder bist du dann erst rausgegangen an Verlage oder Oder wie lief das zeitlich an?
Martina
00:24:40
Das war am Anfang, wie gesagt, sollte das eigentlich noch bei meinem Lyrik-Verlag erscheinen, Cookbooks aus Berlin. Und als Langgedicht oder Dings zwischen Essay und Langgedicht. Und dann irgendwann war aber so ein bisschen klar, oh, das geht doch woanders hin. Und dann habe ich lange überlegt, was mache ich damit? Irgendwann war eben klar, es ist ein Roman und ich kam immer mehr ins Erzählen. Und ja, dann bin ich zu einer Agentur gegangen damit, weil ich schon wusste, ich möchte. Das war tatsächlich so ein bisschen intuitiv. Ich habe gemerkt, ohne das drauf anzulegen, aber ich habe gemerkt, ich könnte damit mehr Leute erreichen. Und so ein kleiner, also Lyrik-Verlag, Cookbooks ist sehr bekannt, aber halt doch ein kleiner Verlag und auch auf Lyrik spezialisiert, der kann das gar nicht leisten. Und dann, das war dann schon im Sommer 23, als ich zur Agentur gegangen bin, aber die haben es auch sofort angenommen zur Vermittlung. Und dann zur Frankfurter Buchmesse, 23, hatte ich dann vier oder fünf Angebote von Verlangen.
Vera
00:25:46
Das ging ja dann flott.
Martina
00:25:48
Ja, das ging flott.
Vera
00:25:50
Ich meine, da hat man dann doch schon das Gefühl, dass man scheint, was getroffen zu haben, wenn es so schnell geht.
Martina
00:25:57
Ja, das hat mir auch so ein bisschen schon Vertrauen dann in den Text gegeben. Der war dann im Großen und Ganzen fertig. Aber als ich mich dann für Klett-Kotter entschieden habe, da war schon klar, dass ich noch ein bisschen weiterarbeiten möchte dran. Also nicht so im Großen und Ganzen ganz neu alles aufrollen, sondern hier und da waren für mich noch Leerstellen und das hat zum Glück auch meine Lektorin so gesehen. und ja.
Tamara
00:26:26
Mich interessiert gerade dieser Schreibprozess unheimlich, weil wenn man so in die Genreliteratur guckt, dann ist ja immer ganz klar, okay, wir brauchen einen festen Plot oder auch wenn es entdeckendes Schreiben ist, man braucht bestimmte Punkte, die abgearbeitet werden müssen und es ist ja alles, ja, muss handlungsgetrieben sein und so. Wie geht man mit so einem Text um, der ja einfach ganz viel auch über Gedankengänge funktioniert. Und du hast gerade gesagt, erst war es ein Langgedicht. Hast du das dann komplett verworfen? Wie hast du mit diesem Text gearbeitet?
Martina
00:27:05
Ich hatte so ein paar Motive. Also das Weltall- und Sternenmotiv zum Beispiel, das war wie so eine Art Strukturgeber. Das habe ich immer so versucht, jetzt nicht vor jedes Kapitel zu setzen, aber doch vor einige als kleine Vignette sozusagen. Und daraus konnte man dann ganz gut in die Szenen oft reinspringen und dann haben diese Motive auch, innerhalb des Erzählten manchmal nochmal so ein bisschen ihren Ausdruck gefunden. Also die tauchten dann auch so nochmal auf. Das war so eine Sache. Also ich bin halt auch so choreografisch interessiert. Und wenn ich so Bühnenarbeiten mache, dann muss man den Raum ja auch füllen. Und da geht es ja eben auch nicht nur darum, welche Geschichte man erzählt, sondern eben wie man die erzählt, wann kommt welche Szene. Und so ähnlich ist es da eigentlich auch. Also eigentlich arbeite ich immer so ein bisschen mit Szenen und die waren auch am Anfang manchmal noch ganz anders angeordnet. Also manchmal musste ich dann richtig schieben, manchmal war es auch ganz schön tricky, weil die Anschlüsse nicht immer gestimmt haben. Dann musste man nachträglich nochmal ein bisschen anders erzählen oder die Zeit einfach nochmal anpassen. Aber das hat schon immer seinen Sinn gehabt, diese zeitlichen Abläufe nochmal genau anzugucken. Und ich glaube tatsächlich, also ich kenne niemand, also ich kenne schon auch andere Romanschriftstellerinnen, niemand von denen schreibt komplett chronologisch. Ich glaube tatsächlich, dass dann wird es auch so ein bisschen, wenn es das gibt, ein bisschen wäre mir das vielleicht zu schematisch. Also ich habe für mich gemerkt, sowas geht gar nicht. Also man muss immer ein bisschen vor- und zurückspringen, weil einem dann da wieder was einfällt, was vielleicht wichtig ist im Laufe der Geschichte. So war es da auch. Eben so dieses Verhältnis zwischen ganz genau in eine Szene reinzoomen und dann wieder so ein bisschen zeitübergreifend erzählen, das finde ich immer ganz wichtig, so man sich das Verhältnis ganz genau anschaut. Weil ich zum Beispiel, ja, ich finde es wichtig, dass es in so einem Gleichgewicht ist.
Tamara
00:29:18
Ja, ich finde das Bild gerade total interessant, so den Roman wie so eine Choreografie irgendwo zu betrachten, wie so ein Tanz.
Martina
00:29:28
Mhm.
Tamara
00:29:29
Ich habe jetzt auch keine Frage zu.
Vera
00:29:33
Ja, und ich bin jetzt gerade ein bisschen eingeschüchtert, weil ich denke, ich schreibe schon irgendwie chronologisch, aber ich gewinne auch nicht den deutschen Buchpreis.
Martina
00:29:42
Das muss, ich glaube nicht, nicht, dass ich mich jetzt falsch ausgerückt habe, das muss nicht per se etwas Schlechtes sein, nur ich glaube, für mich würde das nicht funktionieren. Für mich wäre das zu schematisch oder so.
Vera
00:29:53
Also was mir häufig passiert, um da die Brücke zu schlagen, dass ich dann doch so zum Ende hin merke, dass mein vorher ausgedachter Mörder gar kein guter Mörder ist, sondern ein anderer, den ich so mitgeschleift habe, viel besser passen würde. Und dann muss ich am Anfang wieder drei, vier Sätze ändern und plötzlich wird ein anderer der Mörder oder die Mörderin.
Martina
00:30:15
Ja, bei Krimis ist das ja auch, glaube ich, nochmal was ganz anderes. Oder bei solchen Art von Spannungsliteratur, ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, ohne dass es jetzt blöd oder abwertend bringt. Ich glaube, da sind noch mal ganz andere Gegebenheiten.
Vera
00:30:31
Ja, man braucht ja auch wir auch da. Wir hatten das ja schon mit den Erwartungen der Leser und Leserinnen. Und ich bin da ja nur eher so in der Mainstream-Literatur unterwegs unterwegs. Jetzt wirkst du ja, wenn wir so mit dir reden, sehr, sehr gefestigt, was deinen Text angeht. Und du hast ja auch direkt Agentur gefunden und Verlager, gleich mehrere haben sich drum beworben. Das ist ja eigentlich eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte. Gab es Momente des Zweifels an deinem Text?
Martina
00:30:59
An dem Roman? Ja, die gibt es bei mir, ist das Zweifeln inhärent im Schreiben. Also ich zweifle eigentlich an jeder Zeile und schaue die zehntausendmal an und überarbeite. Also das finde ich aber eben auch überhaupt nicht Schlimmes. Das gehört für mich tatsächlich zu jeder künstlerischen Arbeit komplett dazu.
Vera
00:31:22
Wie ist das denn dann, wenn so ein Buch rauskommt? Also ich stehe jetzt gerade vor dem Moment, wenn dann so die ersten Leser und Leserinnen Rezensionen abgeben, das erste Feedback kommt. Wie aufgeregt bist du dann oder bist du dann durch und denkst, das wird schon klappen?
Martina
00:31:41
Ich würde mal sagen, so eine Mischung aus beiden. Einfach aus dem Grund, weil, naja, mein erster Roman kam 2001 raus und ich war damit nicht bekannt oder so, wobei der wurde schon sehr groß besprochen, aber der hat nicht viele Käuferinnen gefunden. Aber so diese ganze Zeitspanne, das sind ja jetzt 24 Jahre. Ich glaube da, ob man will oder nicht und egal wie erfolgreich man ist oder eben nicht, bekommt man da eine gewisse Erfahrung und auch eine gewisse Gelassenheit tatsächlich. Also da habe ich schon gemerkt, ja, ich würde mich freuen, wenn es ein bisschen Aufmerksamkeit gäbe und vielleicht kriege ich die auch, weil eben die letzten Gedichtbände zum Beispiel auch wirklich groß besprochen wurden und so. Also das ist eben gar nicht so, dass man da immer so komplett unterm Radar ist. Aber in den Verkaufszahlen spiegelt sich das eben nicht wider. Und dann dachte ich, ja, würde mich freuen. Aber wenn es nicht klappt, ist es auch nicht so schlimm. Irgendwie bin ich an so einem Punkt, wo ich immer merke, ja, ich habe es so gut gemacht, wie ich konnte. Und mehr kann ich jetzt nicht. Und es könnte vielleicht unangenehm werden, wenn es dann nur für Risse hagelt. Ich glaube, bei mir ist es eher immer so, dass es mir dann für den Verlag so leid tut als für mich selbst. Weil ich immer denke, oh, die haben sich so ins Zeug gelegt und haben mir einen Vorschuss gezahlt und so. Und dann wird das nichts. Dann ist mir das eher für die unangenehm als für mich selbst.
Vera
00:33:12
Ja gut, das ist unsere Situation als Self-Pubbisher ein bisschen anders.
Martina
00:33:17
Ja, stimmt. Das ist ein totaler Unterschied. Damit habe ich mich auch noch wenig auseinandergesetzt. Magst du da was dazu erzählen? Oder ist das gar nicht der Raum?
Vera
00:33:27
Ja, also wir haben jetzt in den vergangenen 260 Folgen da relativ viel über erzählt. Aber wir können das gerne unter uns nachher so, gar nicht da gerne ein paar Einblicke geben. Da interessiert er jetzt, für mich ist ja immer so diese Sicht zu den Verlagsautoren, Autorinnen und dann noch die, die dann so einen renommierten Literaturpreis genommen, so ein bisschen wie der Blick in ein anderes Universum.
Tamara
00:33:55
Wo müssen wir wieder beim Weltall wären?
Vera
00:33:58
Genau, deswegen muss ich da so neugierig nachfragen. So, jetzt ist das Buch auf den Markt gekommen, die Besprechungen, gehe ich mal von aus, waren positiv. So, dann wurde es irgendwann für den Deutschen Buchpreis eingereicht. Wie überraschend war es für dich da überhaupt dann in die Longlist oder Shortlist zu kommen? Oder warst du da wie dein rumpolkender Kollege völlig überzeugt, dass du gewinnen musst?
Martina
00:34:26
Nee, gar nicht. Also ich wusste, dass mein Verlag das eingereicht hatte oder einreichen wollte. Ich kam ja erst auf der Longlist. Und das war gar nicht so, dass ich so mega überrascht war, aber auch nicht, dass ich jetzt vorher gedacht hätte, ich muss da auf jeden Fall drauf sein. Das sind ja 20 Bücher und naja, ich hatte halt vorher schon zwei Preise für das Buch bekommen und ich wusste dann schon, also ich konnte mir das ausrechnen und es kamen schon echt viele tolle Besprechungen, bevor die Shortlist rauskam, die Loglist rauskam. Und dann wusste ich schon, okay, die Leute haben das so auf dem Schirm, das Buch. Und weil jetzt so viele schöne Besprechungen waren, ja vielleicht, aber ich habe es auch nicht so nah an mich herangelassen. Ich habe immer versucht, mir gar nicht so viele Gedanken darüber zu machen. Weil tatsächlich durch diese beiden Preise, die ich bekommen habe vorher schon, das wusste ich schon im Juni, dass ich die bekomme, habe ich immer gedacht, naja, ich habe schon diese zwei Preise. eigentlich ist das schon so mega toll. Deswegen bin ich da so wirklich sehr entspannt auf diese Longlist zugegangen. Natürlich, als ich dann drauf war, habe ich mich schon sehr gefreut. So war es jetzt auch nicht.
Vera
00:35:46
Na gut, wenn du zwei Preise schon vorher hast, dann warst du ja schon vorgewärmt quasi. Ich habe mir, als ich das Buch bekommen habe, da ist mir dann ein Satz aufgefallen, der auf der Rückseite steht. Da sind ja immer Zitate von Kollegen und Kolleginnen drauf oder von Zeitungen und bei dir steht ganz dick der Satz von, ich hoffe, ich spreche den Namen auf, Dinsche Gütter.
Martina
00:36:09
Dinsche Gütter, genau.
Vera
00:36:12
Jede Zeile ist bereit, die strenge Fassade der Gesellschaft einzureißen. Ich habe mich gefragt, wenn jemand so etwas über mein Buch schreiben würde, was würde ich dann denken? Wäre ich begeistert oder würde ich sagen, hä? Das erinnert mich so ein bisschen an den Deutschunterricht früher. Was hat der Schriftsteller oder Schriftstellerin sich gedacht? Wie nimmst du einen solchen Satz zu deinem Werk auf? Denkst du, ja, er hat recht? Oder einfach nur toll? Verstehst du, was er genau meint?
Martina
00:36:49
Ja, ja, ja, also das ist natürlich so, das sind ja diese sogenannten Blurbs, und um die ich jetzt auch sehr häufig gebeten werde, und das ist halt immer so, dass jemand noch ein der vielleicht schon ein bisschen bekannter ist, Dintr Gütte, der hat den Preis der Leipziger Buchmesse 23 gewonnen und ist ein guter Freund von mir im Übrigen.
Vera
00:37:11
Und da müssen wir gleich mal drüber unterhalten, weil der wohnt bei mir in der Nähe. Wir haben nämlich gerade schon überlegt, ob wir ihn mal einladen sollen.
Martina
00:37:17
Ja, und das müsst ihr machen. Der ist so toll. Also der ist auch mega unterhaltsam. Den lieben alle, wenn der auf Lesungen ist. Der Entertainer schlechthin, aber ohne, also schon mit Gehalt und so. Naja, jedenfalls, ich hatte ihn und Anne Weber, die auch was geschrieben hat, weil ich die auch sehr gut kenne, halt gebeten oder gefragt, ob sie mir was schreiben können. Und dann bei solchen Blurbs kriegt man dann immer das ist eben nicht nur ein Satz, meistens kriegt man so einen kleinen Absatz und das macht dann eigentlich der Verlag, Murphy-Abteilung oder Werbung, die suchen sich dann halt das Beste aus oder was daraus. Und ich fand den Satz super. Ich finde, dass der, also für mich passt der. Und man wird dann natürlich auch noch gefragt, ob man damit einverstanden ist. Und ich fand ihn gut. Aber ich kenne halt auch Dinscher und ich fand ihn passend. Man muss allerdings dazu sagen, dass das jetzt nicht mehr draufsteht. Jetzt steht in der aktuellen oder in den letzten Ausgaben steht, was von Daniel Kehlmann drauf.
Vera
00:38:21
Weil der noch bekannter ist.
Martina
00:38:25
Das ist wirklich immer so. Aber das war auch ein wunderschöner, das ist ein ganzer Absatz. Der hat das Buch in der Süddeutschen Zeitung, da gab es so eine Weihnachtsausgabe, wo man sein Buch des Jahres vorstellen sollte. Lustigerweise habe ich auch mitgemacht. Aber ich habe nicht Daniel Kehlmann genommen. Sehr lustig gewesen.
Vera
00:38:47
Ja, aber er kommt da so ein bisschen vor wie so ein Kompliment, was einem macht. Man will es ja annehmen, man freut sich auch, aber man errötet doch seicht.
Martina
00:38:53
Ja, ich glaube tatsächlich ist das so ein bisschen das Wissen irgendwie alle, was es mit diesen Blurbs so auf sich hat. Und das kann man ruhig dann annehmen. Also der Verlag, der freut sich darüber, weil vielleicht hilft es auch manchen Leuten, wenn sie das Buch eben noch nicht kennen und sie kennen vielleicht Texte von Dintscher, dann ist das, glaube ich, so ein bisschen so eine Orientierungshilfe, eigentlich eher so.
Vera
00:39:20
Tamara hat geatmet, dann muss sie.
Tamara
00:39:22
Ja, sag den Satz mal, bitte noch mal kurz.
Vera
00:39:26
Jede Zeile ist bereit, die strenge Fassade der Gesellschaft einzureißen.
Tamara
00:39:31
Genau. Wie war das denn? Also du hast ja eben diese, ich sag mal, vordergründige Handlung, die Geschichte mit dem Love-Scamming und dann eben sehr viele gesellschaftliche Dinge, die überall mal wieder mit drin sind. Ist das passiert oder sind das einfach Themen, die sowieso bei dir immer raus müssen? Hast du dir vorher überlegt, wozu möchte ich mal was sagen?
Martina
00:39:56
Nee, das ist eben eigentlich, überlegen ist das falsche Wort, glaube ich. Ich glaube, manche Themen schwimmen so in einem herum und die bearbeitet man schon viel länger irgendwie gedanklich. Das war da natürlich schon auch so, aber immer tatsächlich im Hinblick auf dieses Love-Scamming-Thema. Da haben sich eben mir diese anderen Themen, also gerade die Pflegearbeit oder barrierefreie Gesellschaft, auch das Älterwerden gerade als weiblich gelesene Personen, die haben sich dann quasi ein bisschen wie an diesem Love-Scamming-Thema oder an diesen Themen, die damit in Verbindung stehen, so ein bisschen gerieben oder haben sich so daran gespiegelt, würde ich sagen. Und das wurde, wie gesagt, im Schreibprozess immer noch stärker und das hat mich natürlich immer mehr motiviert, diese Themen so mit aufzugreifen. Die gehören auch unbedingt mit dazu. Und das hat mich immer so manchmal, also das wurde nie negativ gesagt, sondern wurde immer eigentlich positiv erwähnt, aber dass der Roman so viele Themen hätte und ich denke immer, ja, das Leben ist doch so, da gibt es immer ein Thema, da ist jeden Tag tausend Themen, mit denen ich zu tun habe und so war das glaube ich auch.
Tamara
00:41:13
Ich habe tatsächlich, als ich jetzt, also mein Buch kommt in zwei Wochen raus und es ist das erste Mal, dass ich ein anderes Genre schreibe, ein Drama, und dass ich auch politische Themen drin habe. Und ich habe tatsächlich im Vorfeld auch eine Rückfrage bekommen, ist das jetzt nicht ein bisschen zu politisch? Die Frage würde ich gerne mal weitergeben. Sollte Literatur politisch sein immer, manchmal, wie sehr? Was ist da so deine Sicht?
Martina
00:41:42
Also vorsätzlich politisch würde ich sagen, geht schief. Wenn man sich vornimmt, jetzt schreibe ich mal einen Roman über die AfD oder so. Also es muss von irgendwas dabei sein, was einen wirklich dann was angeht. Und sonst würde ich einfach sagen, es ist immer einfach die Frage, wie es dann ausgeführt ist. Und darauf kommt es letztendlich an. Und auf der anderen Seite denke ich, so ganz unpolitisch kann ich mir gar nicht vorstellen, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, ist es auf eine gewisse Weise immer politisch. Es gibt ja den berühmten Spruch, das Private ist politisch. Und da würde ich schon sagen, das gibt schon Grenzen, wo das nicht mehr gilt. Aber ich glaube, wenn man zeitgenössisch arbeitet, dann ist es auf irgendeine Weise immer ein bisschen politisch, würde ich mal sagen.
Tamara
00:42:37
Ja, weil man ja zu allem irgendwo eine Meinung hat.
Martina
00:42:40
Genau. Also ich frage mich immer, wie es aussehen sollte, wenn etwas gar nicht politisch ist. ist vielleicht eine Liebesgeschichte von zwei Personen, die sich auf einem Schloss treffen und dann geht es nur um die Liebe.
Vera
00:42:54
Die gibt es auch.
Martina
00:42:57
Gibt es auch und es kann auch toll sein. Aber ich wüsste nicht, ob ich jetzt sowas...
Vera
00:43:02
Ich glaube, Rosamunde Pilscher ist nicht politisch.
Martina
00:43:06
Ja, ja, genau.
Tamara
00:43:07
Sind da nicht irgendwelche Stände auch, unterschiedliche Stände?
Vera
00:43:11
Ja, das ist, Samftpolizei. Ich muss ja jetzt mal wieder auf das geschäftliche zurückgehen. Jetzt bist du Buchpreisgewinnerin, du bist bekannt, wirst auf den Straßen erkannt, hast 200 Leute bei Lesungen. Was machst du denn jetzt? Was schreibst du denn jetzt?
Martina
00:43:37
Ich schreibe einfach meinen nächsten Roman. Ziemlich unbeeindruckt zum Glück. Also es gibt manchmal so kleine Momente, wo ich dann denke, ah, wird es den Leuten gefallen, denen mein letztes Buch gefallen hat, weil es ist schon anders. Aber ich merke immer wieder, es bringt nichts, mir diese Fragen zu stellen. Es bringt nichts, sich draus bringen zu lassen. Das ist vielleicht wirklich auch die Erfahrung, dass ich möchte dieses Buch schreiben. Und es geht jetzt eher darum, natürlich, wie ich das gut hinbekomme, aber unabhängig davon, wie andere Leute das jetzt wegen dem Buchpreis finden können. Also erstmal muss es mir selbst gefallen und natürlich denke ich auch an Leserinnen, aber das tut man ja sowieso immer.
Vera
00:44:21
Ja, aber ich habe mir so sagen lassen, auch von erfolgreichen Verlagsautoren, Autorinnen, dass es schon einen gewissen Druck gibt für erfolgreiche Autorinnen, dass der nächste Titel auch wieder, naja, letztlich sein Geld einspielen muss.
Martina
00:44:36
Also bei mir würde ich nicht sagen, dass es Druck ist. Die freuen sich natürlich. Und ich meine, das muss man immer wissen. So läuft das in der Verlagsbranche. Das habe ich bei mir selber jetzt nicht so erlebt. Weil, wie gesagt, habe ich vorher Gedichte gemacht. Und vorher die Romane, das waren auch kleinere Verlage. Aber ich weiß es, bei anderen Autorinnen, die in größeren Verlagen sind, Und wenn da das zweite Buch nicht läuft, dann sind die beim dritten Buch raus. Und das weiß ich auch, das wird bei mir nicht anders sein. Also das ist so ein bisschen, so ist es halt, das muss man wissen. Damit muss man umgehen. Und ich glaube aber eben, dann schreibe ich halt wieder Lyrik. Also mir kann so gesehen nichts passieren. Ich habe so lange das geschafft, trotzdem auch zu leben damit. Das ist prekär, aber es ist trotzdem immer gegangen. Ich habe auch zwei Kinder großgezogen, mit Klavierunterricht sogar, auch wenn ich von einer Auflage vielleicht 900 Stück verkauft habe oder so. Mir kann so nichts passieren. Aber das muss man sich auch erst mal, glaube ich, erarbeiten können, diese Haltung. Das ist einfach so jahrelanges Arbeiten. Im Prinzip habe ich jetzt erreicht, was ich wollte. Ich wollte das gar nicht, aber im Prinzip habe ich schon viel erreicht.
Tamara
00:45:57
Ja, ich glaube, man kann in der Situation entweder sagen, ich muss jetzt unbedingt oder man sagt, ich mache jetzt das, was mir im Herzen brennt und ich vermute, Letzteres ist der Weg, der eher was richtig Cooles dann nochmal rausbringt. Und ich würde unheimlich gern noch mal auf diese Gedichte eingehen. Da muss ich vielleicht ganz kurz erklären, warum mich das gerade so berührt. Ich hatte so früher eine Schule und so totale Gedichtssperre. Das erste Mal, ich habe eine Lyrikerin kennengelernt, die war auch schon mal hier zu Besuch. Und ich mag ihre Gedichte sehr gerne. Da habe ich zum ersten Mal wieder Kontakt damit gehabt. Ich mag sie und ich finde toll, wie sie das vorträgt und so. Und jetzt hatte ich beim Schreiben meines Romans zum ersten Mal das Gefühl, dieser Protagonist ist ein Mensch, der Gedichte schreiben würde. Aber ich habe mir nicht zugetraut, seine Gedichte zu schreiben, wollte mir das auch nicht anmaßen und deswegen habe ich mit ihr zusammengearbeitet. Sie hat tolle Gedichte für mein Buch geschrieben, die dann im Roman offiziell aus seiner Feder stammen und jetzt, berührt mich dieses Thema Gedichte wieder oder streift mich dieses Thema Gedichte wieder mit deinem Buch, wo du ja auch gesagt hast, am Anfang war es eher ein langes Gedicht. Ich würde mir jetzt wünschen, ein. Lobgesang ans Gedicht, vielleicht auch einfach vor dem Hintergrund, was tut es für das Schreiben? Warum sollte ich mich mehr mit Gedichten beschäftigen? Was kann ich davon rausziehen? Und wie finde ich einen sinnvollen Zugang.
Martina
00:47:41
Ja, gerne. Zunächst mal finde ich das aber eine super Idee, was du mir gerade erzählt hast, über dein Buch mit dem, jemand anderen die Gedichte schreiben zu lassen. Das ist ja auch schon wieder so, hat ja ganz viel wieder mit Inszenierung und Authentizität zu tun und so. Sowas finde ich toll. Da bin ich sehr gespannt. Ja, ja, also Gedichte gibt natürlich ganz, ganz viele unterschiedliche Schreibweisen und so und da muss man erstmal, glaube ich, als allererstes, wenn ich jetzt mal auf die LeserInnen-Seite schaue, muss man rausfinden für sich, was einem denn so zusagt. Mag ich lieber so kurze, nackige, vielleicht auch aktivistische Gedichte oder mag ich lieber lange Sachen? Da muss man erstmal so rausfinden, glaube ich auch, was es da überhaupt alles gibt und daran hapert es ja eigentlich schon, dass das auch nicht vermittelt wird, weil wir halt als LyrikerInnen einfach nicht präsent sind, in der Literaturkritik nicht. Da muss ich schon auch sagen, ich finde das sonst toll, aber bei den Buchbloggerinnen so, hapert es da leider auch. Also da geht es streng nur nach Romanen und finde ich manchmal ein bisschen schade. Ja, was kann die Lyrik, sagen wir mal so, da gab es schon ganze Symposien dazu. Ich glaube, das ist genau das. Dass wir lernen könnten, vielleicht generell fürs Schreiben oder auch fürs Lesen, dass es eben nicht unbedingt immer nur der Plot und dass die Geschichte an sich ist spannend oder eine ganz stringente Handlung, sondern es kann eben auch mal spannend sein, wenn es vielleicht nur ganz wenig Handlung gibt oder wenn die Sprache im Vordergrund steht oder wenn Bilder entstehen, wo es vielleicht erst mal um gar nichts geht oder nur um bestimmte Gefühle vielleicht oder auch bestimmte Gedanken. Das ist für mich so, das ist ganz schwierig, das so klar und knackig auszudrücken. Also alles, was so vielleicht im Stichwort, wo wir eben wieder bei so Verlagsaspekten sind, Lyrik lässt sich nicht immer in so eine Verkäuflichkeit quetschen. Und damit entzieht sie sich manchmal auch so ein bisschen schnöden Prozessen von dem, was so verkäuflich ist. So eine Art Verwertungslogik, dem kann man sich damit entziehen. Und deswegen hat die auch ganz großes revolutionäres Potenzial eigentlich innerhalb der Literatur. Also man hat halt sehr viel, auf bestimmte Weise sehr viel Freiheit. Auf der anderen Seite hat man sehr wenig Freiheiten, weil die Lyrik hat schon sehr viel eigene Gesetzmäßigkeiten. Das ist eben auch ein ganz wichtiges Stichwort. Ich glaube, mit Lyrik kann ich nur Leute erreichen, wenn auch meine Lyrik wirklich handwerklich gut gemacht ist. Also das ist eben nicht so, dass man einfach so darauf losschreibt und dann ein paar Zeilenbrüche macht. so. Ja, das sind, jetzt habe ich schon irgendwie, glaube ich, viel zu viel erzählt.
Vera
00:50:37
Bei uns kann man nicht zu viel erzählen. Wobei ich wieder als Pragmatikerin natürlich dann schon den Aspekt, den du ja jetzt auch gestreift hast. Ich meine, das Schreiben, wenn man es nicht wirklich nur rein so für sich macht, hat ja auch immer noch so einen existenziellen Charakter, weil irgendwie muss ja Geld reinkommen. Du hast vorhin ja auch schon mal so Zahlen gesagt. Und ganz ehrlich, ich habe das ja häufig auf Messeständen, im Selbstpublisher Verband oder sonst wo oder auch so werde ich ja angesprochen von Autoren, Autorinnen und wenn sie Lyriks schreiben. Ich meine, schön, wenn sie Spaß dran haben, aber die Hoffnung damit in irgendeiner Form Geld reinzuhaben oder im Selbstpublishing vielleicht sogar nur die Kosten reinzuspielen, muss ich ihnen meistens nehmen. So, jetzt hast du davon, ja, wenn ich das richtig verstanden habe, ja durchaus auch gelebt, neben Klavierunterricht und so. Ich meine, Was hast du denn da anders gemacht?
Martina
00:51:32
Den Klavierunterricht habe nicht ich gegeben, den habe ich meinen Töchtern bezahlt.
Tamara
00:51:35
Das war ein Kostenpunkt.
Vera
00:51:38
Okay, Entschuldigung, dann habe ich das falsch verstanden.
Martina
00:51:41
In der Lyrik ist es so, dass man nicht vom Verkauf der Bücher lebt, sondern sehr viel von Lesungen tatsächlich auch. Das ist ein bisschen anders als mit den Lesungen, die ich jetzt so mache. Meistens wird man so auf so Festivals eingeladen. Das ist auch sehr schön, wo sich wirklich viele treffen. Das sind wie so kleine Buchmessen. Viele Leute oder mehrere Leute lesen zusammen. Manchmal ist es auch mehrtägig oder so. Das ist das eine. und dann haben wir, also ich habe sehr oft dann an den berühmten, in Anführungszeichen, Schreibschulen unterrichtet. Also ich habe ja selbst auch in Leipzig am Literaturinstitut studiert. Da habe ich auch mehrmals unterrichtet, genauso in Wien. Und auch, weil ich mich eben auch auf dem Feld der Performance bewege, habe ich auch in Halle an der Burg Gibichenstein, an der Kunsthochschule, im Bereich so Performance unterrichtet. Und das ist so ein bisschen so ein Gemischtwarenladen, würde ich sagen, was man dann da macht. Und es gibt natürlich auch viele, die haben noch einen Brotjob. Und für mich waren diese Jobs, die ich hatte, nicht Brotjobs. Die haben für mich zum Schreiben mit dazugehört. Das ist alles im Bereich der Literatur, der Kunst. Und deswegen habe ich das auch immer gern gemacht. Und da muss man so ein bisschen gucken. Das ist natürlich anstrengend, weil man muss sich immer wieder neu kümmern. Ich kann nie erwarten, dass man jetzt wieder eingeladen wird. Meine Katze miaut.
Tamara
00:53:05
Ich muss mal kurz sprechen, es soll auch ihre Redezeit geben.
Martina
00:53:11
Also es ist eigentlich ein Kater. Die Katze ist auch da, aber die ist bei meinem Mann drüben. Ja, und da kommt das eben ganz woanders her.
Vera
00:53:20
Also man muss schon eine hohe Flexibilität haben und auch eine Bereitschaft, die Komfortzone zu verlassen.
Martina
00:53:26
Ja, definitiv.
Vera
00:53:27
Das geht ja, glaube ich, generell für Schreibende. Der Prozentsatz, der davon leben kann, ist ja sehr, sehr gering.
Martina
00:53:34
Super gering, genau.
Tamara
00:53:35
Ja, ich muss gestehen, ich finde das ja auch spannend, also auch dieses Verwischen von Grenzen zwischen verschiedenen Kunstformen und so und dass man da Dinge kombiniert, also ich glaube, da kann man auch nur von profitieren.
Martina
00:53:51
Definitiv. Also das merke ich immer wieder. Das beeinflusst auch das Schreiben, auch manchmal wie ich Bilder auch visualisieren kann für Romane oder so bestimmte Bühnenhaltungen auf meinen Romanfiguren auffropfen kann, so ungefähr. Eine gewisse Form, also auf der Bühne hat man ja eigentlich immer eine ganz kleine gewisse Form der Übertreibung. Das kommt das beim Publikum nicht an. Und ich glaube, das mache ich auch in meinen Romanen. Das ist nicht so riesenübertrieben, aber so eine ganz kleine Übertreibung steckt da irgendwie immer drin.
Vera
00:54:27
Aber wie ist das bei mir? Ist das so, dass Existenzangst mich in der Kreativität eher lehnt? Weil ich mich da unter Druck fühle. Hast du so Momente erlebt?
Martina
00:54:37
Schon länger nicht mehr, weil wie gesagt, in den letzten Jahren dann lief es ganz gut, wobei man auch dazu sagen muss, dass in der Pandemie es uns allen, also uns zumindest, sehr viel besser ging finanziell, weil wir hatten wirklich viel Förderung bekommen. Früher hatte ich die schon mal so kurzzeitig, aber ich bin tatsächlich doch jemand, ich kann das verdrängen. Das war was, was meine Eltern immer richtig auf die Palme gebracht haben, vor allem, als ich dann Kinder bekommen habe, da haben die oft gesagt, ihr müsst euch doch Gedanken machen über die Zukunft. Und ich immer, ja, jetzt, ja, mache ich mir dann schon. Also ich wollte das immer nicht. Ich glaube, das ist einfach so ein bisschen Veranlagungssache.
Vera
00:55:21
Ja, wahrscheinlich. Ja, finde ich bewundernswert. Liebe Martina, ja, ich bin immer noch sehr beeindruckt davon, von deiner Geschichte und freue mich sehr, dass du hier bei uns bist. Wir kommen dem Ende entgegen und du wirst aber auch nicht entlassen, bevor du dich nicht den total kritischen Buch Bubble Fragen von Tamara gestellt hast.
Tamara
00:55:43
Genau, wir beginnen mit einer Buchempfehlung. Welches Buch hat dich denn zuletzt Tränen, Weinen oder Lachen lassen?
Martina
00:55:52
Also es gibt keines, dass mich, ich weine nie bei Büchern und ich lache so gesehen auch nicht wirklich.
Tamara
00:56:02
Innerlich zählt auch. Genau.
Martina
00:56:05
Also ich glaube, das Buch, was mich immer noch, extrem angreift, ich lese es auch aktuell gerade wieder, wo ich nah am Weinen vielleicht bin oder in einem Zustand, was so einem inneren Weinen gleicht, ist die Wand von Marlin Haushofer. Das ist so eigentlich eins meiner Lebensbücher, muss ich fast schon sagen, weil ich finde so diese, darin wird so existenziell auf so eine ganz krasse Weise das Leben an sich behandelt. Also das Zusammenleben oder eben in dem Fall das Nicht-Zusammenleben, die Einsamkeit, die nicht selbst gewählt ist und die dann aber trotzdem manchmal so. Wahnsinnig euphorische Momente haben kann und im selben Moment ist es wieder ganz schrecklich und ich bin da immer vollkommen angegriffen davon, weil ich das gleichwohl immer so paradiesisch finde, wie diese Frau da dann in ihrer Situation zurechtkommt und lebt, und eigentlich tun und lassen kann, was sie will, aber es stimmt ja eben auch gar nicht. Und dann finde ich das auch vom Handwerklichen, finde ich diesen Roman, auch so wahnsinnig toll, wie das strukturiert ist. Also es ist ja eigentlich so eine Art Mitschrift, damit sie die Frau nicht das Zeitgefühl verliert und sich erinnern kann an das, was alles schon passiert ist, weil es ja keine äußeren Strukturen mehr gibt oder kaum noch. Und dann sind es eben immer diese Rückblenden und dann wird immer mal schon das grausige Ende angedeutet und wie das alles gemacht ist und welche Voraussetzungen überhaupt auch erfüllt sein müssen, damit diese Frau in der Waldhütte überhaupt überleben kann und das ist Das finde ich so toll, wie sie das hinbekommen hat, Marlin Haushofer. Das Buch nenne ich auch eigentlich immer.
Vera
00:57:48
Das ist, glaube ich, bei uns noch nicht genannt worden.
Tamara
00:57:52
Ich würde kurz vor der zweiten Frage noch eine Zwischenfrage einschieben. Noch einen zweiten Buchtipp anknüpfend an meine Frage von vorhin. Wenn ich mich jetzt mehr mit Lyrik beschäftigen möchte, Welchen Diderbände würdest du mir empfehlen? Womit komme ich denn mal in die Lyrik rein?
Martina
00:58:11
Mit meinen eigenen, meinst du? Da würde ich die beiden letzten nehmen. Vielleicht sogar wirklich den allerletzten In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen, heißt der. Es sind fünf Kapitel und drei davon sind richtige langen Gedichte. Und einer davon ist sogar eigentlich auch ein Performance-Text, also eine Art Monolog. Und da sind eigentlich viele Themen, die mich auch jetzt immer wieder so beschäftigen. Da geht es viel auch um so Natur, aber eben das, was man so unter Naturzerstörung subsumieren kann und leider ist das gerade schon seit zwei Jahren nicht mehr aufgelegt, aber erscheint jetzt im Frühjahr nochmal neu als Taschenbuch bei Klettkotter, genauso wie mein vorletzter Band, es könnte auch schön werden.
Tamara
00:58:59
Okay. Da werde ich da mal reinlesen. Jetzt zur zweiten Frage. Welche Begegnung in der Buchbubble war für dich denn ganz, ganz besonders inspirierend?
Martina
00:59:10
Ja, da habe ich mir schon lange vorher Gedanken dazu gemacht, weil ich habe ja diese Frage schon gelesen gehabt. Ich weiß gar nicht, ob ich das verraten darf.
Tamara
00:59:18
Na klar.
Martina
00:59:21
Ich könnte gar keine Einzelnen nennen. Ich glaube, es waren ganz viele. Aber ich glaube tatsächlich, sehr inspirierend waren so die ersten Telefonate und dann auch Zusammentreffen mit meinem Literaturagenten, der ungeheuer empathisch ist und unterstützend und wirklich auf das Kunstwerk schaut oder auf den Text schaut und der natürlich immer versucht, das Beste für uns Autorinnen rauszuholen, aber der so eine Begeisterung hat, Das hat mich wirklich so damals sehr getragen.
Vera
00:59:55
Ja, kann ich mir vorstellen, ja.
Tamara
00:59:58
Und zum Schluss, welches Klischee möchtest du nie wieder in einem Buch lesen?
Martina
01:00:02
Ich glaube, Strachklischees, das ist schon immer etwas gewesen, wo ich ganz allergisch bin. Also so Formulierungen mit chirurgischer Präzision zum Beispiel, habe ich in einem riesigen Erfolgsroman aus dem letzten Frühjahr gleich auf der ersten oder zweiten Seite gelesen. Da habe ich gedacht, oh nee, das kann nicht sein, nein, warum denn? Mir fallen jetzt keine weiteren ein, aber diese Sachen, ich finde immer, da müssen wir besser damit umgehen. Das darf nicht vorkommen. Das ist was für die Monscherie-Werbung oder so.
Vera
01:00:35
Chirurgisch-Hoportision können Sie die Kirsche aus der Schokolade flühen.
Martina
01:00:38
Das nicht. Genau. Super, das ist natürlich für mich gut. So würde ich es kaufen.
Vera
01:00:47
Liebe Martina, ganz, ganz toll, dass du dir die Zeit für uns genommen hast. Wir haben es wirklich sehr genossen, uns mit dir zu unterhalten und hoffen auch sehr, dass das vielleicht auch nicht das letzte Mal ist. Vielleicht zählt man sich ja mal auf einer Messe oder so. Und ja, an euch da draußen, ja, wir sind sicher, ihr habt viel Inspiration mitgenommen. Ihr wisst, was ihr zu tun habt, uns zu folgen, wo immer ihr könnt, weiter zu empfehlen und natürlich auch unser Buchbubble-Bulleton zu abonnieren. Ja, es wird demnächst noch mal wieder kommen. Also bis dahin, bis nächste Woche. Bleibt uns gewogen. Dankeschön.
Tamara
01:01:25
Vielen lieben Dank, Martina.
Martina
01:01:26
Sehr, sehr gerne. Hat mir ganz große Freude gemacht und ich hoffe auch, dass wir uns wiedersehen. Tschüss.